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Ausbau der Zähringerherrschaft
ОглавлениеDie Zähringer waren zweifellos ein außergewöhnliches Geschlecht. Otto von Freising, der Geschichtsschreiber der Staufer, zählte sie zu »den vornehmsten Fürsten des Reiches«; er nannte Berthold II. einen »energischen und mutigen Mann« und vermerkte nicht ohne Kritik, er und die folgenden Zähringerherzöge hätten »ein großartiges Leben in Reichtum und Ehren geführt«. Die Zähringer hatten Ideen und konnten sie in die Tat umsetzen. Machtwillen und Kompetenz ergänzten einander. So trieben sie eine konsequente Politik des »Landesausbaus« nach innen und nach außen mit dem Ziel, ihr Herrschaftsgebiet organisatorisch zu durchdringen und zugleich auszudehnen. Zum Kernland sollte der Raum zwischen Hochrhein, Baar, Kinzigtal und Oberrhein werden. Der Schwarzwald, der noch weitgehend unbesiedelt war und als quasi herrenloses Land galt, lag dazwischen. Im Zugriff auf ihn konnten die Zähringer zugleich Neuland gewinnen und entfernte Landesteile miteinander zu einer Art Flächenstaat verbinden. Nicht weniger intensiv betrieben sie den Ausbau ihrer Macht nach Süden über den Rhein in die heutige Schweiz bis zum Genfersee. Für den Landesausbau unserer Region stützten sie sich vor allem auf eine systematische Förderung und Nutzung von Klöstern, eine planvolle Siedlungs- und Erschließungspolitik, |27|auf den Bau von Burgen bzw. die Einsetzung von Ministerialen und nicht zuletzt auf die Gründung von Städten.
Schwarzwaldklöster
Die Klöster, die von den Zähringern gegründet und reich ausgestattet wurden oder deren Schutzvogtei sie übernahmen, wurden zu ungemein leistungsfähigen Partnern. Sie wurden in Anspruch genommen bei Feldzügen, für diplomatische Dienste, in administrativen Angelegenheiten (Laien konnten ja selten lesen und schreiben) und nicht zuletzt als Garanten des ewigen Heils. Wurde doch in den Klöstern für die Angehörigen des Geschlechts, für Lebende und Tote, gebetet; das Hauskloster hatte daher auch die Funktion der Grablege. Klöster waren es aber auch, die die Rodungsarbeit im »schwarzen« Urwald organisierten, den Kolonisten mit Gerät und Know-how zur Hand gingen, ihnen Zugvieh, anfangs wohl auch Nahrung, Kleidung und Wohnung stellten. In vielen Ausbauzonen des Schwarzwalds entstanden Mönchs-, Bruder- oder Klosterhöfe (oft erinnert noch heute ihr Name daran). Die von den Zähringern geförderten und beanspruchten Klöster waren zum Teil mitten hinein in den Schwarzwald »gepflanzt« worden, so St. Peter, St. Georgen, Friedenweiler, St. Blasien (wo die Zähringer 1125 die Vogtei erwarben). Hinzu kamen bald Niederlassungen der Zisterzienser/innen, u.a. in Tennenbach (1160 gegründet), Günterstal und Allerheiligen.
Die »grauen Mönche«, wie man die Zisterzienser wegen ihrer Kutten aus ungebleichtem Stoff nannte, zeigten sich besonders erfolgreich in der Technik der Urbarmachung unwegsamer Gebirgsregionen wie in der Modernisierung ihrer Landwirtschaft (einschließlich der Vermarktung der Produkte). Alte und neue Orden hielten am geistlichen Leben nach Benedikts Regel fest und an der doppelten Aufgabe des »Ora et labora«. So konnte später einmal der Abt von St. Blasien Martin II. Gerbert in der ersten und einzigen Gesamtgeschichte des Schwarzwaldes diesen eine »Colonia Ordinis Sancti Benedicti« nennen, eine von Mönchen nach Benedikts Regel erschlossene Kulturlandschaft.
