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Erstes bis viertes Bändchen
XI.
Ein Debüt

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Drei Jahre waren seit dieser Erklärung verlaufen. Drei oder viermal von ihrem Liebhaber durch die Kriege oder die Garnisonen getrennt, halte Olympia allmählich die Kette ihrer Liebe schlaff werden gefühlt. Im Jahre 1727 war Herr von Mailly abermals in Garnison in Marseille; aber Olympia spielte Tragödie und Komödie in Avignon.

Seit zwei Monaten hatte sie den Grafen nicht erblickt; erst am Tage vorher hatte er sie benachrichtigt, genötigt durch die Pflichten seiner neuen Stelle, – Herr von Mailly war Kommandant der Gendarmerie geworden, – genötigt durch die Pflichten seiner neuen Stelle, sagen wir, sich nach Lyon zu begeben, werde er durch Avignon reisen, um der ersten Aufführung von Herodes und Marianna beizuwohnen.

Man wird vielleicht fragen, warum Herr von Mailly, reich und verliebt, geduldet habe, daß Mademoiselle Olympia von Clèves beim Theater blieb. Wir antworten hierauf, daß dies nicht von Herrn von Mailly abhing. Er hatte der Schauspielerin wirklich den Vorschlag gemacht, ihr Gewerbe auszugeben; aber nachdem sie aus Not Künstlerin geworden, hatte sie in ihr von Liebe leeres Herz eine Liebe weit verzehrender als die andere, die Liebe für die Kunst, eindringen lassen. Sie hatte daher jeden Vorschlag dieser Art zurückgewiesen und erklärt, nichts in der Welt würde sie bewegen, auf ihre Unabhängigkeit zu verzichten; sie hatte dem zu Folge fortwährend ihre vierzehntausend Livres jährlich ausgegeben, von Herrn von Mailly nur die Geschenke angenommen, wie sie der Liebhaber der Geliebten zu machen pflegt, und ihr Gewerbe als eine Hilfsquelle gegen die schlimmen Tage fortgesetzt.

Zwanzigmal hatte der Gras seine dringenden Bitten in dieser Hinsicht wiederholt, zwanzigmal hatte ihn Olympia zurückgewiesen. Man weiß, daß Olympia das, was sie wollte, sehr wollte, und besonders sehr wollte, wenn sie nicht wollte.

Auf den Brief, den sie vom Grafen erhalten, hatte sie nur geantwortet, der Graf könne am andern Tage in voller Sicherheit nach Avignon kommen, Herodes und Marianna werde am andern Tage gegeben werden.

Dieser andere Tag war ein Donnerstag; Herodes und Marianna musste also durchaus am Donnerstag gespielt werden.

Darum hatte Olympia so sehr darauf gedrungen. daß man die Rolle lese, darum hatte sie Banniére umarmt, als er sie zu spielen eingewilligt.

Olympia rechnete vielleicht aus den Succeß, den sie In dieser Rolle haben sollte, um die Zärtlichkeit ihres Liebhabers, die sie seit einiger Zeit abnehmen zu fühlen glaubte, wiederzubeleben; vielleicht setzen wir auch ein Verlangen bei ihr voraus, das sie nicht hatte, und sie rechnete aus nichts, denn die Nacht ist schwarz im Herzen der Frauen in Betreff Alles dessen, was die Mysterien der Liebe bildet.

Wir haben Banniére als Herodes gekleidet in dem Augenblick verlassen, wo das dreimalige Zeichen gegeben worden war, wonach der Vorhang aufgehen sollte.

Herr von Mailly befand sich mit seinem ganzen Generalstab im Saale und hatte die große Mittelloge inne. Er hatte mit dem Publikum die Kulissen angst geteilt, Jeder fragte sich: Wird Schauspiel sein oder wird keines sein? Zahlreich, glänzend und voll Ungeduld, atmete daher die Versammlung hoch aus, als sie, nachdem sie das dreimalige Zeichen hatte geben hören, den Vorhang ausgehen sah.

Wir vermöchten nicht zu sagen, ob es ein Glück oder ein Unglück für Banniére war, daß er weder im ersten, noch im zweiten Act etwas zu tun hatte, wir wissen nur, daß er es zwischen jedem Act sehr bedurfte, durch die Gegenwart von Olympia wieder gestärkt zu werden, welche, um ihn in seiner guten Stimmung zu erhalten, hinter den Vorhang kam und mit ihm die Hauptszene probierte.

