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5. Ein bescheidener Vorschlag, um die Eurozone funktionsfähig zu machen

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Als progressive proeuropäische Kraft sollte die Syriza-Regierung nicht nur für die Griechen verhandeln, sondern mit umfassenden Vorschlägen für den Umgang mit Europas Staatsschulden und Banken, für die Investitionspolitik und die Bekämpfung der Armut nach Brüssel gehen – Vorschläge, ohne die die Eurozone nicht nachhaltig ist. Meine Empfehlung an das Wirtschaftsteam von Syriza lautete deshalb, den Bescheidenen Vorschlag zur Lösung der Eurokrise zu übernehmen, an dem Stuart Holland, Jamie Galbraith und ich über Jahre gearbeitet hatten.

Um diese Ziele zu erreichen, sagte ich den Anwesenden, müssten sie mit einem umfassenden Programm nach Brüssel reisen, das nicht nur für Griechenland gut wäre, sondern auch für alle anderen europäischen Länder. Sie müssten ein klares Signal setzen, dass Athen sich nicht länger durch Einschüchterung dazu bringen lassen würde, immer neue Kredite zu akzeptieren. Die Verantwortlichen in der EU und beim IWF müssten begreifen, dass Syriza mit dem Ziel angetreten sei, Griechenland in der Eurozone zu halten und Kompromisse zu finden. Aber ihnen müsste auch klargemacht werden, dass Syriza notfalls bereit wäre, die Verhandlungen zu verlassen, ungeachtet ihrer Drohungen. Wenn sie nicht dazu bereit wären, sei es von vornherein sinnlos, überhaupt in Verhandlungen einzutreten.

Alexis und Pappas wirkten zufrieden. Euklid und Stathakis signalisierten ebenfalls grundsätzliche Zustimmung. Dragasakis stellte die entscheidende Frage: »Wie können wir die Eurogruppe, die EZB und die Troika davon überzeugen, dass wir nicht bluffen?« Die Frage traf tatsächlich ins Schwarze, das war der Dreh- und Angelpunkt der ganzen Strategie.

Ich erwiderte, Syrizas Wünsche und Prioritäten müssten allgemein bekannt gemacht werden. Alle müssten wissen, dass eine von Syriza geführte Regierung vor allem eine praktikable Vereinbarung innerhalb der Eurozone wolle, aber eher den Grexit akzeptieren werde, ein schreckliches Ergebnis, als eine Kapitulation, das schlimmstmögliche Ergebnis. Wenn diese Reihenfolge der Prioritäten allgemein bekannt wäre, würde die Verantwortung für den Grexit mit all seinen Kosten und den juristischen Problemen, die er nach sich ziehen würde, unweigerlich bei der EU und dem IWF liegen. Es wäre ganz allein ihre Verantwortung, und das würden sie auch wissen.

Aber auch wenn Syrizas wahre Präferenzen bekannt wären, würden die Verantwortlichen von EU und IWF ganz sicher Alexis’ Entschlossenheit auf eine denkbar harte Probe stellen. Es war auch möglich, dass die EU und der IWF letztlich doch Griechenland lieber aus dem Euro werfen würden, als sich mit einer Syriza-Regierung zu einigen, oder dass sie Alexis so unter Druck setzen würden, dass der Grexit quasi aus Versehen passierte. Auf meine Ausführungen folgte eine lange, konstruktive Diskussion, in der wir diese Szenarien durchspielten. Aber mein zentrales Argument war folgendes: Alles hing davon ab, die Eurogruppe, die EZB und die Troika davon zu überzeugen, dass sie es mit ihren Präferenzen ernst meinten; wenn ihnen das nicht gelang, war alles umsonst. Darüber müssten sie sich klar werden, schärfte ich ihnen ein:

Glaubt ihr wirklich ganz fest, tief in eurem Inneren, dass es schlimmer ist, »den Samaras zu machen«, wie er vor der Troika zu kapitulieren, als aus dem Euro geworfen zu werden? Wenn ihr nicht sicher seid, lasst ihr besser Samaras in der Villa Maximos bleiben. Denn was nützt es, die Macht für eine Konfrontation mit den Gläubigern zu erringen, um dann vor der Troika einzuknicken und die Schuld für ihre Unmenschlichkeit auf sich zu nehmen? Gewinnt die Macht nur, wenn ihr fest entschlossen seid, nicht zu bluffen, weil ihr wisst, dass eine Kapitulation noch schlimmer ist als ein furchtbarer Grexit. Nur dann wird Griechenland eine Chance haben, nachhaltig in der Eurozone zu bleiben und den Grexit ein für alle Mal hinter sich zu lassen.

Auf dem Weg zur Tür legte Pappas mir den Arm um die Schulter und sagte: »Das war brillant. Von jetzt an wird das unsere Linie sein.«

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