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7. Entscheidung des Gerichts

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Das Rechtsbeschwerdegericht entscheidet durch Beschluss, wenn ausnahmsweise eine Hauptverhandlung stattfindet durch Urteil (§ 79 Abs. 5 OWiG). Eine Begründung ist erforderlich, es sei denn, die Rechtsbeschwerde wird auf Antrag der Staatsanwaltschaft als offensichtlich unbegründet verworfen. Das Gericht kann die Sache an das Amtsgericht zurückverweisen oder auch selbst entscheiden.

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Über den Wegfall eines Fahrverbots kann das Rechtsbeschwerdegericht insbesondere dann selbst entscheiden, wenn die ansonsten vorhandene Wechselwirkung zwischen Geldbuße und Fahrverbot nicht besteht.[56] Um einen Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot nach § 79 Abs. 3 S. 1 OWiG i.V.m. § 358 Abs. 2 StPO handelt es sich nicht, wenn von der Verhängung eines Fahrverbots abgesehen und dafür die Geldbuße erhöht wird.[57]

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Der Beschluss, durch den der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde verworfen wird, bedarf gem. § 80 Abs. 4 S. 3 OWiG keiner Begründung.

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Die Bußgeldsenate sind grundsätzlich mit einem Richter besetzt. Somit auch in allen Fällen des Verkehrsrechts auch bei der Nebenfolge Fahrverbot[58], es sei denn, der Einzelrichter überträgt die Sache dem Senat, weil es geboten ist, das Urteil zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nachzuprüfen. Über die Beschwerde gegen einen Ordnungsgeldbeschluss in Verbindung mit einem Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde entscheidet der Bußgeldsenat in der Besetzung mit einem Richter.[59] Über die vom Einzelrichter des OLG zugelassene Rechtsbeschwerde entscheidet dieser in eigener Zuständigkeit, also nicht das Gremium, wenn im erstinstanzlichen Verfahren das rechtliche Gehör verletzt worden ist und aus diesem Grund die Rechtsbeschwerde zugelassen wird.[60]

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Im Fall der Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde ist die sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils nicht zulässig.[61]

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Muster: Rechtsbeschwerde – Einlegung

An das

Amtsgericht Musterstadt

– Verkehrsgericht –

Aktenzeichen: …

In dem Bußgeldverfahren

gegen Anton Anständig wegen des Verdachts …

lege ich namens der Mandantschaft gegen das Urteil des Amtsgerichts vom … gem. § 79 Abs. 1 OWiG

Rechtsbeschwerde

ein. Die Antragstellung und Begründung erfolgt, sobald die Urteilsgründe zugestellt sind.

Mit freundlichen Grüßen

Rechtsanwalt

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Muster: Rechtsbeschwerde – Zulassung

An das

Amtsgericht Musterstadt

– Verkehrsgericht –

Aktenzeichen: …

In dem Bußgeldverfahren

gegen Anton Anständig wegen des Verdachts …

beantrage ich gegen das Urteil des Amtsgerichts Musterstadt vom … gem. § 80 OWiG die

Zulassung der Rechtsbeschwerde.

Zugleich lege ich

Rechtsbeschwerde

ein. Die Antragstellung und Begründung erfolgt nach Zustellung der Urteilsgründe.

Mit freundlichen Grüßen

Rechtsanwalt

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Muster: Rechtsbeschwerde – Rücknahme

An das

Amtsgericht Musterstadt

– Verkehrsgericht –

Aktenzeichen: …

In dem Bußgeldverfahren

gegen Anton Anständig wegen des Verdachts …

nehme ich namens der Mandantschaft die gegen das Urteil des Amtsgerichts Musterstadt vom … eingelegte Rechtsbeschwerde zurück.

Mit freundlichen Grüßen

Rechtsanwalt

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Checkliste für Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde

I. Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde ( § 79 OWiG )
1. Gegen Urteil und Beschluss nach § 72 OWiG ohne gerichtliche Zulassung, wenn:
Buße mehr als 250 €
oder Nebenfolge angeordnet, es sei denn, Wert der Nebenfolge ist nicht mehr als 250 € oder wenn Fahrverbot verhängt.
oder Betroffener wegen Ordnungswidrigkeiten freigesprochen oder das Verfahren eingestellt oder von Fahrverbot abgesehen wurde und wegen der Tat im Bußgeldbescheid oder Strafbefehl eine Geldbuße von mehr als 600 € festgesetzt, ein Fahrverbot verhängt oder eine solche Geldbuße oder ein Fahrverbot von der Staatsanwaltschaft beantragt worden war.
oder Einspruch durch Urteil als unzulässig verworfen.
oder Beschluss nach § 72 OWiG trotz rechtzeitigen Widerspruchs (vgl. § 72 Abs. 1 OWiG) des Beschwerdeführers.
2. Gegen Urteil (nicht gegen Beschluss), mit gerichtlicher Zulassung (§§ 79 Abs. 1 S. 2, 80 OWiG), Zulassungsvoraussetzungen:
Antrag (Begründung notwendig) und
a. Nachprüfung der Entscheidung zur Fortbildung des Rechts (§ 80 Abs. 1 Ziff. 1 OWiG).
oder b. Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 80 Abs. 1 Ziff. 1 OWiG).
oder c. Versagung des rechtlichen Gehörs (§ 80 Abs. 1 Ziff. 2 OWiG).
Aber: Wesentliche Einschränkung a. und b. gem. § 80 Abs. 2 OWiG: Die Rechtsbeschwerde wird wegen einer Verfahrensrüge nicht und wegen einer Sachrüge nur zur Fortbildung des materiellen Rechts zugelassen wenn keine höhere Buße als 100 € festgesetzt ist oder der Betroffene wegen einer OWi freigesprochen oder eingestellt wurde und wegen der Tat im Bußgeldbescheid oder im Strafbefehl keine höhere Buße als 150 € festgesetzt oder von der Staatsanwaltschaft beantragt war. Im Zulassungsverfahren wird nicht mehr geprüft, ob schon vor Erlass des Urteils des Amtsgerichts ein Verfahrenshindernis (Verjährung!) eingetreten war (§ 80 Abs. 5 OWiG). Die Verwerfung des Zulassungsantrags bedarf keiner Begründung (§ 80 Abs. 4 S. 3 OWiG). Durch die Verwerfung gilt die Rechtsbeschwerde als zurückgenommen.
II. Frist und Form der Rechtsbeschwerde + Zulassungsantrag
1. Einlegungsfrist 1 Woche (§§ 79 Abs. 3, 80 Abs. 3 OWiG, § 341 StPO) Fristbeginn bei Anwesenheit des Betroffenen mit Verkündung des Urteils. Fristbeginn bei Abwesenheit des Betroffenen mit Zustellung der Entscheidung (§ 79 Abs. 4 OWiG).
2. Form
Bei Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird, schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle (§ 341 StPO), auch durch FAX. Wenn nicht bei Gericht angebracht, müssen Anträge und Begründung durch Verteidiger bzw. Anwalt gefertigt werden.
3. Beschwerdeanträge (§§ 80 Abs. 3 S. 3, 79 Abs. 3 OWiG, § 344 Abs. 1 StPO)
Begründungsfrist Nach Ablauf der Einlegungsfrist: Frist von einem Monat für Beschwerdeanträge und für deren Begründung. Wenn bis zu diesem Zeitpunkt die anzufechtende Entscheidung noch nicht mit Gründen zugestellt, dann läuft die Frist erst ab Zustellung (§ 345 Abs. 1 StPO).
Formulierung der Beschwerdeanträge, z.B.: „Ich stelle den Antrag, das Urteil/den Beschluss des Amtsgerichts … (AZ: …) vom … aufzuheben und den Betroffenen freizusprechen, vorsorglich die Sache an das Amtsgericht … zurückzuverweisen.“
4. Begründung des Zulassungsantrages ( § 80 Abs. 3 OWiG ) Ausführliche Darlegung, dass es geboten ist, die Nachprüfung der Entscheidung des Amtsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen (§ 80 Abs. 1 OWiG) oder dass das rechtliche Gehör versagt wurde.
Fortbildung des Rechts: • Abänderung oder Aufgabe einer althergebrachten Rechtsansicht, • neue Rechtsgebiete, • keine gefestigte Rechtsprechung, • neue Leitsätze für die Auslegung von Rechtsbestimmungen, • Ausfüllung von Gesetzeslücken. Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung: • Besorgnis, dass einzelne Amtsgerichte von gefestigter Rechtsprechung abweichen, • schwer erträgliche Unterschiede für die Rechtsprechung im Ganzen bei gleichgelegenen Fällen, • konkrete Wiederholungsgefahr muss vorliegen (nur wenn ein Gericht bewusst oder in ständiger Praxis von der obergerichtlichen Rechtsprechung abweicht). Nicht für Einzelfallgerechtigkeit. Ein falsch entschiedener Einzelfall gefährdet im Allgemeinen noch nicht die Einheitlichkeit der Rechtsprechung. Versagung des rechtlichen Gehörs: Nur dann, wenn Betroffener keine Möglichkeit hatte, sich zu wichtigen Tatsachen zu äußern. Muss im Zulassungsverfahren selbst festgestellt werden. Zulassungsantrag gilt als vorsorglich eingelegte Rechtsbeschwerde (§ 80 Abs. 3 S. 2 OWiG). Die Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde sind zugleich bei der Begründung der Beschwerdeanträge anzugeben. Sie können aber auch später vorgetragen und ergänzt werden. Formulierung des Zulassungsantrags: „… beantrage ich gegen das Urteil des Amtsgerichts … (AZ: …) vom … die Zulassung der Rechtsbeschwerde. Zugleich lege ich Rechtsbeschwerde ein. Die Antragstellung der Rechtsbeschwerde und Begründung erfolgt nach Zustellung der Urteilsgründe.“
III. Begründung der Rechtsbeschwerde
1. Verfahrensverstöße
Begründungszwang bei Verfahrensrügen innerhalb der Rechtsbeschwerdebegründungsfrist von 1 Monat (§ 345 Abs. 1 StPO).
Angabe der den Verstoß enthaltenden Tatsachen (§ 344 Abs. 2 StPO); die den Mangel enthaltenden Umstände müssen so genau angegeben werden, dass das Beschwerdegericht nur anhand der Rechtsbeschwerdeschrift überprüfen kann, ob ein Verfahrensverstoß vorliegt; keine Bezugnahme auf Protokoll, Akteninhalt, Anlagen. Angabe lediglich der verletzten Vorschrift genügt nicht.
Beweis des Verfahrensverstoßes braucht nicht geführt zu werden, also auch keine Beweismittel angeben.
Hinweis auf Rechtsvorschrift, die verletzt ist, nicht unbedingt erforderlich, aber zweckmäßig (Rechtsausführungen!).
Kausalität: Abgesehen von den absoluten Revisionsgründen (§ 338 StPO) muss der gerügte Verfahrensverstoß kausal für die ergangene Entscheidung sein. Ausführungen darüber sind nicht unbedingt erforderlich, aber dringend anzuraten. Beispiel: „Das Urteil beruht auf diesem Verstoß, weil möglicherweise …“
Häufige Verfahrensverstöße • Absolute Revisionsgründe des § 338 StPO, • Verletzung der §§ 240, 241 StPO (Fragerecht, Zurückweisung von Fragen), • Verletzung des § 243 Abs. 4 S. 1 StPO (Hinweis auf Aussageverweigerungsrecht), • Verletzung des § 244 Abs. 2 StPO (Verletzung der Aufklärungspflicht) in Verbindung mit §§ 77 ff. OWiG, • Verletzung der §§ 244 Abs. 1, 3, 4, 5, 6 StPO (Ablehnung von Beweisanträgen) in Verbindung mit §§ 77 ff. OWiG, • Verletzung des § 245 StPO (präsente Beweismittel), • Verletzung der §§ 249, 250, 251, 252 StPO (Verlesung von Schriftstücken) i.V.m. § 77a OWiG, • Verletzung des § 258 Abs. 3 StPO (letztes Wort), • Verletzung des § 265 StPO (Hinweis auf Änderung des rechtlichen Gesichtspunktes), • Verletzung des § 72 OWiG (Widerspruch gegen schriftliches Verfahren), • Verletzung des § 74 Abs. 2 OWiG (Verwerfung des Einspruchs), • Verletzung des Anwesenheitsrechts, § 73 OWiG, • Versagung des rechtlichen Gehörs.
2. Materiellrechtliche Verstöße
Es genügt die generelle Rüge des sachlichen Rechts, das Gericht muss dann die gesamte Entscheidung überprüfen. Formulierung: „Gerügt wird die Verletzung materiellen Rechts.“
Einzelausführungen zur Verletzung materiellen Rechts sind zwar nicht unbedingt erforderlich, jedoch zu empfehlen. Grundlage der Sachrüge sind stets nur die Feststellungen in der angefochtenen Entscheidung. Formulierung: „Zur Ergänzung der erhobenen allgemeinen Sachrüge wird Folgendes ausgeführt: …“
Generell muss erkennbar sein, ob wegen eines materiellen Verstoßes oder wegen eines Verfahrensverstoßes die Rechtsbeschwerde erhoben ist.
Schema der Überprüfung für materielle Verstöße:
a. Tenor lesen.
b. Prüfen, ob in den Urteilsgründen alle objektiven Tatbestandsmerkmale festgestellt wurden.
c. Prüfen, ob in den Urteilsgründen alle subjektiven Tatbestandsmerkmale festgestellt wurden.
d. Ist das materielle Recht auf die Feststellung des Gerichts richtig angewendet worden? Beispiel: „§ … ist falsch angewendet, das Gericht hat ein Tatbestandsmerkmal des § … nämlich … strafschärfend berücksichtigt …“.
e. Ob die Feststellung des Gerichts subjektiv vom Rechtsanwalt nicht so beurteilt wird wie vom Richter, ist unerheblich.
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