Was den unglücklichen Novizen besonders mit Besorgnissen erfüllte, war nicht der päpstliche Legat, der dieser feierlichen Vorstellung beiwohnte, es war nicht Herr von Mailly mit seinem Generalstab, es waren nicht die Behörden der Stadt aus den ersten Bänken des Saales, es waren die zwei Jesuiten-Väter, von denen er wusste, sie seien anwesend, als wären sie gekommen, um seine Erscheinung zu belauern, und die ihn vielleicht. trotz seines Bartes und seines königlichen Mantels erkennen würden.

Banniére wurde auch mehr als einmal von einem unwiderstehlichen Verlangen, zu entfliehen, ergriffen. Doch zwei Dinge widersetzten sich diesem: einmal die Anziehungskraft, die ihn an Olympia fesselte, und dann die Bewachung, die man um ihn her übte. Niemand, vom ersten Schauspieler bis zum letzten Komparsen, war es unbekannt, daß der Debütant beinahe durch Überrumpelung debütierte, daß er das Novizenkleid abgelegt hatte, um das Kostüm von Herodes anzuziehen, und da er, im Ganzen genommen und mit noch viel mehr Grund, von einem Gewissensbisse, dem ähnlich, welcher Champmeslé fort getrieben halte, gepackt werden konnte, so wollte man nicht, daß eine und dieselbe Ursache ein und dasselbe Resultat herbeiführe, und daß das Stück, welches beinahe nicht angefangen hätte, nachdem es angefangen, der Gefahr, nicht zu, endigen, ausgesetzt sei.

Herodes war also in der Tat durch die Wachen bewacht, welche bei jedem Schritte, den er in den Kulissen machte, ihren Platz verließen und ihm mit eben so viel Regelmäßigkeit folgten, als wir seitdem in dem vortrefflichen Drama Marion de Lorme die Garden des Herrn von Nangis ihrem Oberherrn haben folgen sehen.

Endlich ging der Vorhang, den man nach dem ersten und zweiten Act heruntergelassen hatte, zum dritten Male aus; der furchtbare Augenblick nahte heran. Banniére hörte, mehr todt als lebendig, einen Vers nach dem andern entfliegen, und bei jedem Verse, der entflog, fühlte er seinen Eintritt näher kommen. Obgleich die Schauspieler die gewöhnlichen Tempi nahmen, schien es ihm doch, als beschleunigten sie ihren Vortrag aus eine wahnsinnige Art. Die Szenen gingen eine nach der andern an seinen Augen vorüber, wie jene dunkeln Dünste, welche an einem niedrigen Himmel die stürmischen Westwinde fortreißen. Endlich kam die dritte Szene des dritten Acts, diejenige, welche unmittelbar dem Eintritte von Herodes vorhergeht. Wie eine steigende Flut sah der unglückliche Banniére den Augenblick, wo er vor dem Publikum zu erscheinen hatte, aus sich zukommen; bald waren zwischen ihm und diesem äußersten Augenblicke nur noch vier Verse, bald nur noch zwei, nur noch einer! Mit dem letzten Halbverse floß ein kalter Schweiß über die Stirne von Banniére. Eine Art von Schwindel bemächtigte sich seiner, er schaute umher, ob ein Weg für seine Flucht offen sei; als er sich aber umwandte, sah er Olympia, die ihm zulächelte und ihn mit einem Blicke ermutigte. Er hörte um sich her leise sagen: »Auf! auf!« er fühlte, wie eine kleine Hand, mächtiger als die Hand eines riefen, ihn von hinten schob, und eine Stimme voll Harmonie rief ihm zu: »Mut! Mut!« Der Hauch, der dieses Wort begleitete, brannte aus seiner Wange. Er machte einen Schritt und fand sich den Lichtern, dem Lustre und dreitausend Blitzen gegenüber, welche aus den Augen der Zuschauer hervorsprangen, und unter denen er schimmernd von ihrem höllischen Glanz die der zwei ehrwürdigen Väter der Gesellschaft Jesu funkeln zu sehen glaubte.

Er trat langsam, keuchend, geblendet und bereit, bei jedem Schritte auf dem unmerklichen Abhang des Bodens zu stolpern, ein.

