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Erstes bis viertes Bändchen
IX.
Das Foyer

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Banniére, man muss es zu seinem Lobe sagen, Banniére widerstand heldenmütig; zum Unglück war er aber nicht der Stärkere, und man zog ihn oder trug ihn vielmehr in das Foyer als Beweis der unglücklichen Neuigkeit.

Dann war Banniére gezwungen, vor der ganzen schon für das Schauspiel bereiten Truppe zum zweiten Mal nicht nur Alles das zu erzählen, was im Gange der Künstler vor zehn Minuten vorgefallen war, sondern auch als unerlässlichen Vorbericht für das Ereignis, welches soeben in Erfüllung gegangen, und das die komische Truppe in Verzweiflung brachte, den Besuch, den Champmeslé am Tage vorher in der Kapelle des Noviciats gemacht hatte, und das Gespräch, welches eine Folge davon gewesen war.

Diese Erzählung, gegeben mit einer leicht begreiflichen Gemütsbewegung von dem Novizen, den seine Flucht in ein Fieber versetzt, das Feuer der Lampen entzündet, die Berührung der Wohlgerüche und des Hauchs der Damen der Komödie berauscht hatten, der Damen, die Ihm seit einem Augenblick eine Atmosphäre machten, gegen welche die der, von Champmeslé so sehr gefürchteten, Hölle ein lappländischer Wind war, diese Erzählung brachte eine traurige Wirkung aus die Versammelten hervor.

»Ach! die Einnahme ist entschieden verloren!« rief der Redner der Truppe, während er den Arm in Verzweiflung fallen ließ.

»Wir sind zu Grunde gerichtet!« sagte der erste komische Alte.

»Das Theater wird schließen,« versetzte die Duenna.

»Und die ganze Stadt ist im Saale!»rief die Zofe von Marianna, eine junge Soubrette von achtzehn Jahren, welche die ganze Stadt zu kennen schien.

»Und Herr von Mailly hat uns einen Imbiss geschickt und uns sagen lassen, er werde ihn mit uns verzehren!«

»Und Olympia hat keinen Herodes!« rief der komische Alte.

»Weiß sie nicht, was vorgeht?«

»Nein, sie ist noch in ihrer Loge und kleidet sich vollends an. Soeben, als er bei ihr vorüberging, hörte ich Champmeslé ihr guten Abend zurufen.«

»Ei! benachrichtigen wir sie!« sagten einige Frauen, die persönliche Eitelkeit unter diesem großen öffentlichen Unglück vergessend.

Und es trat eine gewaltige Bewegung unter den Leuten ein, welche alle mit einander nach der Thür stürzten.

Banniére, der einen Augenblick verlassen war, benützte diese Zeit, um sich bescheiden in einen Winkel zu stellen.

In demselben Moment wich die Menge, die sich vor der Thür drängte, zurück.

»Was gibt es? was will man?« fragte aus der Schwelle des Foyer erscheinend eine Frau von ausgezeichneter Schönheit, die in ein prächtiges Kostüm einer Königin gekleidet, mit Reifröcken von sechs Fuß im Umfang und einer einen Fuß hohen Frisur, majestätisch, gefolgt von zwei Ehrendamen, welche die Schleppe ihres Kleides trugen, vortrat.

Sie hatte schwarze Augen, noch schwärzer unter ihrem Puder, volle, unter der Schminke rosige Wangen von einem eirunden Schnitt, Zähne blau wie Porzellan, so durchsichtig waren sie, saftig rote, sinnliche Lippen, den Arm und die Hand einer orientalischen Königin, den Fuß eines Kindes.

Banniére, als er sie sah, suchte die Stütze der Mauer; hätte er sie nicht hinter sich gesunden, so fiel er, wie er in der Meditationsstube gefallen war. Das war das zweite Mal an diesem Tage, daß die glänzende Schönheit dieser Frau ihn niederschmetterte.