Die Initiative und Koordination der Besiedlung und Durchdringung des Schwarzwalds war von den Zähringern in Verbindung mit den Klöstern ausgegangen. Kolonisten kamen zum Teil wohl von weither, weil es hier Land gab, das sie zu günstigem Recht bewirtschaften konnten. Die Arbeit war hart, das Klima blieb rauh, die kargen Böden brachten keine hohen Erträge. Aber man lebte relativ frei. Die Herrschaft war weit weg. Man hatte nur begrenzte Abgaben zu leisten, ein- oder zweimal im Jahr Wachs, Honig, Käse und Eier, Hafer für die Pferde der Herren. Auch die Frondienste hielten sich in Grenzen und beschränkten sich auf Mithilfen beim Bau von Klostergebäuden oder Burgen oder vielleicht auf die Pflicht, im Herbst eine Weinfuhre von der Oberrheinebene zum Schwarzwaldkloster zu transportieren. Viele Höfe erhielten eigenes Mahl-, Fisch- und Jagdrecht. Die Hofgemarkungen waren großzügig bemessen: Man wollte wirtschaftlich lebensfähige Betriebe schaffen. Die Rodung schuf im übrigen nicht nur Neuland für Bauern, Viehhirten und Holzmacher. Man gewann auch Zugang zu den Bodenschätzen des Schwarzwalds. Von |28|den Gebirgsrändern her wurde der Bergbau vorangetrieben. Die Erschließung des Schwarzwalds brachte die Verbindung zwischen den Zähringerbesitzungen am Oberrhein und in der Baar. Sie konnten einheitlich verwaltet werden. Verkehrswege führten durch einzelne Täler über das Waldgebirge: Von Offenburg über Gengenbach durch das Kinzigtal nach Villingen, von dort in den Albgau; vermutlich ging eine Straße von Freiburg durch das Wagensteigtal nach St. Peter und weiter nach Neustadt, von dort wiederum zur Baar und zum Bodensee oder nach Schaffhausen, wo die Zähringer das Kloster Allerheiligen an sich zu bringen versuchten. Der Schutz des Gebietes blieb aber nicht nur den Klöstern anvertraut. Die Zähringer ließen Burgen bauen und setzten ihre Ministerialen als Ritter und Burgherren ein. Das waren ursprünglich unfreie Dienstleute, bessere Knechte der Herzogsfamilie, die sich durch Leistungen als berittene Krieger oder in der Verwaltung ausgezeichnet hatten und nun mit einem Rittergut belehnt wurden. Aus diesem Kreis entstand eine neue Schicht von (zunächst niederem) Adel: das Rittertum. Das war eine allgemeine Entwicklung im 12. Jahrhundert, die sich die Zähringer wie andere führende Reichsfürstengeschlechter zunutze machten. Mehr als 50 solcher Ministerialen oder Ritter der Zähringerherzöge sind nachgewiesen. Viele Burgen in der Region wurden von solchen Rittern gebaut und beherrscht, z.B. Falkenstein, Scharfenstein, Keppenbach, Kürnburg, Badenweiler, Staufen. Die Ministerialen blieben Vasallen des Herzogs, waren zu Loyalität und Treue verpflichtet, vertraten die Interessen des Herrn, doch verschaffte ihnen ihr Amt Ansehen und Macht: Sie wurden Herren und stiegen so in den Adel auf. Den Einfluss fremder Adelsgeschlechter wiesen die Zähringer in ihrem Bereich energisch zurück. Als die Grafen von Hohenberg im Dreisamtal die Burg Wiesneck errichteten, griffen die Zähringer sie an und zerstörten sie 1121. Das Kloster St. Märgen, ebenfalls von den Hohenbergern gestiftet, wagte man nicht anzutasten, doch blieb es von Zähringerbesitz umklammert und konnte sich nie recht entfalten.
»Gründerstadt« Freiburg
Keine der politischen Leistungen, die hier genannt wurden, hat die Zähringer so berühmt gemacht wie ihre Städtepolitik. Noch gab es zu Beginn ihrer Herrschaft außer den Bischofssitzen keine Städte im eigentlichen Sinn im Südwesten. Zu Füßen der neuen Burg, die Herzog Berthold II. wohl nach dem Tod seines Vaters am heutigen Freiburger Schlossberg errichtet hat, entstand als erste und eigentliche »Gründerstadt« der Zähringer Freiburg im Breisgau. Lange hat man aus der Stadtrechtsurkunde vom Jahr 1120 den Schluss gezogen, ein Zähringer habe hier ein städtisches Gemeinwesen sozusagen auf der grünen Wiese mit einem fertigen Plan ins Werk gesetzt. Neuere Forschungen insbesondere der Stadtarchäologie und des Quellenvergleichs haben das Bild modifiziert. Offenbar hatte die eigentliche Stadtgründung ihre Vorgeschichte. Zur Versorgung der neuen Burg, die im Unterschied zur alten Zähringer Veste wohl stattlicher und wohnlicher ausgebaut wurde, entstand sicherlich schon im letzten Drittel des 11. Jahrhunderts ein Hof mit Stall und Mühle. Gebäude für Knechte, die Ministerialen der Burg kamenhinzu. Diese im Stil noch bäuerliche Siedlung lag in der »Oberen Au« zu Füßen des |29|Schlossbergs auf einer flachen Schotterterrasse der Dreisam. Vermutlich führte hier auch schon eine Brücke über den Fluss für einen Weg, der die älteren Dörfer Wiehre und Herdern verband und der sich am heutigen Oberlindenplatz gabelte. Jedenfalls standen so für eine städtische Siedlung auch schon die drei klassischen Bedingungen zur Verfügung: Berg, Wasser und Brücke (mons, fons, pons). Wenn nun der Zähringer Konrad (der Bruder des damals amtierenden Herzogs) als Burgherr im Jahr 1120 für diese Siedlung ein Marktrecht mit außerordentlichen Privilegien für die Bürger mit 24 »von überall her angeworbenen freien Kaufleuten« vereinbarte, so schuf er damit die Grundlage für die kraftvolle Entwicklung einer Stadt zum zentralen Ort der Region.
