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Eine Fünf-Punkte-Strategie

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Das Jahr 2013 hindurch tat ich von meinem Zufluchtsort in Austin aus alles, was ich konnte, um Alexis bei der Entwicklung einer überzeugenden Strategie zu helfen, und hielt mich dabei von Syrizas inneren Kämpfen fern. Anfang des Jahres bot sich eine Gelegenheit, Alexis dabei zu unterstützen, Freunde in Washington D. C. zu gewinnen, wo er eine Rede vor dem angesehenen Brookings-Institut halten sollte. Pappas bat mich, die Rede zu schreiben, was ich gerne tat. Ich wollte die politischen Strategen in Amerika von zwei mittlerweile vertrauten, aber fundamental wichtigen Punkten überzeugen. Erstens, dass Syriza eine proeuropäische Partei war, die alles in ihrer Macht Stehende tun würde, um Griechenland in der Eurozone zu halten, was aber nicht bedeutete, eine verfehlte, selbstzerstörerische Politik zu verfolgen. Um in der Eurozone zu bleiben, um überhaupt das Überleben der Eurozone zu sichern, war ein neues Programm nötig, das die Umschuldung an die erste Stelle setzte und dann Reformen vorsah, die die Wirtschaft aus dem Würgegriff der griechischen Oligarchie befreien würden.31 Zweitens mussten wir den Vereinigten Staaten klarmachen, dass sie von der Wirtschafts- und Außenpolitik einer Syriza-Regierung nichts zu befürchten hatten, ein Punkt, den ich später in einer Kolumne in der New York Times vertiefte, die ich zusammen mit Jamie Galbraith schrieb.32 Wie bereits erwähnt, war meine Überlegung, dass wir keine zweite Front mit Washington eröffnen sollten, wenn wir drauf und dran waren, uns gegen Brüssel, Frankfurt, Berlin und Paris zu stellen. Aber natürlich ergriffen viele in Griechenland und bei Syriza die Gelegenheit, mich als Handlanger Amerikas darzustellen.

Zwei Monate später, im März 2013, hörte ich Nachrichten aus Zypern, die mich aufschreckten. Sofort setzte ich mich hin und schrieb eine lange, eindringliche E-Mail an Pappas, die sich an ihn und Alexis richtete. »Ich beschwöre euch, nehmt ernst, was in Zypern passiert. Stellt es euch wie eine Generalprobe für das vor, was die Troika mit euch machen wird, wenn ihr die Wahlen gewonnen habt.« Zypern hatte soeben eine neue Regierung gewählt. Am Tag darauf schloss die Troika alle Banken auf der Insel und diktierte dem neuen Präsidenten die Bedingungen, unter denen sie wieder geöffnet werden sollten. Der neue Präsident war fassungslos, aber unvorbereitet, und unterschrieb auf der gepunkteten Linie.

»In Nikosia probieren sie ihre Taktik aus«, erklärte ich, »nicht weil Zypern so wichtig wäre, sondern eher weil es relativ unbedeutend ist und deshalb den perfekten Schießplatz abgibt, auf dem sie ihre neue Bazooka testen können, bevor sie sie auf euch richten, auf unsere Kameraden in Spanien, Italien und so weiter. Ihnen geht es um den Demonstrationseffekt, ihr sollt wissen, dass die Troika entschlossen und in der Lage ist, die Banken eines Landes zu schließen und der Regierung ihren Willen aufzuzwingen – besonders einer neu gewählten Regierung, die Souveränitätsrechte zurückverlangt. Seht euch das an und lernt daraus!«

Am nächsten Tag sprachen Alexis und ich am Telefon miteinander. Er klang angemessen angstvoll.

»Kann man sie irgendwie aufhalten?«, fragte er.

»Ja, aber dafür brauchst du die richtige Abschreckungsstrategie und ein Team, das fest zusammenhält, für die praktische Durchsetzung«, erwiderte ich.

»Schick mir einen Vorschlag.«

Ich versprach, dass ich ihm meinen Vorschlag persönlich überbringen würde.

Im Mai traf ich in Athen in Alexis’ großzügigem Büro im Parlamentsgebäude erstmals mit seinem Wirtschaftsteam zusammen. Neben Pappas und Dragasakis, dem Schattenfinanzminister, gehörten ihm noch zwei Syriza-Mitglieder an, die ich kannte und mochte: Euklid Tsakalotos, ein geschätzter Kollege von der Universität Athen, und Giorgos Stathakis, Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Universität von Kreta. Bei dem Treffen legte ich den Vorschlag vor, um den Alexis gebeten hatte, eine erweiterte Version des Strategiepapiers, das ich im Juni 2012 ausgearbeitet hatte: Eine Fünf-Punkte-Strategie für ein nachhaltiges Griechenland in einer nachhaltigen Eurozone.

Die Stimmung im Raum war begeistert und bestätigte, dass meine früheren Bemühungen, Alexis vom Grexit als Ziel wie als Drohung abzubringen, nicht umsonst gewesen waren. Während ich auf der Linken insgesamt und bei Syriza viele Freunde verloren hatte, die mir meinen Anteil daran, den Grexit aus dem politischen Programm von Syriza zu streichen, nicht vergaben, wollte Alexis’ innerer wirtschaftlicher Beraterkreis offensichtlich unbedingt eine praktikable Lösung innerhalb der Eurozone finden. Mein Paper sollte sie überzeugen, dass das nicht nur wünschenswert war, sondern auch machbar, dass ein Coup wie in Zypern vermieden werden konnte, und ich schlug ihnen einen Weg vor, wie das gelingen konnte. Erst kam die Abschreckung:

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