»Meine liebe Olympia,« erwiderte der Redner der Truppe, »Du kannst wieder in Deine Loge hinausgehen und Dich auskleiden.«

»Mich auskleiden! und warum dies?«

»Weil wir heute Abend nicht spielen werden.«

»Wie!« versetzte sie mit stolzer Miene, »wir werden heute nicht spielen? Und wer wird uns verhindern zu spielen, wenn's beliebt?«

»Schau' umher, liebe Freundin.«

»Ich schaue!«

Die Augen von Olympia machten wirklich die Runde im Foyer, umfassten in dem von ihrem Gesichtsstrahl durchlaufenen Umkreis Banniére wie die Andern, verweilten jedoch eben so wenig bei Banniére als bei den Andern.,,

Nur, als diese zwei Sterne an dem Novizen vorüber liefen, warf jeder einen Strahl aus.

Der eine von diesen Strahlen entflammte das Gehirn.

Der andere versengte das Herz.

»Sind wir Alle da?« fragte der Redner.

»Ja, Alle, wie mir scheint,« antwortete nachlässig Olympia.

»Schau' wohl, Einer von uns fehlt.«

Die Augen von Olympia kehrten von ihrem Leibe, wo sie eine Spitze zurecht richtete, zu der Gesellschaft zurück, die sie umgab.

»Ach! ja,« sagte sie, »Champmeslé. Wo ist Champmeslé?«

»Frage diesen Herrn!« antwortete der Redner. Und er nahm den Novizen beim Handgelenke und bei der Schulter und schob ihn gerade vor Olympia.

Es war ein seltsames Schauspiel, dieser Jesuitenzögling, ganz schmutzig schwarz, der goldenen Schönheitskönigin gegenüber gestellt.

Die Lippen des jungen Mannes zitterten, aber vergebens: sie konnten keinen Ton artikulieren.

»Nun! so sprechen Sie doch!« sagte Olympia gebieterisch zu ihm.

Und sie bezauberte ihn mit einem Blick.

»Madame,« stammelte Banniére, vom Dunkelrot zur bläulichen Blässe eines Todten übergehend, »Madame, entschuldigen Sie mich, ich bin nur ein armer Klosterstudent und nicht gewohnt, das zu sehen, was ich in diesem Augenblick sehe.«

Der Redner setzte Olympia mit ein paar Worten von Allem, was vorgefallen war, in Kenntnis

»Ist das wahr, was Sie mir da erzählen?« sagte sie.

»Fragen Sie den Herrn.«

Sie wandte sich gegen Banniére und befragte ihn mit ihrem Königinblicke.

»Es ist wahr,« sprach Banniére, sich verbeugend, als ob die Schuld von Champmeslé auf ihm lastete.

Olympia blieb einen Moment stumm und nachdenkend, die Stirne gefaltet, aber das Auge immer zerstreut aus Banniére geheftet.

Dann sagte sie plötzlich mit einer zunehmenden inneren Aufregung:

»Nein, nein, der Abgang von Champmeslé darf, kann die Vorstellung nicht hindern.«

Jeder schaute sie mit erstaunter Miene an.

»Nein,« sagte sie, »nein; es ist unmöglich, daß ich heute Abend nicht spiele, und ich werde spielen.«

»Ganz allein,« versetzte der Redner.

»Es fehlt ja nur Champmeslé, wie mir scheint!«

»Das ist genug. Wer wird Herodes spielen?«

»Nun, wenn es sein muss. . .«

»Was?«

»Man wird die Rolle lesen.«

»Bei einer ersten Vorstellung eine Rolle lesen? Das ist unmöglich!«

»Ei! ei! fuhr Olympia fort, »es ist keine Zeit zu verlieren, das Publikum wartet und wird ungeduldig werden.«

»Aber man kann eine so wichtige Rolle nicht lesen,« murmelten mehrere Schauspieler, »Kündigt man dem Publikum an, die Rolle des Herodes werde gelesen werden, so wird es sein Geld zurückverlangen.«

»Ich muss aber heute Abend spielen,« rief Olympia; »es muss sein.«

»Warum sollte man nicht eine Ankündigung machen? Warum sollte man nicht eine Unpässlichkeit vorschützen? Mit dieser Ankündigung wird man eine halbe Stunde gewinnen, und während dieser Zeit läuft man dem verdammten frommen Champmeslé nach, man führt ihn gutwillig oder mit Gewalt zurück, und müsste man ihn knebeln; man kleidet ihn gegen seinen Willen an, man stößt ihn aus die Bühne hinaus. Aus! Auf! eine Ankündigung!«

»Wenn man ihn aber nicht wieder erwischt?« bemerkte eine Stimme.