Zähringerstädte
Freiburg sollte zu einem Modell für weitere Zähringerstädte werden, von denen es mehr als ein Dutzend gibt. Sie unterscheiden sich allerdings deutlich; die Forschung gliedert sie in drei Typen. Zu den Gründungsstädten, die von den Zähringern neu geschaffen wurden, gehören neben Freiburg im Breisgau die Städte Freiburg im Üchtland (1157) und Bern (1191). Eine zweite Gruppe bilden die Zähringerstädte, die bereits städtischen Charakter hatten, als sie von den Zähringern übernommen, dann aber von ihnen ausgebaut wurden. Dazu zählen Zürich und Solothurn, in unserem Raum Breisach, wo die Zähringer im späten 12. Jahrhundert ihre Position mit dem Bau einer eigenen Burg festigten. Einem dritten Typus von Zähringerstädten gehören solche Orte an, die von den Zähringern erworben und durch Verleihung von Marktrechten, Erweiterung und Ummauerung zu wirklichen Städten entwickelt wurden. Hierzu gehören Villingen, Offenburg, Neuenburg, Rheinfelden sowie weitere Orte in der Schweiz wie Burgdorf, Murten und Thun.
Gründung, Erwerb und Ausbau der Städte lassen das zukunftsweisende, weiträumige, im Ansatz »flächenstaatliche« Denken der Zähringer erkennen. Städte dienten der Wirtschaftsförderung, der Steigerung von Produktion und Versorgung. Zugleich konnten sie aufgrund ihrer Lage an strategisch wichtigen Eckpunkten den Zusammenhalt des »Zähringerstaates« gewährleisten und stärken. Man denke nur an das »Städtedreieck« Freiburg – Offenburg – Villingen, das den Schwarzwald umspannte, wenn ihnen diese Rolle auch eher im Nachhinein zufiel. Das Netz der Städte schuf und schützte Verbindungen und brachte die Region unter eine für Generationen dauerhafte Kontrolle.
Die planende, Ordnung und Struktur stiftende Kraft der Zähringer-Politik kommt auch in Anlage und Verfassung ihrer Städte zum Ausdruck. Man hat in der Regel das Grundgerüst der Zähringerstädte in einem zentralen Achsenkreuz von Hauptstraßen (dem »Zähringer-Kreuz«) gesehen, wenn es auch deutliche Abweichungen davon gibt und sich diese Grundform der Stadtanlage nicht auf Zähringerstädte beschränkt. Ohne Zweifel zeigen indes gerade Freiburg, Villingen oder Neuenburg (neben Bern) einen für Städte des Mittelalters auffällig klaren Grundriss. Nachweislich waren in diesen Städten auch die Grundstücksflächen für die Ansiedler |30|zunächst einheitlich »normiert« und zwar auf 50 × 100 Fuß (ca. 16 × 32 m). Für Kirche und Kirchhof wurde ein großer Platz reserviert. Der Markt sollte sich in der Hauptachse, der »Langen Gasse«, als Straßenmarkt einrichten. Vor allem aber bekamen die Bürger der Zähringerstädte mit dem Stadtrecht ungewöhnlich günstige Chancen zur Ausbildung von Freiheit, Selbstverantwortung und Mitbestimmung in öffentlichen Dingen. Die Abgaben an den Stadtherrn hielten sich in Grenzen: Ein Schilling war jährlich pro Grundstück zu zahlen. Rechtssicherheit war gewährleistet. Über das Eigentum konnten die Bürger – auch die Frauen – frei verfügen. Vogt (Bürgermeister) und Pfarrer sollten sie selbst wählen können. Kein Wunder, dass sich die meisten Zähringerstädte dynamisch entwickelten.