Читать книгу Aliens in der Sternensee: Alfred Bekker präsentiert 17 Science Fiction Abenteuer - A. F. Morland - Страница 81
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ОглавлениеEr benötigte eine ganze Weile, um sich von diesem Schock zu erholen. Jedenfalls länger als die Erholung von der letzten Séance benötigt hatte.
„Meine letzte Ehefrau!“, ächzte er schließlich. „Genau die Frau, nach der ich mich anschließend mit Freuden habe kastrieren zu lassen, um niemals mehr in meinem Leben Gefahr zu laufen, in so eine verdammte Venusfalle zu tappen.“
„Verstehst du jetzt, wieso wir dir das nicht gleich sagen konnten?“
„Falls ich jemals daran gezweifelt haben sollte, dass ihr total wahnsinnig seid, jetzt könnte keine Bestätigung überzeugender sein.“
Kanot Borglin stöhnte laut anhaltend und schlug die Hände vor das Gesicht.
„Lieber Himmel“, rief Phillis von den Sternen erschüttert, „ist die wirklich so schlimm?“
„Vielleicht nur für Kanot?“, vermutete Forsan.
Das brachte ihm einen giftigen Blick Kanots ein.
„Ihr scheint überhaupt nicht einmal auch nur zu ahnen, was ihr da vor habt. Jahrelang geplant? Und ausgerechnet ich bin der einzige, der euch dabei helfen kann? Bei der Befreiung von Derwinia Tuamor, der größten Plage des Universums?“
„Immerhin“, versuchte der Kommandant zu widersprechen, „verdankst du ihr nicht nur deine spätere Kastration, sondern überhaupt deine Rolle als Supersoldat. Wenn du uns hilfst, sie zu befreien, schließt sich gewissermaßen der Kreis.“
„Ich verdanke ihr… was?“ Die Stimme versagte Kanot den Dienst.
Er blies die Wangen auf und atmete ein paarmal tief durch, bevor er sich soweit beruhigen konnte, dass er wieder einen vernünftigen Satz zuwege brachte:
„Also gut, Leute, ist mir egal, was ihr darüber denkt und was ihr über sie zu wissen glaubt. Sie ist nicht umsonst auf dem geheimen Gefängnisplaneten der Raumflotte. Ich weiß nicht, ob es auch noch andere Gefängnisplaneten oder Strafwelten gibt. Ich kenne nur diesen einen hier, und er ist womöglich sowieso der schlimmste. Weil seine Bewohner die schlimmsten sind. Derwinia Tuamor hat mich nur benutzt. Ich war damals schon Angehöriger der Raumflotte, klar. Sozusagen ein normales Mitglied. Ihr wisst ja, nicht in allen Bereichen der Raumflotte sind Eheschließungen erlaubt. Soldaten sollten für die einen Vorgesetzten möglichst keine Bindung haben. Wohingegen andere annehmen, dass gerade Soldaten Bindungen brauchen, um sich motiviert zu fühlen, einen Einsatz zu überleben. Keine Ahnung, wer recht hat. Tatsache ist und bleibt, ich war sogar mehrfach verheiratet. Am Ende eben mit Derwinia Tuamor. Obwohl niemand bis heute weiß, wie sie tatsächlich heißt. Als ich sie kennenlernte, wirkte sie wie ein junges Mädchen. Höchstens zwanzig Jahre alt. Die Venusfalle schnappte gnadenlos zu, sie hatte mich voll im Griff. Für Jahre. Bis ich der einzige blieb, der nicht merkte, was da wirklich lief: Sie benutzte meine Rolle innerhalb der Raumflotte lediglich zur Tarnung für ihre kriminellen und terroristischen Aktivitäten, wobei sie auch nicht vor Massenmord zurückschreckte. Es hat ihr einfach Spaß gemacht, andere zu quälen bis in den Tod. Sowieso pfiff sie auf alles Recht und jegliche Ordnung, weil sie nur eines kannte, nämlich sich selber, Derwinia Tuamor.
Oh, ich will nicht klagen. Es war die schönste Zeit meines Lebens, solange ich blind blieb. Obwohl alles nur eine Illusion war, wie sich hernach herausstellte. Aber in dem Moment, in dem ich wach wurde und sie endlich durchschauen konnte, bekam sie in mir einen geradezu tödlichen Feind. Ich ging akribisch vor, sorgte für eine unentrinnbare Falle und ließ sie jetzt selber hineintappen. Dabei ging ich immerhin so geschickt vor, dass es zum ersten Mal überhaupt gelungen war, ihrer habhaft zu werden und das nach angeblich über dreihundert Jahren, in denen sie im Wirkungsbereich von Axarabor ihr Unwesen bereits getrieben hatte. Ich war ja nicht ihr erster Tarnehemann gewesen, aber ich war der erste, der sich als fähig genug erwies, sie in Haft gehen zu lassen.“
„Eine Haft, aus der sie später jedoch wieder floh!“, erinnerte ihn der Kommandant.
