Читать книгу Roman Koffer 10 Arztromane zum Jahresende 2021 - A. F. Morland - Страница 63
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ОглавлениеNach der Visite schaute Dr. Sören Härtling noch einmal allein bei Klaus Krage rein, weil der Patient ihn darum gebeten hatte.
„Als Sie mich vorhin fragten, wie es mir gehe, sagte ich gut“, bemerkte der Kranke.
„Ja? Und?“
„Das war gelogen“, gestand Klaus Krage nun.
Der Chefarzt musterte den Patienten überrascht.
„Es geht Ihnen nicht gut?“
„Oh, mein Blinddarm macht keine Schwierigkeiten“, sagte Krage, „aber mein Herz.“
Sören Härtlings Augenbrauen zogen sich zusammen.
„Ihr Herz? Was ist damit?“ Der Leiter der Paracelsus-Klinik dachte wirklich, sich Sorgen um das Herz des Mannes machen zu müssen.
„Es ist gebrochen“, behauptete Klaus Krage. Er legte die Hand auf seine Brust und seufzte tief.
Dr. Härtling sah ihn einen Moment verwirrt an. „Gebrochen?“
„Ich könnte auch sagen, ich habe es verloren.“ Der Patient seufzte noch einmal.
„An wen?“, wollte Dr. Härtling wissen.
„An die Nachtschwester.“
Sören staunte.
„An Schwester Melanie?“
„Ja, Dr. Härtling, aber sie will nichts von mir wissen.“
Der Chefarzt lächelte freundlich.
„Nun, dann kann ich Ihnen nur raten, sich damit abzufinden, Herr Krage.“
„Das kann ich nicht.“
„Sie können Schwester Melanie nicht zwingen, Ihre Liebe zu erwidern.“
„Ich bin noch nie einer Frau begegnet, die so verschlossen und unnahbar war“, beklagte sich Klaus. „Warum ist sie so?“
Sören zuckte die Schultern.
„Ich weiß es nicht.“
„Sie arbeitet aber doch an Ihrer Klinik.“
„Das Privatleben meiner Mitarbeiter geht mich nichts an“, entgegnete Dr. Härtling reserviert.
„Sie haben wirklich keine Ahnung, wieso diese wunderschöne Frau so unzugänglich, so traurig, so unglücklich ist?“
Der Chefarzt schüttelte den Kopf.
„Nicht die geringste.“
„Möchten Sie es denn nicht wissen?“
„Meine Mitarbeiter wissen, dass sie mir von all ihren Sorgen und Nöten erzählen können“, erklärte Sören Härtling. „Ich habe für jedermanns Problem ein offenes Ohr. Aber man muss zu mir kommen. Ich werde nicht den ersten Schritt tun, weil ich nicht wissen kann, ob das auch erwünscht ist.“
„Können Sie nicht mal eine Ausnahme machen?“, bat Klaus Krage. „Können Sie nicht mal mit Schwester Melanie reden? Sie denkt, ich verwechsle Dankbarkeit mit Liebe.“
„So etwas kommt hin und wieder vor“, warf der Arzt ein.
„Nicht bei mir“, beteuerte Klaus. „Ich bin mir über meine Gefühle vollkommen im Klaren. Ich liebe Schwester Melanie, und ich möchte, dass sie sich damit ernsthaft auseinandersetzt. Mehr verlange ich ja gar nicht. Im Moment prallt bei ihr alles, was ich sage, gegen Eis oder Granit. Meine Absichten sind absolut seriös. Ich bin kein Schürzenjäger, der hinter jedem Weiberrock her ist, und ich verliebe mich auch nicht jeden Tag in eine andere Frau. Wenn ich liebe, dann hat das Bestand.“
Dr. Härtling beschloss, dieses eine Mal von seinem Grundsatz abzuweichen. Nicht nur, um diesem anständigen Mann den erflehten Gefallen zu tun, sondern auch, weil er damit vielleicht erreichen konnte, dass Schwester Melanie endlich einmal lächelte ...