»Nun! dann wird das Publikum in Kenntnis gesetzt sein; man sagt ihm, die Unpässlichkeit verschlimmere sich; man wird Champmeslé morgen im Verlaufe des Tages wieder erwischen, und wir werden morgen den Succeß haben, den wir heute haben sollten. Mit der Sicherheit einer Vorstellung für morgen wird das Publikum vielleicht sein Geld nicht zurückverlangen und sich mit Contremarquen begnügen.«

»Nein,« erwiderte Olympia, »nein; nicht morgen will ich spielen, sondern heute, nicht morgen will ich einen Succeß haben, sondern heute Abend. Man liest die Rolle heute, oder ich werde morgen nicht spielen.«

»Aus welchen Gründen?« fragte der Redner.

»Mein Lieber,« erwiderte Olympia, »meine Gründe sind meine Sache; würde ich sie Ihnen angeben, so fänden Sie dieselben vielleicht nicht gut, während ich sie vortrefflich finde. Ich will heute spielen, heute! Heute!«

Und nachdem sie ihren Willen aus diese entschiedene Weise ausgesprochen, fing Olympia an mit dem Fuße aus den Boden zu stoßen und ihren Fächer zu zerstückeln, und dies mit jenem heftigen Zittern, das bei nervösen Frauen das Herannahen einer furchtbaren Krise andeutet.

Banniére war jeder Bewegung der schönen Königen gefolgt; seine Augen verschlangen sie, sein Atem hing an jedem ihrer Worte, und die Nervenerregung, welche sie ergriff, empfand er aus Sympathie.

»Aber, meine Herrn,« sagte er, »Sie sehen wohl, daß es dieser Dame unwohl werden, daß sie in Ohnmacht fallen, vielleicht, vor Zorn sterben wird, wenn Sie die Rolle des Herodes nicht lesen. Mein Gott! lesen Sie doch diese Rolle! Ist es so schwierig, eine Rolle zu lesen? Ah! sollte ich nicht Jesuit sein! Ah! wäre ich nicht Noviz!«

»Nun! wenn Sie nicht Noviz wären,« fragte der Redner. »was würden Sie tun?«

«Ich würde sie, bei Gott! spielen,« rief Banniére fortgerissen von der Gemütsbewegung, die bei ihm die wachsende Ungeduld von Olympia verursachte.

»Wie! Sie würden sie spielen?« fragte der Redner; »was sagen Sie da?«

»Warum nicht!« versetzte Banniére stolz.

»Sie müssten sie zuvor können.«

»Oh! wenn es nur das wäre: ich kann sie.«

»Wie! Sie können sie?« rief Olympia.

»Nicht nur die Rolle von Herodes, sondern alle Rollen des Werkes.«

»Sie können die Rolle von Herodes?« wiederholte Olympia, indem sie einen Schritt gegen Banniére machte.

»Zum Beweise,« sprach Banniére, den Arm ausstreckend und vorwärts schreitend, wie man dies damals tat. Zum Beweise gebe ich Ihnen hier den Eintritt von Herodes.«

Und er fing an zu deklamieren:

Eh quoi! Sohéme aussi semble éviter ma vue; Quelle horreur devant moi s'est partout répandue. Ciel! ne puis-je inspirer que la haine et l'effroi? Tous les coeurs des humanis sont ils fermés pour moi? 8

Erstaunt, umringten alle Schauspieler Banniére, der bis zum Ende der Szene gegangen wäre, hätten ihn Olympia nicht dadurch, daß sie ausgerufen: »Er kann es! er kann es!« und die Schauspieler durch Beifall klatschen unterbrochen.

