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Fernwirkungen der Römerzeit am Oberrhein
ОглавлениеSiedlungskontinuität
Fernhandel und Straßenbau, Verwaltungszentren und Militärkastelle, vor allem aber die großzügigen Badeanlagen, sind Zeugnisse einer urbanen Zivilisation, die die Römer in ihren Haupt- und Provinzstädten entwickelt und bis an die Grenzen des Imperiums verbreitet haben. Zum Beispiel wurden die warmen Quellen von Baden-Baden und Badenweiler von den Römern schon genutzt – eindrucksvolle Reste der Thermenanlagen sind an beiden Orten noch zu besichtigen. Allerdings haben gerade die städtischen Traditionen in unserem Raume nicht unmittelbar fortgewirkt. Vielleicht führte aber doch von den spätrömischen Orten Konstanz und Breisach eine Siedlungskontinuität in das frühe Mittelalter. Bei den Städten Ladenburg, Pforzheim, Offenburg und anderen Orten ist immerhin eine mittelbare Beziehung zwischen der römischen Besiedlung und der mittelalterlichen Entwicklung anzunehmen. Während linksrheinisch die städtische Tradition weitergeführt wurde, man denke an Kaiseraugst und Basel, an Straßburg, Speyer, Worms oder Mainz, hinterließen die Römer auf unserer Seite des Oberrheins vor allem Spuren im ländlich-agrarischen Raum.
Wein, Obst und Gemüse
Hier prägten die römischen Gutshöfe, die villae rusticae, die Landschaft. Auf den Gutshöfen trieb man Ackerbau und Viehzucht, versorgte die Bevölkerung und das Militär mit dem Lebensnotwendigen. Ihre Größe ist nicht genau ermittelt. Güter in einer Größe von 100 Hektar wie links des Rheins gab es wohl selten. In der Mehrzahl dürfte es sich um kleinere Höfe gehandelt haben. Sie wurden oft von Veteranen, ehemaligen Soldaten, bewirtschaftet. Von solchen römischen Gutshöfen gab es in unserem Raum eine große Zahl. Hunderte sind durch Grabungen oder Luftaufnahmen nachgewiesen. Im Bereich von Ackerbau und Viehzucht konnten die Römer der einheimischen |12|Bevölkerung wohl nichts prinzipiell Neues vermitteln, wenn sie auch durch rationellere Methoden, Saatgut- und Zuchtwahl den Ertrag erheblich zu steigern vermochten und mit besserem Arbeitsgerät (u.a. dem eisernen Wendepflug) eine intensivere Bodenbearbeitung ermöglicht haben. Die größten Innovationen brachten die Römer indes auf dem Gebiet des Wein-, Obst- und Gemüseanbaus, bei den Intensiv- und Veredelungskulturen also. Viele Lehnworte wie »Wein« (von vinum), Kirsche (bzw. alemannisch Chriesi von lateinisch ceresia), Pfirsich, Pflaume, Melone bezeugen, dass sich Kelten und nachfolgende Germanen mit den Bezeichnungen die Sachen angeeignet haben. Mag es auch schon zuvor kleine Rebgärten an Oberrhein und Bodensee gegeben haben, so brachten doch erst die Römer eine systematische Weinbaukultur. Sie steigerten Produktivität und Qualität, legten planmäßig Rebflächen an und verstanden es, den Rebensaft sorgfältig auszubauen (Qualitätsweine wurden z.T. 15 bis 20 Jahre gelagert). Mit durchaus modernen Arbeitsgeräten – Karst und Hacke, sichelförmigem Rebmesser u.ä. – konnten sie den Boden lockern, kleine Gräben ziehen, die Reben beschneiden u.a. mehr. Der Wein stellt sozusagen in sich ein Kulturgut dar, wie schon Plinius schrieb: »Durch den Wein sind wir Menschen die einzigen Geschöpfe, die trinken, ohne zu dürsten.«
