Читать книгу Roman Koffer 10 Arztromane zum Jahresende 2021 - A. F. Morland - Страница 46
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ОглавлениеKlaus Krage kam nach Hause und zog seinen schwarzen Anzug aus. Er legte die schwarze Krawatte ab und ging ins Bad, um zu duschen. Jakob hatte mal wieder bewiesen, dass er ein Idiot war, dachte der jüngere Sohn des Verstorbenen. Unmöglich, wie der sich bei der Testamentseröffnung aufgeführt hatte. Und geschmacklos, seine Freundin in ein Trauerhaus mitzubringen.
Aber so war Jakob. Er hatte kein Gefühl für überhaupt nichts. Und er dachte immer nur an sich selbst. Er war der größte Egoist, den Klaus kannte, und Klaus war froh, dass er den Bruder so selten sah. Es hätte ihm nichts ausgemacht, wenn er ihn heute zum letzten Mal gesehen hätte. Sie hatten nichts gemeinsam, hatten sich noch nie verstanden, und wenn sie sich alle heiligen Zeiten mal trafen, ließ es sich nie vermeiden, dass sie hart gegeneinander krachten.
Bedauerlich, dass Brüder so zueinander standen, aber es ließ sich wohl nicht ändern. Es war nicht Klaus’ Schuld, dass sie nicht zueinanderfinden konnten.
Er stand mit geschlossenen Augen unter der Brause. Sein Haar klebte pechschwarz an seinem Kopf. Das Leben ist ein Wellental, ging es ihm durch den Sinn. Mal ist man oben, mal unten - und manchen ist es bestimmt, nachdem sie einmal kurz oben waren, für immer unten zu bleiben. Ihm schien das boshafte Schicksal dieses Los zugedacht zu haben. Er konnte sich nicht erklären, warum. Er war immer anständig gewesen, hatte sich stets bemüht, ein gottgefälliges Leben zu führen. Und was war der Lohn dafür gewesen? Ein Schicksalsschlag nach dem anderen, Leid, Bitternis, Leere und - Einsamkeit.
Nachdem er geduscht hatte, schlüpfte er in seinen weinroten Frotteemantel und rubbelte mit einem Handtuch sein Haar trocken. Er verließ das Bad.
Sein Haus glich einem Museum. Überall waren gerahmte Fotos von Elvira zu sehen: auf der Kommode, auf dem Lesetisch, an den Wänden.
Und überall konnte man noch Dinge entdecken, die seiner geliebten Frau gehört hatten - Pantoffel, ein Schal, eine Brosche, der Ehering, obwohl sie schon seit einem Jahr tot war. Es fiel ihm so wahnsinnig schwer, sich damit abzufinden, und er wusste nicht, wann ihr Tod aufhören würde, ihn so entsetzlich zu schmerzen. Würde er denn nie darüber hinwegkommen? Sie waren so glücklich gewesen. ‘Jung gefreit hat nie gereut.’ Er hatte geglaubt, auf sie beide würde das zutreffen. Neunzehn waren sie gewesen, als sie geheiratete hatten. Heute war Klaus fünfundzwanzig und schon allein - verwitwet.
Das Leben konnte schon verdammt grausam sein - und immer traf es jene, die es am wenigsten verdienten, während es jenen, die, wie Jakob, einen Dämpfer verdient hätten, damit ihre Bäume nicht in den Himmel wuchsen, großartig ging. Wo war da bloß die göttliche Gerechtigkeit?
Traurig betrachtete Klaus eines der Bilder. Elvira strahlte ihn mit großen, lebendigen Augen an. Er seufzte deprimiert: „Ach, Elvira, ich kann dir nicht sagen, wie sehr ich dich vermisse.“