Doch er war so schön von Gestalt und Gesicht, er trug in seinen Zügen einen Charakter von so düsterer Melancholie, er hatte ein so wohlgeformtes Bein, ein Auge so voll Flammen, daß, um ihn gleich von Anfang zu beruhigen, und dann, um ihm für seine Gefälligkeit zu danken, ein Beifallsdonner in diesem stehenden Parterre losbrach, das die Neugierde unter ihrer unwiderstehlichen Anziehungskraft schwanken machte, wie unter einem Sommerwinde ein Kornfeld sich beugt und schwankt.

Die Wirkung war rasch; die Wolke, welche die Augen von Banniére bedeckte, hellte sich auf; das Blut, das In seinen Ohren brauste, unterbrach sein Klingen, und elektrisiert durch diese Bravos, wie der Renner durch das Lob oder durch die Peitsche angestachelt wird, griff er mutig seinen ersten Vers an.

Das, woraus er sich verlassen konnte, war sein Gedächtnis, das, woraus er sich nicht verlassen konnte, war seine Person. Seine Person machte Effekt. Die Hälfte der Partie war also gewonnen.

Unter den Bravos stählte sich Banniére wieder; er sagte sich, im Ganzen sei er ein Mensch wie alle andere Menschen, durch den Verstand den Leuten des Saales gleich, durch sein Talent vielleicht Meister der Leute der Szene.

Banniére sprach daher seine Tiraden beinahe so beherzt auf dem Theater, als er sie im Foyer gesprochen hatte.

In Ermangelung des Wissens hatte er die Stärke, In Ermangelung des Detail hatte er das Feuer, und da in seiner ersten Szene mit Olympia diese ihm leise zwei oder dreimal sagte: »Gut! sehr gut!« so spielte er in der Tat sehr gut, denn er spielte, wie er es in der Meditationsstube gethan hätte, ohne die Gefahr zu kennen.

Was Olympia betrifft, welche ihr Theater seit langer Zeit kannte, was Olympia betrifft, die statt böswillige Jesuiten im Saale zu haben, hier Herrn von Mailly und einen ganzen Generalstab von Anbetern hatte, so ließ sie sich fortreißen, wie sie es vielleicht nie bei Champmeslé gethan hatte, und machte alle ihre Effekte, ohne einen einzigen zu verfehlen, unterstützt, wie sie war, durch das billigende Gemurmel des ganzen Saales und durch die geräuschvolleren Bravos der Garnison.

Die Vorstellung war schön. Banniére hatte sich nicht nur nicht geirrt, sondern er hatte auch die Stichwörter den Wachen, den Vertrauten, den Schauspielern, den Mimen eingeblasen.

Man erinnert sich, daß Banniére das ganze Stück auswendig konnte.

Nach seinem ersten Austreten wurde er auch von allen Frauen und allen Männern der Truppe mit Komplimenten überschüttet. Nach seinem zweiten Auftreten hatte er auch nur noch die Frauen für sich, welche ihm, man muss es sagen, in ihrer Bewunderung bis zum Ende des Stückes treu blieben.

Als das Stück beendigt war, umarmte Olympia Banniére nicht mehr, sie dankte ihm.

Banniére fühlte diese Nuance nicht. Er war zu sehr betäubt. Der Mensch, der sich mit schwerem Weine berauscht hat, kennt des Aroma der zarten Weine nicht mehr.

Man wünschte also Banniére Glück, man schmeichelte ihm, man umringte ihn; er entzog sich allen diesen Glückwünschen, denn er hegte immer noch aus eine unbestimmte Art die Hoffnung, in das Noviciat zurückzukommen, und floh nach der Loge, wo er sich aus- und angekleidet hatte.

Er hatte viel Mühe, sie wieder zu finden, doch er fand sie am Ende.

Das Erste, was Banniére beim Eintritt in seine Loge bemerkte, war ein Bad bestimmt, die Befleckung des Körpers durch das Wasser zu tilgen, wie man die Befleckungen der Seele durch die Beichte tilgt. Champmeslé hatte die Gewohnheit, ein Bad nach jeder neuen Leistung zu nehmen. Banniére schaute dieses Bad mit Begierde an. Banniére dachte, da er die Rolle von Champmeslé gespielt habe, so könne er wohl das Bad von Champmeslé nehmen. Von Folgerung zu Folgerung kam er sogar dahin, daß er sich bewies, er habe alle Rechte aus dieses Bad, während Champmeslé keines darauf habe.

