Читать книгу Roman Koffer 10 Arztromane zum Jahresende 2021 - A. F. Morland - Страница 45

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„Guten Hunger, Chef“, wünschte Schwester Annegret, der gute Geist der Paracelsus-Klinik.

„Danke, Annchen“, gab Chefarzt Dr. Sören Härtling freundlich lächelnd zurück. „Wünsche ich Ihnen auch.“

„Wollen Sie mich auf den Arm nehmen?“

„Nein“, gab der Arzt zurück. „Wieso?“

„Ich habe Ihnen doch vor Beginn der Vormittagssprechstunde gesagt ...“

„Ach ja, richtig - dass Sie heute einen Apfeltag einschieben. Bitte verzeihen Sie mir meine Vergesslichkeit.“

Schwester Annegret wiegte den Kopf, als müsse sie sich das erst noch überlegen.

„Na schön“, sagte die grauhaarige Pflegerin schließlich, „einmal lass ich’s noch durchgehen.“

Sören Härtling tat so, als wäre er ehrlich erleichtert.

„Ich danke Ihnen vielmals.“

„Und was wird Ottilie Ihnen heute Gutes vorsetzen?“ Schwester Annegret lief bei dieser Frage das Wasser im Mund zusammen.

„Ich fahre nicht nach Hause. Ich bin mit meinem Schwager zum Essen verabredet.“

„Da wird mal wieder mächtig drauflos geschlemmt, was?“

„Das nicht, aber wir werden mit Sicherheit mehr als bloß einen grünen Apfel essen.“

Annegret seufzte gequält.

„Sie ahnen ja nicht, wie ich Sie beneide.“

„Lassen Sie den Kopf nicht hängen, Annchen. Morgen fliegen Ihnen wieder die gebratenen Tauben in den Mund.“ Dr. Härtling nahm seinen Mantel und verließ die Paracelsus-Klinik.

Er war beim zweiten alkoholfreien Flip, als Dr. Axel Lassow abgehetzt das Restaurant betrat. „Du wartest schon lange, nicht wahr?“, stöhnte der Schwager und ließ sich Sören Härtling gegenüber auf den Stuhl fallen.

„Zwanzig Minuten“, sagte der Leiter der Paracelsus-Klinik.

„Tut mir leid. Ich hatte heute eine etwas problematische Testamentseröffnung.“

Sören Härtling winkte tolerant ab.

„Nicht so tragisch. Du hast das akademische Viertel bloß um fünf Minuten überzogen.“

Dr. Lassow nickte.

„So kann man es zwar auch sehen, ich sage meinen Kindern aber immer: Pünktlichkeit ist die netteste Art, jemandem zu zeigen, dass man ihn mag.“

„Genau dasselbe sage ich meinen Kündern auch.“

Der Kellner brachte die Karte, und sie wählten die Vorspeise aus.

„Ist zu Hause alles in Ordnung?“, erkundigte sich der Anwalt.

„Alles bestens.“ Sören lächelte. „Dani ist zur Zeit unheimlich happy. Sie hat einen neuen Verehrer. Er muss etwas ganz Besonderes sein.“

„Du kennst ihn noch nicht?“

Dr. Härtling schüttelte den Kopf.

„Nein, sie hat ihn uns noch nicht vorgestellt.“

„Warum nicht?“

Sören Härtling zuckte die Schultern. „Ich habe keine Ahnung.“

„Was für einen Grund könnte sie haben, ihn vor euch zu verstecken?“

„Ich weiß es nicht. Vielleicht hat sie Angst, ihre Geschwister könnten ihn madig machen. Ich habe nicht die Absicht, Dana in irgendeiner Weise unter Druck zu setzen. Früher oder später werden wir ihren Märchenprinzen schon noch kennenlernen.“

„Glaubst du, es ist was Ernstes?“

„Nein“, antwortete der Klinikchef überzeugt, „dafür ist Dana doch noch viel zu jung.“

„Findest du? Sie ist achtzehn und somit volljährig. Eltern neigen häufig dazu, in ihrem Nachwuchs auch dann noch Kinder zu sehen, wenn diese schon längst erwachsen sind. Du solltest nicht den gleichen Fehler machen, sonst könnte es eines Tages ein böses Erwachen für dich und Jana geben.“

Dr. Härtling schmunzelte.

