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Florenz

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Neben den Markgrafen der Toskana, die in Florenz ihren Sitz hatten, und der energischen Reichsverwaltung Barbarossas konnte die Stadt im 12. Jahrhundert kaum eine eigenständige politische Rolle spielen, wenn sich auch die übliche kommunale Selbstverwaltungsstruktur (Konsuln 1138, Podestà 1158 erwähnt) entwickelte und der Erwerb eines Contado gelang. Erst vom Machtvakuum nach dem Tode Heinrichs VI. und dem Desinteresse Friedrichs II., der Florenz nie betrat, vermochte die Stadt zu profitieren. Im Jahr 1216 entstanden der Legende nach die (nachmals in ganz Italien verbreiteten) Parteinamen »Guelfen« und »Ghibellinen« nach einer blutigen Auseinandersetzung zweier feindlicher Familien. Jedoch löste sich ihre Bedeutung schnell vom ursprünglichen Anlass (Anhänger der Welfen oder Staufer); unter Friedrich II. bedeuteten sie Stellungnahme für Papst oder Kaiser, dann für oder gegen Karl von Anjou, schließlich für oder gegen ein politisches Zusammengehen mit Frankreich.

[128]Von der Mitte des 13. Jahrhunderts an wurde der guelfisch-ghibellinische Konflikt zudem vom Gegensatz zwischen den »Magnaten« und dem popolo, d. h. den zu Wohlstand gelangten Händlern und Handwerkern, überlagert. Auf das magnatenfeindliche Regime des primo popolo 1250–60 folgte, nach ghibellinischem Zwischenspiel, seit 1266 die Herrschaft der parte Guelfa. Seit 1282 nahmen die Vorsteher der Zünfte (priori delle arti) an der Stadtregierung teil, die sie schließlich allein übernahmen. 1293 ergingen die ordinamenti della giustizia, scharfe Sondergesetze gegen die Magnaten, die u. a. für gleiche Vergehen schärfer bestraft wurden als normale Bürger und auch prozessual benachteiligt wurden.

Der Regierungsantritt Bonifaz’ VIII. führte zu einer Spaltung der parte Guelfa in die »schwarzen« Guelfen, die sich für ein Zusammengehen mit dem Papst, und die »weißen« Guelfen, die sich dagegen aussprachen. Mit des Papstes Hilfe setzten sich 1301 die schwarzen Guelfen durch und zwangen die weißen Guelfen, darunter auch Dante Alighieri, in die Verbannung. Innerhalb der schwarzen Guelfen erlangte, anders als etwa in Mailand, keine Familie eine Vormachtstellung, da extreme Gewaltenteilung durch miteinander konkurrierende Ratsgremien, besonders kurze Amtszeiten und Wahlverfahren durch Losentscheid zwischen allen wählbaren Bürgern dies unmöglich machten.

Neben diese hyperdemokratische De-jure-Verfassung schob sich aber immer stärker eine gar nicht so demokratische De-facto-Ordnung. Die regulären Organe wurden häufig durch eine balìa beiseitegeschoben, d. h. eine außerordentliche Behörde mit Sondervollmachten für bestimmte Aufgaben oder in kritischen Situationen. Ferner gab es [129]vorberatende Ad-hoc-Kommissionen (pratiche), in denen sich sowohl wirklicher Sachverstand als auch die Macht einflussreicher Familien geltend machen konnte. Vor allem aber führte die ungleiche Vermögensverteilung zur Klientelbildung, so dass die reichen Familien über ihre Klientel die Abstimmungen in den Gremien beeinflussen, wenn nicht gar manipulieren konnten.

