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Zwei Männer und ein Whiskeyfass

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Um eine Vorstellung zu bekommen, wie clever zwei griechische Banker dieses Problem lösten, hilft ein Witz, den ich in einem Pub in Dublin gehört habe. Es geht darin um zwei einfallsreiche Trunkenbolde.

Art und Conn haben beschlossen, dass sie etwas unternehmen müssen, um aus der Armut herauszukommen. Sie überreden Olcán, den Wirt im Ort, ihnen ein Fass Whiskey zu leihen. Ihr Plan ist, das Fass auf der Straße in den nächsten Ort zu rollen, wo ein Fest stattfindet. Dort wollen sie den Whiskey glasweise verkaufen. Sie rollen das Fass die Straße entlang und machen unter einer großen Eiche eine Pause. Während sie unter dem Baum sitzen, findet Art einen Schilling in seiner Tasche. Er freut sich und fragt: »He, Conn, kriege ich ein Glas Whiskey, wenn ich dir einen Schilling gebe?«

»Na klar«, erwidert Conn und steckt den Schilling ein.

Eine Minute später wird Conn klar, dass nun er einen Schilling hat. Er sagt zu seinem Kompagnon: »Art, was meinst du? Kriege ich auch ein Glas, wenn ich dir einen Schilling gebe?«

»Aber sicher, Conn.« Art nimmt seinen Schilling wieder.

Und so geht es weiter, der Schilling wechselt noch viele Male den Besitzer, bis Stunden später Art und Conn selig lächelnd und tief schlafend unter dem Baum liegen, neben ihnen das leere Whiskeyfass.

Ich weiß nicht, ob dieser Witz jemals griechischen Bankern zu Ohren gekommen ist, aber ihre Lösung, um Kapital für ihre Banken aufzutreiben, glich verblüffend dem Verhalten von Art und Conn, mit dem Unterschied, dass nicht sie am nächsten Tag einen Kater hatten. Und so machten es unsere beiden Banker, nennen wir sie Aris und Zorba:

Aris’ Familie gründete Offshore-Gesellschaften. Zorba erklärte sich heimlich bereit, den Gesellschaften ohne Sicherheiten und Bürgschaften die Millionen zu leihen, die Aris’ Bank brauchte. Warum so viel Großzügigkeit gegenüber einem Mitbewerber? Weil Zorba und Aris unter demselben sprichwörtlichen Baum saßen. Zorba brauchte verzweifelt Geld für seine eigene Bank und stimmte dem Kredit unter der Bedingung zu, dass Aris’ Bank den Offshore-Gesellschaften seiner, Zorbas, Familie entsprechende Summen leihen würde. Als alles geklärt war, kauften die Familien von Aris und Zorba mit dem Geld auf ihren Offshore-Konten neue Anteile an ihren eigenen Banken. Auf diese Weise erfüllten sie die Vorgaben der Regulierer, dass neues Kapital beschafft werden müsse, und zugleich auch die Bedingungen, damit echtes Geld fließen konnte, das der arme Steuerzahler sich bei der Troika lieh.

Der Kater von Art und Conn wurde noch dadurch verschlimmert, dass sie an ihre Schulden bei Olcán dachten. Aris und Zorba waren in dem Punkt besser dran: Sie schafften es nämlich, am Schluss niemandem etwas zu schulden. Beide Kredite – der von Zorbas Bank an die Offshore-Gesellschaften von Aris’ Familie und der von Aris’ Bank an die Offshore-Gesellschaften von Zorbas Familie – wurden von den Banken kurz nach der Vergabe abgeschrieben und auf die lange Liste der notleidenden Kredite gesetzt.1

Natürlich hatten nicht Aris und Zorba eine besonders clevere Idee gehabt. Sie hatten sich vielmehr von größeren Gaunern inspirieren lassen wie den Verantwortlichen des Savings-and-Loan-Schwindels in den 1980er-Jahren in Amerika, deren Tricks sie kopiert hatten. Als einzigartig in der Geschichte des Kapitalismus erwiesen sich Aris und Zorba insofern, als sie ihren Schwindel mit der aktiven Hilfe von drei der renommiertesten globalen Finanzinstitutionen durchziehen konnten: dem Internationalen Währungsfonds, der Kommission der Europäischen Union und der Europäischen Zentralbank. Diese gewichtigen Institutionen begingen die folgenden drei Sünden: Erstens zwangen sie die bankrotten griechischen Steuerzahler, sich Geld bei anderen europäischen Ländern zu leihen, das sie niemals zurückzahlen konnten, um es Aris und Zorba in Form von »Rekapitalisierungen« auszuhändigen. Zweitens beraubten sie die griechischen Steuerzahler jeglicher Kontrolle über die Banken, die sie nun rechtmäßig besaßen (denn sie hatten ja die Mehrheit der Anteile), und sorgten dafür, dass Aris und Zorba weiter das Sagen hatten. Und schließlich verurteilten sie die griechischen Steuerzahler zu einem Bankensystem, dass trotz der staatlichen Gelder, die hereinströmten, absolut bankrott blieb, weil die Banker so viele mittlerweile notleidende Kredite vergeben hatten.

Das ganze Jahr 2011 über hatte ich meinen persönlichen Kreuzzug geführt, um gemeinsam mit zwei investigativen Journalisten die Verbindungen zwischen den Rettungskrediten für Griechenland, den internationalen Institutionen, die sie vergeben hatten, den bemerkenswerten »Innovationen« unserer Banker und dem griechischen politischen System aufzudecken. Offensichtlich konnte diese Art der Einmischung interessante Telefonanrufe früh am Morgen provozieren.

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