Banniére legte also sein Herodes-Kostüm ab und streckte sich wollüstig in diesem Bade aus.

Er war hier seit zehn Minuten, rieb sich nach Herzenslust mit der Seife von Champmeslé und sah, wie einen vergangenen Traum, vor sich bis aus die kleinsten Einzelheiten alle Ereignisse dieser feierlichen Vorstellung, als man an die Thür seiner Loge klopfte.

Banniére bebte in seinem Bade wie ein Dieb, der aus frischer Tat ertappt wird.

»He! was will man von mir?« fragte er. »Man kann nicht herein.«

Banniére war voll Schamhaftigkeit.

»Man verlangt nicht hineinzukommen,« antwortete die Stimme des Friseur.

»Man verlangt den König Herodes.«

»Wo?«

»Im Foyer.«

»Und was will man vom König Herodes?«

»Der Herr Graf von Mailly gibt den Herren und Damen ein Abendessen und sagt, dieses Abendessen wäre unvollständig, wenn es die Königin Marianna ohne den König Herodes hätte.«

Banniére antwortete einen Augenblick nichts; er dachte, er habe keine andere Kleider anzuziehen, als seine Jesuitenkleider, und er würde eine traurige Figur bei diesem heiteren Abendbrot mit seiner schwarzen Tracht spielen.

»Sagen Sie, ich danke von ganzem Herzen dem Herrn Grafen von Mailly für die Ehre, die er mir erweisen wolle,« erwiderte Banniére, »aber ich könne sie nicht annehmen, da ich kein Kleid habe.«

»Wie, kein Kleid?« rief der Friseur; »haben Sie nicht das Kostüm des Königs Herodes, ganz von Hermelin, Sammet und Seide?«

»Ja,« versetzte Banniére, »doch das ist ein Kostüm und kein Kleid.«

»Ei! Jedermann ist im Kostüm,« sagte der Friseur; »das ist im Gegenteil eine der Bedingungen des Abendbrots.«

»Fräulein Olympia auch?« fragte Banniére.

»In großem Kostüm. Sie hat nur ihre Schminke und ihre Schönfleckchen weggemacht und ein Bad genommen; darum ist man noch nicht bei Tische.«

Ein Abendbrot mit Herrn von Mailly, ein Abendbrot unter dem Vorsitze von Olympia, ein Abendbrot, wo er sie wiedersehen sollte, wo sie ihm sagen würde, er habe gut gespielt, ein Abendbrot besonders, wobei er nicht mit seinem schmutzigen Novizenkleide, sondern mit seinem glänzenden Kostüm des Herodes erscheinen würde! Das war mehr, als er brauchte, um Banniére zu bestimmen, zwei Stunden später in das Noviciat zurückzukehren. Überdies wusste man entweder seinen Ausgang oder man wusste ihn nicht; wusste man ihn nicht, so machten die zwei Stunden nichts; wusste man ihn, so machten die zwei Stunden nicht viel, und die Strafe würde so erschrecklich sein, daß die zwei Stunden mehr sie kaum erschweren könnten.

Banniére war in der Lage eines Menschen, der gehenkt zu werden verurteilt ist, und der, indem er sich einen großen Genuss erlaubt, Gefahr läuft, gerädert zu werden. Sterben, um zu sterben – Banniére wollte sich vor seinem Tod das Vergnügen eines Gottes machen.

Er antwortete daher ziemlich hoffärtig:

»Nun denn, so sagen Sie Herrn von Mailly, ich werde die Ehre haben, seiner Einladung zu entsprechen.«

Banniére ging in der Tat strahlend und duftend aus seinem Bade hervor. Aus das Roth des Theaters war das matte Braun seiner Hut diese Schminke der Leute des Süden, gefolgt; an der Stelle seiner flatternden Perücke wogten seine schwarzen Haare, denen das Wasser den bläulichen Glanz des Rabenflügels gegeben hatte. Er beschaute sich im Spiegel von Champmeslé und bemerkte zum ersten Mal, daß er schön war.

Doch beinahe in demselben Augenblick sagte er mit einem Seufzer:

»Ah! sie auch, sie ist sehr schön!«

Und er begab sich nach dem großen Foyer, wo das Abendbrot zugerichtet war.

Olympia von Clèves

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