Читать книгу Der Arztroman Lese-Koffer Mai 2021: 16 Arztromane - A. F. Morland - Страница 40

1

Оглавление

„Kann ich helfen?“, fragte im Kaufhaus jemand hinter Dana Härtling, der achtzehnjährigen Tochter des Chefarztes der Paracelsus-Klinik.

Die Stimme kenne ich, dachte Dana und drehte sich neugierig um. Und tatsächlich – sie blickte in ein bekanntes Gesicht, das von langen braunen Haaren umrahmt war. „Lore!“, rief sie erstaunt und erfreut aus. „Lore Märthesheimer!“

„Dana Härtling!“

„Ist das eine Überraschung.“

„Kann man wohl sagen.“ Lachend umarmten sich die einstigen Schulfreundinnen. Lore Märthesheimer hatte mit siebzehn Jahren wegen eines Jungen, der sie heiraten wollte, die Schule hingeschmissen. Kurz danach war er nach Australien ausgewandert, ohne ihr etwas zu sagen. Er war einfach von einem Tag zum andern weg gewesen, der Mistkerl, und sie hatte nächtelang um ihn geweint, obwohl er es nicht wert gewesen war.

Heute war sie neunzehn und arbeitete als Verkäuferin in diesem großen Kaufhaus, in dem sie und Dana sich soeben wiederbegegnet waren.

„Du siehst gut aus“, stellte die Arzttochter fest.

„Du auch“, gab Lore Märthesheimer zurück.

„Wie geht es dir?“

Lore nickte mit geschürzten Lippen. „Es geht. Und dir?“

„Ich bin zufrieden“, antwortete Dana Härtling.

„Wohnst du noch bei deinen Eltern?“

„Ja. Und du?“

Lore Märthesheimer schüttelte den Kopf. „Ich nicht mehr.“

„Warum nicht?“

„Mein Vater hat mich rausgeworfen.“

„Das glaub’ ich nicht“, sagte Dana mit großen Augen.

Lore hob seufzend die Schultern. „Es ist leider wahr.“

„Aber er hat doch immer so sehr an dir gehangen.“

Lore nickte bitter. „Das änderte sich schlagartig, als ich ihm sagte, dass ich schwanger sei.“

Dana musterte die frühere Schulfreundin verblüfft. Lore hatte überhaupt keinen Bauch. „Du bist schwanger?“

„Nicht mehr.“

„Was heißt das – nicht mehr?“, fragte Dana unsicher. „Hast du dir das Kind etwa nehmen lassen?“

„Ich hab’s nach zwei Monaten verloren.“

„Das tut mir leid“, sagte Dana Härtling bedauernd. „Wer war denn der Vater?“

„Du kennst ihn nicht.“

„Bist du mit ihm noch zusammen?“

„Nicht mehr“, gab Lore zur Antwort. Sie lächelte verlegen. „Ich habe kein sehr großes Glück mit Männern. Ich gerate immer an die falschen.“

„Was hatte der Vater deines ungeborenen Babys denn für einen Fehler?“, wollte Dana wissen.

„Eigentlich nur einen klitzekleinen“, antwortete Lore ironisch. „Er war nicht frei.“

„Er war verheiratet? Du hast dich mit einem verheirateten Mann eingelassen?“

„Ich wusste nicht, dass er verheiratet war.“

„Wie hast du es erfahren?“

„Eines Tages kam seine Frau zu mir und sagte, sie würde mir die Augen auskratzen, wenn ich nicht die Finger von ihrem Mann lasse. Tja, das war’s dann. Ich habe mich von dem falschen Fuffziger getrennt.“

„Und nun?“, fragte Dana Härtling. „Bist du solo?“

„Nein. Ich habe seit einem halben Jahr wieder einen Freund.“

„Ist es diesmal der Richtige?“

„Ich getraue mich keine Prognose zu stellen, aber ich habe ein gutes Gefühl bei ihm.“

„Hattest du das bei den anderen nicht?“, fragte Dana.

„Nicht in diesem Ausmaß, nein. Ich will nichts beschreien, aber mit Werner und mir könnte es etwas werden.“

„Werner – und wie noch?“

„Werner Baumann“, antwortete Lore.