Der Weinbau gab zahlreiche Entwicklungsimpulse. Man brauchte Winzer und Kellermeister, Taglöhner für Saisonarbeit und für den Transport. Schmiede und Gerätehersteller waren notwendig, Küfer für die Fertigung der Bottiche und Fässer, Fachleute für die Herstellung der Trotten, Transportwagen und -schiffe; und natürlich regte der Weinkonsum das Töpfereigewerbe zur Steigerung der Produktion feiner Trinkschalen und Amphoren an, die jetzt durchweg mit der schnell drehenden Töpferscheibe gefertigt wurden. Mit dem Bau von stabilen Weinfässern aus Holz waren die hiesigen Handwerker übrigens den Südländern überlegen: Das Holzfass verdrängte allmählich die am Mittelmeer bislang üblichen riesigen Tonkrüge als Vorratsbehälter. Mit den Produkten ihrer Sonderkulturen im Wein-, Obst- und Gemüseanbau (eine Reihe neuer Nutz- und Gewürzpflanzen wie Mangold, Knoblauch oder Dill kamen aus dem Süden in unser Land) haben die Römer nicht nur den Speisezettel der Gutsherren- oder Pächterfamilien bereichert. Vieles wurde auch für den Markt produziert und bewirkte so eine Steigerung und Differenzierung des ganzen Wirtschaftskreislaufes. Sicherlich bezog sich die Breitenwirkung dieser Entwicklung vorab auf die Siedlungen entlang der großen Straßen. Schwarzwald und Odenwald blieben ohnehin weitgehend siedlungsleer. So konzentrieren sich auch die Münzfunde vor allem auf das Gebiet am unteren Neckar, um Pforzheim und entlang des Oberrheins.
Religion der Römerzeit
Eine wichtige Klammer für die Verbindung zwischen der römischen Lebensart mit derjenigen der hiesigen Bevölkerung bildete die Religion. Dabei erfolgte der Assimilierungsprozess nicht nur in einer Richtung. Das lässt sich an Zeugnissen des religiösen Denkens ablesen. Man fand einerseits viele Statuen und Weihe-Inschriften |13|zu Ehren römischer Götter, vor allem des Göttervaters Jupiter. Eine Besonderheit des südwestdeutschen Raumes ist seine Darstellung auf hohen Säulen als Blitze schleudernder Reiter, dessen Pferd einen Giganten unter sich zwingt. Der Gott als Reiter wurde wohl von den Kelten übernommen. Solche Jupitergigantensäulen fanden sich zum Beispiel in Ladenburg, in Sinsheim und Heidelberg-Neuenheim. Weit verbreitet war auch die Verehrung von Merkur, des Schutzpatrons der Händler und Reisenden. Daneben behielten aber auch keltische Gottheiten ihren Rang wie die Pferdegöttin Epona. Manche wurden einfach römisch uminterpretiert, so die keltische Waldgöttin Abnoba zur römischen Jagdgöttin Diana. Zu wachsender Bedeutung kam der aus dem Orient stammende Mithraskult, der bis ins 4. Jahrhundert mit dem Christentum konkurrierte und der in unserem Raum durch zwei großartige Reliefs des 2. Jahrhunderts (aus Osterburken und aus Heidelberg-Neuenheim) und durch die Reste eines Mithräums in Riegel dokumentiert ist. Inwieweit sich die Bevölkerung hierzulande die religiöse Gesinnung der Römer, die zuweilen recht formalistisch am Prinzip des »do ut des« (ich gebe und du gibst) orientiert war, angeeignet hat, lässt sich nicht beurteilen. Ob beim Militär oder in der Bevölkerung auch schon Ansätze christlichen Glaubens bestanden, ist bislang durch Funde nicht nachzuweisen. Die frühesten Spuren tauchen im linksrheinischen Gebiet um Trier auf. In unserem Raum wurden sie, falls sie existieren, durch den Einbruch der Alamannen in der Mitte des 3. Jahrhunderts ausgelöscht.