„Aha, du scheinst ja doch besser informiert zu sein als gedacht. Klar, das war ja dann nicht mehr mein Zuständigkeitsbereich. Aber gerade die Tatsache, dass sie aus einer Haft hatte fliehen können, ohne fremde Hilfe, als bis dato wohl erste und einzige Gefangene, machte deutlich, wie gefährlich sie wirklich ist. Und das wertete meinen eigenen Erfolg bei ihrer Festnahme ganz besonders auf. So sehr, dass man mich zum Supersoldaten hat werden lassen. Ich hatte damit nämlich nicht nur besondere Fähigkeiten als Angehöriger der Raumflotte von Axarabor bewiesen, sondern auch meine weitgehende Loyalität. Und als Supersoldat war gleich meine erste Aufgabe gewesen, Derwinia Tuamor wieder dingfest zu machen. Sozusagen eine Herzensangelegenheit für mich. Eine Aufgabe, die ich gemeinsam mit meinen Kameraden rigoros durchführte. Es war damals übrigens mein erster Besuch, den Gefängnisplaneten betreffend.“
„Aber das ist ja dann schon hundert Jahre her!“, entfuhr es Phillis.
„Ja, in der Tat. Wusstet ihr das nicht?“
„Nein, nicht wirklich“, gab der Kommandant zu. „Wir wissen zwar viel über Derwinia, aber eben nicht alles.“
„Und trotzdem habt ihr geplant, sie zum siebten Mitglied zu machen, nach mir? Ausgerechnet?“
„Gerade deswegen!“, betonte der Kommandant überraschenderweise. „Ohne dich würde uns die Befreiung niemals gelingen. Ohne dich wäre es für uns auch problematischer, sie zu bändigen, denn in einem muss ich dir zustimmen: Sie ist eine eminente Gefahr. Du allein hast jedoch bewiesen, dass du ihr gewachsen bist.“
„So, habe ich das?“ Zweifelnd schüttelte Kanot den Kopf. „Also, mir ist es trotzdem lieber, sie bleibt dort, wo sie sich seit hundert Jahren befindet. Inzwischen ist sie wohl vierhundert Jahre alt und sieht wahrscheinlich immer noch aus wie höchstens zwanzig.“
„Ist es wirklich wahr“, hub Forsan Kumir an, „dass diese Derwinia eine Gestaltwandlerin ist, also das, was wir betreffend dich behauptet haben?“
„Nicht direkt“, schränkte Kanot ein. „Man kann das erst verstehen, wenn man ihr begegnet ist. Sie kann nicht ihr Äußeres verändern, also nicht physisch, aber irgendwie schafft sie es, anders zu erscheinen, eben so, wie der jeweilige Gegenüber sie sehen soll. Und wenn fünf Personen sie betrachten, sieht jeder von ihnen eine andere Derwinia. Falls sie das wünscht, wohlgemerkt. Aber sie kann nicht nur Menschen täuschen, sondern auch Maschinen. Niemand hat heraus bekommen, was sie dazu befähigte. Man ging davon aus, dass sie eine noch nicht bekannte Technik dafür verwendete. Deshalb ist sie auf dem Strafplaneten. Um ihr dieses Geheimnis irgendwann zu entreißen. Ansonsten wäre sie schon lange tot. Man hat mich damals auch ausdrücklich darum gebeten, sie lebend einzufangen. Es fiel mir ziemlich schwer, dem Folge zu leisten, das kann ich euch versichern. Wenn es nur nach mir gegangen wäre, hätte ich den Desintegrator gegen sie benutzt. Damit wären sämtliche Probleme im Zusammenhang mit ihr ein für alle Mal erledigt gewesen.“
„Und auf die Idee, dass sie eine entsprechende Psifähigkeit besitzt, darauf ist niemand gekommen?“
„Wie denn auch?“, stellte Kanot die Gegenfrage. „Wie kann man etwas vermuten, was es offiziell überhaupt nicht geben kann? Und Derwinia ging stets so vor, dass sie ihr Geheimnis bewahrte. Also, wenn sie sich in Gefangenschaft befand, wandte sie diesen Trick nicht an. Es sei denn, wenn sie sicher war, dadurch entkommen zu können. Man nahm dann halt an, sie habe sich vorher die entsprechenden technischen Geräte beschafft, wie auch immer. Selbst mit Gehirnwäsche kam man ihrem Geheimnis nicht auf die Spur. Der Strafplanet war die einzige noch übrige Option gewesen – neben dem Tod.“
„Umso besser. Denn dadurch erst kann sie unser siebtes Mitglied werden, und das ist zwingend nötig!“, behauptete der Kommandant.
„Wieso eigentlich? Was reitest du immer auf dieser Sieben herum?“
„Weil jede Séance am besten funktioniert eben mit sieben Teilnehmern, Kanot!“, erläuterte ihm Xirr. „Jetzt sind wir sechs, mit Derwinia werden wir sieben. Leider war es uns nicht möglich, für sie eine Alternative zu finden. Alles, was wir über sie erfahren haben, deutet auf Psifähigkeit hin, und du hast es jetzt eigentlich bestätigt. Also werden wir nicht umhin kommen, unseren Plan durchzuführen.“
„Ohne mich!“, betonte Kanot Borglin überzeugt.
Doch überzeugt davon war einzig und allein nur er selber zu diesem Zeitpunkt.