„Ich dachte schon, du würdest Werner Rassinger sagen. Da wärst du nämlich vom Regen in die Traufe gekommen. Erinnerst du dich an ihn?“

„Dunkel.“

„Er hat sich zu einem ziemlich unangenehmen Schürzenjäger entwickelt“ , erzählte Dana. „Keine Frau ist vor ihm sicher, obwohl er seit einem Jahr verheiratet ist und eine süße kleine Tochter von elf Monaten hat.“

„Gott muss die Männer im Zorn erschaffen haben“, ächzte Lore. „Jedenfalls einen Großteil von ihnen.“

„Lebst du mit Werner Baumann zusammen?“

„Nein, er hat eine eigene Wohnung.“

„Hat sich zwischen deinen Eltern und dir inzwischen wieder alles eingerenkt?“

Lore Märthesheimer schlug die Augen nieder und schüttelte traurig den Kopf. „ Leider nein. Ich habe meinen Vater nicht mehr gesehen, seit er mich vor die Tür gesetzt hat. Mit meiner Mutter treffe ich mich hin und wieder heimlich.“

„Kann sie nicht versuchen, zwischen deinem Vater und dir zu vermitteln?“

„Sie darf nicht einmal meinen Namen in seinem Haus nennen“, sagte Lore traurig.

„Wieso ist er so unerbittlich?“, fragte Dana Härtling verständnislos.

„Er hatte mich ganz schrecklich gern – und ich habe ihn zutiefst enttäuscht. Darüber kommt er nicht hinweg. Das kann er mir einfach nicht verzeihen. Ich bin in seinen Augen durch und durch schlecht. Ein verdorbenes Frauenzimmer. Ein männernärrisches Weibsstück, von dem er nichts mehr wissen will.“

„Ich wünsche euch, dass ihr so bald wie möglich wieder zueinanderfindet.“

Es zuckte wehmütig um Lores Mundwinkel. „Ich habe die Hoffnung auf eine Versöhnung schon fast aufgegeben.“

„Ich könnte mir nicht vorstellen, für immer mit meinem Vater entzweit zu sein“, murmelte Dana Härtling gedankenverloren.

„Dein Vater ist anders“, erwiderte Lore Märthesheimer. „Er ist aufgeschlossen, verständnisvoll und tolerant.“

„Ja, das ist er. Gott sei Dank. Wir verstehen uns hervorragend.“

„Möge es immer so bleiben.“

„Ich glaube nicht, dass sich das jemals ändern wird“, sagte Dana Härtling.

Sie schwiegen einen Augenblick. Dann fragte Lore etwas zögernd: „Ist dein Onkel nicht Rechtsanwalt?“

Dana nickte. „Dr. Axel Lassow. Er ist einer der Besten. Warum fragst du?“

„Ach, ich habe etwas Ärger mit meinem Vermieter.“

„Möchtest du die Hilfe meines Onkels in Anspruch nehmen?“, fragte Dana Härtling.

„Ich weiß nicht. Er ist bestimmt nicht billig.“

„Ich kann ja mal mit ihm reden. Worum geht es denn?“

„In meiner Wohnung ist die Balkontür kaputt“, erzählte Lore. „Ich habe dem Vermieter das bereits zweimal gesagt, aber er macht nichts, und ich sehe nicht ein, selbst für die Reparaturkosten aufzukommen.“

„Das brauchst du auch nicht“, sagte Dana. „Das ist Sache des Vermieters.“

„Ja, aber wie kann ich ihn dazu bringen, seiner Verpflichtung nachzukommen?“

„Ich rede mal mit meinem Onkel darüber“, versprach Dana. „Wo wohnst du?“

Lore Märthesheimer nannte ihre Adresse.

„Hast du Telefon?“, fragte Dana. Lore nannte eine Nummer, die sehr leicht zu behalten war.

„Du hörst so bald wie möglich von mir“, versprach Dana Härtling.

Lore Märthesheimer ließ ihren Blick über die Verkaufstische wandern. „Weshalb bist du eigentlich hier? Suchst du etwas Bestimmtes?“

Dana schüttelte den Kopf. „Nein. Ich wollte mich bloß nach ’nem Schnäppchen umsehen. “

„In dieser Hinsicht haben wir im Moment nicht allzu viel zu bieten.“

Dana Härtling winkte lächelnd ab. „Das macht nichts. Ich kann warten.“

Der Arztroman Lese-Koffer Mai 2021: 16 Arztromane

Подняться наверх