Zu Anfang des 15. Jahrhunderts bildete sich eine Konkurrenzsituation zwischen einer eher oligarchisch eingestellten Gruppe um die Familie der Albizzi und einer mehr populär ausgerichteten Gruppe um die Medici aus. Deren Aufstieg begann 1397 mit der Gründung der Medici-Bank durch Giovanni di Bicci. Die Bank reüssierte vor allem im Geschäft mit der Kurie und hatte Filialen in ganz Europa; Cosimo de’ Medici war bereits einer der reichsten Männer von Florenz. Deshalb setzte Rinaldo degli Albizzi 1433 seine Verbannung aus der Stadt durch; doch kam durch die Zufälle des Losverfahrens ein Jahr später eine medicifreundliche Signorie an die Macht, die Cosimo zurückrief, der nun seinerseits den Albizzi verbannen ließ.

In der Folgezeit errichteten die Medici das, was man zutreffend als »Kryptosignorie« bezeichnet hat: Die demokratischen Institutionen blieben formal unangetastet, wurden jedoch aus dem Hintergrund von Cosimo und seinen beiden Nachfolgern gelenkt. Dazu dienten vor allem eine Manipulation der Wählerliste, ein konsequenter Ausbau der Medici-Klientel und ein fast erdrückendes Mäzenatentum auf allen Gebieten der Wissenschaft und Kunst. Ganz allmählich bahnte sich der Übergang von der Kryptosignorie zur offenen Herrschaft an: So wurden bei Lorenzo il Magnifico seit 1469 Bestimmungen über das Mindestalter bei [130]bestimmten Ämtern nicht eingehalten, er heiratete in die römische Adelsfamilie der Orsini ein und vernachlässigte die ursprüngliche Quelle seines Reichtums; dies führte zur Schließung mehrerer Filialen der Medici-Bank und (wahrscheinlich) zum unberechtigten Zugriff auf staatliche Gelder. Der Abstand zwischen der Familie und ihrer Klientel wuchs, was wesentlich zur Katastrophe von Lorenzos Sohn Piero lo Sfortunato beitrug.

Zunächst freilich wirkte sich ein Ereignis, das eigentlich den Ruin der Medici herbeiführen sollte, im Ergebnis zu ihren Gunsten aus: der Versuch, im April 1478 Lorenzo und Giuliano de’ Medici zu ermorden – ein Versuch, in den die mit den Medici konkurrierende Familie Pazzi, der Erzbischof von Pisa und kuriale Kreise bis hinauf zu Papst Sixtus IV. verwickelt waren. Es gelang den Verschwörern aber nur, Giuliano zu töten; Lorenzo konnte schwerverletzt entkommen. Währenddessen versuchten der Erzbischof und die Pazzi, die Tat als Tyrannenmord darzustellen und einen Aufstand der Florentiner Bevölkerung gegen die Medici zu erregen. Sobald jedoch bekannt wurde, dass Lorenzo den Anschlag überlebt hatte, schlug die Stimmung um: Die Verschwörer, darunter der Pisaner Erzbischof, wurden am Fenster des Palastes der Signoria erhängt.

Der Papst reagierte in einer Weise auf die Bluttat, die ihn als Mitwisser erscheinen ließ: Er verhängte die Exkommunikation, aber nicht über die Verschwörer, sondern über Lorenzo de’ Medici (unter dem Vorwand, die Erhängung des Erzbischofs sei ein Bischofsmord gewesen). Als die Florentiner sich dennoch nicht von Lorenzo abwandten, folgte das Interdikt über die Stadt, schließlich ein Kriegszug, wobei des Papstes wichtigster Verbündeter König Ferrante [132]von Neapel war. In dieser Situation entschloss sich Lorenzo zu einem mutigen Schritt: Er reiste persönlich nach Neapel, um den König in direkten Verhandlungen auf seine Seite zu ziehen. Die Reise barg ein hohes Risiko, da Lorenzo keinerlei Garantien für seine Unversehrtheit hatte, war aber von einem vollen Erfolg gekrönt. Daraufhin musste sich schließlich auch der Papst mit Florenz und den Medici versöhnen.


Die Medici

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