»Nun!« rief der Redner, »das ist ein Glücksfall!«

»Mein lieber Herr,« sagte Olympia, »es ist kein Augenblick zu verlieren; legen Sie diesen abscheulichen Jesuitenrock ab, der Sie so hässlich macht, daß man Angst bekommt; ziehen Sie das Kostüm von Herodes an, und auf die Bühne, geschwinde, geschwinde!«

»Aber, Madame. . .«

»Sie haben den Beruf, mein Freund,« fuhr Olympia fort, »das ist Alles, was man braucht; das Übrige wird nachher kommen.«

»Abgesehen davon, daß Sie nie eine so gute Gelegenheit, zu debütieren, finden werden,« sprach der Redner.

»Vorwärts,« rief Olympia, »rasch eine Ankündigung, rasch die Kleider von Champmeslé. Schaut ihn doch an; er ist sehr hübsch, der Junge; das ist kein Kalbskopf wie Champmeslé.«

»Das ist einmal ein König des Orients! das ist eine Gestalt! das ist eine Stimme!«

»Oh! geschwinde, geschwinde!«

Banniére gab einen Schrei unsäglichen Schreckens von sich. Er fühlte, daß sich in diesem Augenblick das Geschick seines ganzen Lebens entschied. Er wollte widerstehen. Olympia nahm ihn bei seinen Händen. Er wollte sprechen, Olympia drückte ihm ihre rosigen Finger aus die Lippen. Betäubt, berauscht, verrückt, ließ er sich endlich durch die Ankleider fortführen, welche aus ihm in zehn Minuten einen König Herodes in der Loge von Champmeslé machten.

Und an der Thür dieser Loge trieb Olympia die Costumiers, die Friseurs an, unterstützte sie ihre Verführung durch neue Worte, trippelte unablässig und rief: »Vorwärts! Vorwärts!«

Stück um Stück entkleidet, sah Banniére sein Jesuitengewand in eine Ecke werfen, und nach zehn Minuten trat er aus seiner Loge, glänzend, strahlend, wirklich schön, verwandelt, herrlich wie die Königin, die ihn dadurch, daß sie ihn umarmte, vollends verführte.

Unterjocht, besiegt, gezähmt, sprach Banniére von diesem Augenblick an kein Wort mehr; er drückte seine beiden Hände auf sein in der Empörung Begriffenes Herz und ließ sich in die Kulissen führen, wohin er gerade kam, um folgende Ankündigung zu hören, die der Redner an das Publikum zu sprechen im Zuge war:

»Meine Herren, unser Kamerad Champmeslé, der im Verlaufe des Tages einige Zeichen von Unpässlichkeit gegeben hatte, ist von einer plötzlichen Erkältung befallen worden. Die Unpässlichkeit ist so ernst, daß wir ihn für uns und für das Theater verloren zu sehen befürchten mussten. Zum Glück will einer unserer Freunde, der die Rolle kann, die Güte haben, sie an seiner Stelle zu sprechen, damit das Schauspiel kein Hindernis erleide; da er aber nie aus einem Theater gespielt hat, und durchaus nicht auf dieses Debüt vorbereitet war, so nimmt er Ihre ganze Nachsicht in Anspruch.«

Glücklicher Weise für den Debütanten war Champmeslé beim Publikum nicht angebetet; der ganze Saal, der wohl gefühlt hatte, daß jenseits des Vorhangs etwas Außerordentliches vorging, brach auch in ein Beifall klatschen aus.

Dieses Klatschen dauerte noch fort, als, um den Enthusiasmus der Zuschauer nicht erkalten zu lassen, die drei Glockenzeichen ertönten, und es ging der Vorhang unter einer tiefen Stille und einer allgemeinen Erwartung aus.

Erklären wir nun, warum Fräulein Olympia von Clèves so hartnäckig an diesem Abend Herodes und Marianna spielen wollte.

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Wie! Soliemos scheint auch meinen Anblick zu meiden; welches Entsetzen hat sich überall vor mir verbreitet, Himmel! kann ich nur Hass und Schrecken einflößen! Haben sich aller Menschen Herzen vor mir verschlossen!

Olympia von Clèves

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