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Christianisierung der Alemannen
ОглавлениеDer Frankenkönig Chlodwig nahm nach seinem Sieg über die Alemannen den christlichen Glauben an, der sich damals im keltoromanischen Gallien schon weitgehend |17|durchgesetzt hatte. Mit seinem Entschluss öffnete er dem Christentum das Tor zur Verbreitung im ganzen Frankenreich. Mit dem König sollen Tausende fränkischer Adliger sich der Taufe unterzogen haben. Chlodwig gewann damit die romanische Bevölkerung und ihre geistliche Führungsschicht; zugleich schuf er so die Voraussetzung zur besseren Verschmelzung römischer mit germanisch-fränkischer Tradition und ihrer Trägerschicht, der Elite. Auf diese Weise entstand eine Reichsbevölkerung mit einer politischen und religiösen Geschlossenheit. Die spätlateinische Volkssprache, die sich nun im romanisch-westfränkischen Teil des Reiches durchsetzte, ist ein Zeugnis dafür. Die spätere Sprachgrenze des Französischen zum Deutschen zeigt an, wo ihr Übergewicht endete. Nicht viel weiter kam zunächst auch das Christentum. Erst etwa ein Jahrhundert nach Chlodwig gab es die ersten Zeugnisse christlichen Glaubens im alemannischen Raum. Es sind die so genannten Goldblattkreuze, die man offenbar den Toten, eingenäht in einen Schleier, über das Gesicht gelegt hat. Dabei lag das Kreuz jeweils unmittelbar auf dem Mund. Das lässt sehr wahrscheinlich auf ein Bekenntnis zum Christentum schließen.
Als sich dieser Brauch bei den Alemannen verbreitete, hatte sich die Bestattungsform geändert. Wie die Grabungsfunde zeigen, traten nun an die Stelle von Reihengräbern Friedhöfe, die an einem umfriedeten Platz innerhalb der Siedlungen lagen. Diese Siedlungen haben nun eindeutig den Charakter von Dörfern. In ihrer Mitte wurden Kirchen errichtet, einfache Holzbauten ohne Turm. Die Siedlung bekam meist die Form eines Haufendorfes, wohl durch Agglomeration von Gehöften, nicht durch planmäßige Anlage. Als Schutzpatrone von Kirchen aus dieser frühen Zeit findet man vorwiegend fränkische Heilige, so zum Beispiel die merowingischen »Staatsheiligen« Martin von Tours und Hilarius von Poitiers, zwei Bischöfe und Gegner des Arianismus im 4. Jahrhundert, durch deren Verehrung man das enge Verhältnis zur geistlichen Führungsschicht im Frankenreich unterstrich.
Iroschottische Missionare
Wie die breite Bevölkerung für christliches Denken und Handeln gewonnen wurde, wie also die Herzen missioniert wurden, lässt sich schwer rekonstruieren. Der häufig in »Massenveranstaltungen« vollzogenen Taufe musste sicherlich die innere Bekehrung erst folgen. Sie war nicht durch Predigten und Sendschreiben fränkischer Bischöfe zu erreichen. Den Durchbruch erzielten offenbar Wandermönche aus Irland. Dort hatte sich ein Christentum anderer Art als im romanischen Gallien entwickelt, mehr dörflich ausgerichtet und vornehmlich auf Klöster gestützt. Einzelne irische Mönche und Einsiedler kamen auf das Festland, wild entschlossen, das Christentum über die Grenzen der urbanen Zivilisation hinauszutragen. Es müssen verwegene Gestalten gewesen sein, die unheimlich wirkten, aber gerade deshalb die Alemannen beeindruckt und gewonnen haben. Einer der bedeutendsten war Kolumban, der zunächst am Westrand der Vogesen das weithin ausstrahlende Kloster Luxeuil gründete, später am Bodensee – in Bregenz – wirkte, während sein Schüler Gallus im Jahr 612 die Galluszelle gründete, aus der Abt Othmar die später weltberühmte Abtei St. Gallen schuf. Andere »Iroschotten« (Scoti |18|ist eine mittelalterliche Bezeichnung für Iren) in unserem Raum waren die Missionare Landelin, Trudpert, Kilian, während Fridolin und Pirmin, die am Hochrhein bzw. auf der Reichenau wirkten, wohl fränkischer oder westgotischer Herkunft waren.
