Читать книгу Die ganze Geschichte - Yanis Varoufakis - Страница 25

KAPITEL 3 Von Zungen und Bogen

Оглавление

Er kam früh am Sonntagmorgen zurück. Danae und ich waren müde gewesen und schon zu Bett gegangen, hatten aber erst einschlafen können, als wir das beruhigende Klacken der Tür hörten, die ins Schloss fiel. Danaes siebzehnjähriger Sohn war gerade flügge geworden und tat, was jeder Athener Teenager an einem Samstagabend tut: Er ging mit Freunden aus, gemeinsam diskutierten sie bis spät in die Nacht über alles und jedes, meistens in Cafés in Psirri, einem Stadtviertel einen Steinwurf von der antiken Agora entfernt. Athen ist eine sehr sichere Stadt, und Psirri ist besonders sicher, aber wie alle Eltern lauschten wir auf das Klacken der Wohnungstür.

In jener Nacht läutete das Telefon, kaum dass ich eingeschlafen war. Weil Anrufe nach Mitternacht in der Regel bedeuten, dass jemand in der Familie krank geworden ist, sprang ich aus dem Bett und lief ins Wohnzimmer zum Telefon.

Eine auf unheimliche Weise sanft klingende männliche Stimme fragte: »Herr Varoufakis?«

Schlaftrunken antwortete ich: »Ja, wer spricht da?«

»Wir freuen uns sehr, dass Ihr Junge gut nach Hause gekommen ist. Er scheint einen großartigen Abend in Psirri verbracht zu haben. Dann ist er über die Metropolis-Straße nach Hause gegangen mit einem Umweg durch die Hadrian-Straße und über die Byron-Straße.«

Mir lief ein Schauer den Rücken herunter. Ich schrie ins Telefon: »Wer zum Teufel sind Sie? Was wollen Sie?«

Seine Antwort war eiskalt: »Herr Varoufakis, es war ein Fehler, dass Sie bestimmte Banken ins Visier genommen und in Ihren Artikeln erwähnt haben. Wenn Sie wollen, dass Ihr Junge auch in Zukunft jeden Tag, jeden Samstag gut nach Hause kommt, müssen Sie damit aufhören. Es gibt bessere Themen, mit denen Sie sich beschäftigen können. Schöne Träume noch.«

Was ich am meisten gefürchtet hatte, war eingetreten.

Es war November 2011, und das zweite Rettungspaket zeigte bereits Wirkung. Die erste Rettungsvereinbarung hatte dazu gedient, die schwächeren Europäer (hauptsächlich griechische Rentner und Arbeiter mit kleinen Einkommen) für ausländische Banken (hauptsächlich französische und deutsche) bezahlen zu lassen. Das zweite Rettungspaket zielte auf die griechischen Banken: Während der Haircut sie bis zu 32,8 Milliarden Euro kostete, würden sie über 41 Milliarden als Entschädigung bekommen, die sich die griechischen Steuerzahler bei den übrigen Steuerzahlern Europas liehen. Die griechischen Banker hatten allergrößtes Interesse, dass dieses spezielle Geschäft zustande kam.

Sie hatten zwei Befürchtungen. Erstens war das Parlament so erniedrigt, und die Abgeordneten waren so demoralisiert, dass die Banker fürchteten, der politische Prozess könnte ins Stocken geraten, bevor sie ihr Geld erhielten. Zweitens hatte die Europäische Zentralbank langsam genug von den Faxen der Banker und wollte demonstrieren, dass sie bereit war, hart durchzugreifen. Deshalb forderte sie, bevor die Banken mehr Geld aus öffentlichen Kassen bekamen, sollten sie erst einmal selbst Geld auftreiben. Aber woher sollten die griechischen Banken neues Kapital nehmen, da sie wie der Staat schlichtweg bankrott waren? Kein vernünftiger Investor würde einer Bank, die tief im Schlamassel steckte, Geld geben.

Die ganze Geschichte

Подняться наверх