„Willst du mir Angst machen?“

„Nein. Ich möchte dir lediglich die Augen für dieRealität öffnen.“

Die Vorspeise kam. Sie aßen. Als Hauptgericht nahm Sören Härtling dann einen Wiener Tafelspitz, und Axel Lassow entschied sich für ein großes, saftiges Steak.

„War eine gute Idee von dir, mal wieder zusammen zu essen“, sagte Sören.

„Ich hab’ dir das nicht ganz ohne Hintergedanken vorgeschlagen“, gestand Axel Lassow.

„Deshalb kann man euch Anwälten wohl nie uneingeschränkt vertrauen. Ihr seid immer voller List und Tücke.“

„Komm, komm, red’ nicht so schlecht über mich! Meine Klienten können sich auf mich genauso verlassen wie auf dich deine Patienten.“

„Na schön, und was ist der Anlass für dieses Zusammentreffen?“, wollte Dr. Härtling wissen.

„Es geht um Trixi.“

„Habt ihr Probleme?“, fragte Sören Härtling, sofort alarmiert.

Dr. Lassow nickte ernst.

„Leider ja.“

„Welcher Art?“

„In unserer Ehe ist auf einmal der Wurm drin.“

Sören Härtling sah seinen Schwager ungläubig an.

„Das kann ich mir kaum vorstellen.“

„Ich wäre froh, wenn es nicht so wäre.“

„Aber ihr habt euch doch immer so großartig verstanden.“

„Das war einmal ... Heute reden wir nur noch das Nötigste miteinander“, sagte Axel mit belegter Stimme.

„Liebst du Trixi denn nicht mehr?“

„Ich liebe sie noch genauso sehr wie am Beginn unserer Ehe.“

„Sagst du ihr das auch hin und wieder?“ ,fragte Sören den niedergeschlagenen Schwager.

„Natürlich, aber sie glaubt mir nicht.“

„Was für einen Grund hat sie, dir nicht zu glauben?“, wollte Sören wissen.

„Keinen“, behauptete Axel.

„Irgendeinen Grund muss sie doch haben ...“

„Ja“, brummte der Rechtsanwalt, „einen eingebildeten.“

„Was bildet sie sich ein?“, fragte Sören.

„Sie ist jetzt etwas mehr als vierzig Jahre ...“

„..., die man ihr nicht ansieht. Es gibt Leute, die schätzen sie auf fünfunddreißig.“

„Ja“, nickte Dr. Axel Lassow, „sie sieht jung aus, ist auch noch immer sehr hübsch - aber in ihrem Inneren hat etwas angefangen zu nagen ...“

„Was?“, fragte Dr. Härtling.

„Das, was irgendwann bei fast allen Frauen zu nagen anfängt ...“

„Wenn sie glauben, sich ihres Partners nicht mehr sicher sein zu können“, sagte Sören Härtling.

„Oder wenn sie es sich nur einbilden“, entgegnete Axel Lassow dumpf. „Da tauchen auf einmal dumme Zweifel auf: Bin ich noch attraktiv genug? Kann ich noch mit einer jüngeren Rivalin konkurrieren? Wird mein Mann bei mir bleiben oder sich nach einer jüngeren Frau, die ihn sexuell mehr zu reizen vermag, umsehen? Männer müssen sich - so der Glaube der Frauen - in der Midlife Crisis häufig beweisen, dass sie noch nicht zum alten Eisen gehören ... Viele Frauen verstricken sich dabei rettungslos in ihre eigenen Hirngespinste und fangen an, ihrem Partner das Leben zur Hölle zu machen. So weit ist es bei uns zum Glück noch lange nicht, aber ich erkenne mit wachsender Besorgnis die Richtung, die Trixi eingeschlagen hat.“

„Möchtest du, dass ich mich mal mit meiner Schwester unterhalte?“, fragte Dr. Härtling.

Sein Schwager nickte mit finsterer Miene.

„Ich werde mit Trixi reden“, versprach Sören Härtling. „Ich denke, ich kann sie davon überzeugen, dass sie sich deiner absolut sicher sein darf.“

„Mich interessieren keine anderen Frauen - egal wie alt sie sind“, sagte Axel Lassow. „Ich liebe nur meine Trixi, und ich möchte mit ihr wieder so glücklich sein, wie wir es so viele Jahre hindurch waren.“

Roman Koffer 10 Arztromane zum Jahresende 2021

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