Die schriftliche Überlieferung von solchen »Heiligen«, als die man sie bald nach ihrem Tod verehrte, stammt erst aus späterer Zeit, vorwiegend aus dem 10./11. Jahrhundert. Die historische Wahrheit dieser Heiligenviten steckt nicht in dem, was sie von den recht abenteuerlichen Taten und Erlebnissen der Männer berichten, vielmehr in den Teilen der Legenden, die das Außergewöhnliche ahnen lassen, das die Zeitgenossen an Erscheinungs- und Lebensweise dieser christlichen Helden wahrgenommen haben. Sie erlebten an ihnen eine unbezwingbare Heilsgewissheit, aber auch eine grenzenlose Hilfsbereitschaft, die mit persönlicher Bedürfnislosigkeit gepaart war.
Klöster und ihre Bedeutung
Für die Ausbreitung der christlichen Kirche bedurfte es der institutionellen Verankerung des Christentums, und zwar einerseits in den Klöstern, andererseits in Bistümern und Pfarreien. Das älteste und lange Zeit bedeutendste Kloster im alemannischen Raum war, sieht man von den Klöstern im Elsass ab, St. Gallen. Es wirkte seit dem späten 7. Jahrhundert weit in das Land, etwa in den Breisgau wie auch nach Ober- und Innerschwaben hinein. Die Klöster Schuttern und Schwarzach reichen nach neueren Befunden wohl auch in das 7. Jahrhundert zurück. Nur wenig jünger sind die Klöster Gengenbach, Honau und Ettenheimmünster. Auch St. Trudpert im Münstertal entstand um diese Zeit. Im Unterschied zu den frühen Einsiedeleien der irischen Wandermönche handelt es sich bei diesen Klöstern nun um Mönchsgemeinschaften, die nach dem benediktinischen Prinzip der »stabilitas loci« fest an den Ort gebunden waren. Sie gaben der endgültigen Christianisierung des Landes sichtbaren Ausdruck und haben den Glauben gleichsam fest verwurzelt. Kontinuität und Breitenwirkung der Klöster hingen wesentlich von der Verbindlichkeit der Benediktinerregel sowie vom Umfang des Klosterbesitzes ab. Beides wurde von den karolingischen Hausmeiern bzw. Königen maßgeblich gestützt und gefördert. Sie beschenkten die Klöster mit gewaltigen Gütern, also mit Grundbesitz samt den dazugehörigen Höfen und Bauern, mit Mühlen, Jagden und Forsten. Die im Auftrag des Königs amtierenden Grafen, so zum Beispiel die fränkischen Grafen Ruthard und Warin, standen darin dem König nicht nach.
Weitere Schenkungen erhielten die Klöster vom örtlichen Adel, der seine Söhne und Töchter dem Kloster anvertraute, soweit sie keine Aussicht auf ein eigenes oder erheiratetes Herrengut hatten. Sie alle taten das keineswegs selbstlos. Die Frankenherrscher und ihre Grafen brauchten die Klöster als Stützpunkte ihrer Macht. Der Adel nutzte sie als Partner verschiedenster Art. So dienten die Klöster als regionale Zentren, die in der Umgebung sowie in den auswärtigen Besitzungen die Seelsorge wahrnahmen, Arme unterstützten und Kranke pflegten.
Klosterhöfe wurden zu Musterbetrieben, in denen neben der allgemein üblichen Land- und Forstwirtschaft auch Wein-, Obst- und Gartenbau gepflegt wurden und wo |19|sich die verschiedensten Gewerbe und Kunstgewerbe entwickeln konnten. Die mönchische Lebensweise bedeutete für die Menschen so etwas wie eine vorbildliche Sinn- und Formgebung des Landes. Daraus gewannen die Mönche und Nonnen ihr besonderes Prestige, das sich unter anderem in den vielen Schenkungen niederschlug. Als Keimzellen des christlichen Glaubens wirkten die Klöster von unten und in die Breite.