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Der Götterbär

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Auch viele alte europäische Geschlechter hielten sich für die Nachkommen eines Bärenahnen – etwa die Goten und die heidnischen Dänen. Dieser Bärenahn war jedoch kein gewöhnlicher Bär, wie man ihm im Wald begegnen würde, sondern der Asbjörn (englisch Osborn; althochdeutsch Anspero), der Asen- oder Götterbär selbst, der kein Geringerer als der mächtige Thor (Donar, Thunar) ist.

Thor ist der vollbärtige, rothaarige Gewittergott. Sein Feuersteinhammer lässt Blitze über den Himmel zucken und zermalmt mit krachenden Donnerschlägen die Schädel von Ungeheuern, Lindwürmern und jenen bösen Eis- und Frostriesen, die den Bauern das Leben schwer machen. Er ist der Held und Freund der Frühlingsgöttin, der die Winterstarre und die Unfruchtbarkeit aus dem Land vertreibt. Sein Hammer versprüht eine feurige Sternensaat in den Kosmos und lässt zugleich befruchtenden Regen auf die ausgetrocknete Erde fallen.

Es ist sicherlich kein Zufall, dass auch in Ostasien und Sibirien, beispielsweise bei den Ainu und Kamtschadalen, ein kosmischer Bär der Gewitterherr ist. Im Sturm und bei heulenden Winden hören sie sein Gebrüll, in mächtigen dunklen Gewitterwolken sehen sie seine Gestalt. Für die Navajo-Indianer war der Wirbelsturm ein mächtiger himmlischer Grizzlybär (Arens/Braun 1994: 48):

»Mit zuckenden Blitzen, die aus meinen Fußenden schießen, schreite ich …,

mit zuckenden Blitzen, die aus meiner Zungenspitze fahren, spreche ich …

Gefahr ist, wohin ich meine Füße setze.

Ich bin der Wirbelsturm.

Ich bin der Graubär.«

Fast überall gilt der Bär als zeugungskräftig. Auch der Götterbär Thor macht da keine Ausnahme. Er fördert die Fruchtbarkeit der Gärten und Felder und verhilft auch den Menschen zu ihren Kindern. Sein funkensprühender Hammer ist auch das männliche Zeugungsglied, das im weiblichen Schoß ein- und ausgeht, wie ein Bär in der Höhle der großen Göttin. Bei den germanischen Stämmen legte man daher bei der Hochzeitszeremonie, zur Weihung der Ehe, einen Hammer – Thors Hammer – in den Schoß der jungen Braut.


Links: Thors Hammer als Amulett, 10. Jahrhundert; rechts schwedische Felszeichnung aus der Bronzezeit, wahrscheinlich den Hammergott darstellend.

Thor, der Sohn des Himmelskönigs, wurde auch als Jardar Bur, Sohn der Erde, verehrt. Erdig derb ist er, wie ein Bär, und der größte und stärkste unter den Göttern (Asen). Sein Bärenhunger und sein Bärendurst sind berüchtigt. Nur ein Fürst oder ein grobschlächtiger Bauer, der die Erde beackert, kann so viel saufen und fressen. Er liebt auch, wie der Waldbär, den süßen Honig der Bienen – jedoch vor allem in Form des Mets, des Honigweins.

Im Laufe der Zeit wurden die Eigenschaften Thors auf den ersten der mächtigen Kerle, auf den König Karl übertragen. Wie der Bär der König der Tiere ist, so ist der Karl der von der Göttin auserkorene Herrscher der Menschen. Über diesen Karl, den Bären unter den Menschen, werden wir später mehr erfahren.

Der Bär

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