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Erstes bis viertes Bändchen
XVII.
Die Flucht

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Diese Worte waren für Banniére ein noch viel mächtigerer Stachel, als es die Ermahnung von Olympia gewesen.

In fünf Minuten hatte er seinen Anzug beendigt, und er war im Begriffe, triumphierend in das Zimmer von Olympia zurückzukehren, als er aus der Schwelle dieses Zimmers einen reizenden kleinen Cavalier erscheinen sah.

Banniére gab einen Schrei des Erstaunens von sich, denn erst mit dem zweiten Blicke erkannte er Olympia unter ihren Männerkleidern.

»Oh! wie schön sind Sie!« rief Banniére.

»Sie werden mir das später sagen, mein lieber Banniére, und ich werde Sie mit einem großen Vergnügen anhören, das gestehe ich Ihnen, denn die Äußerung, die Ihnen entschlüpfte, ist eine von denjenigen, deren eine Frau nie müde wird; doch für den Augenblick haben wir keine Zeit mit Komplimenten zu verlieren, kommen Sie.«

»Wohin?«

»Was weiß ich? wohin es dem Zufall uns zu führen gefällt.«

»Uns zu führen, sagen Sie? Sie kommen also mit mir?«

»Gewiss,« erwiderte Olympia.

»Sie lieben mich also?« fragte Banniére.

»Ich weiß nicht, ob ich Sie liebe, aber ich weiß, daß Sie weggehen, und daß ich weggehe. Sind Sie bereit?«

»Oh! ich bin es,« rief Banniére, »ich glaube wohl, daß ich es bin.«

»Dann kein Wort mehr,« sagte Olympia, »machen Sie es wie ich und folgen Sie mir.«

Sie ging an den Secretaire und öffnete ihn. Die zweitausend Louis d'or von Herrn von Mailly waren methodisch geordnet: tausend in Rollen, jede von hundert Louis d'or, tausend in Anweisungen aus den Inhaber.

»Nehmen Sie das Gold,« sagte Olympia, »ich nehme die Papiere.«

Und während Olympia wirklich ihre Taschen mit Papieren vollstopfte, stopfte Banniére die seinigen mit Gold voll.

»Ist es geschehen?« fragte Olympia.

»Ja,« antwortete Banniére.

»Nun nehmen Sie dieses.«

»Was ist das noch?«

»Mein Schmuckkästchen, ich empfehle es Ihnen.«

»Seien Sie ruhig, ich habe es: doch Sie, was suchen Sie?«

»Einen Ring.«

»Ach! ja,« murmelte Banniére seufzend, »den von Herrn von Mailly.«

»Ich glaube ihn auf dem Kamin gesehen zu haben.«

Banniére streckte die Hand aus, griff auf der Marmorplatte umher und sagte:

»Hier ist er.«

»Geben Sie,« versetzte Olympia; und sie steckte den Ring an ihren Finger.

»Hören Sie?« sagte Banniére.

»Oh! geschwinde, geschwinde,« rief Olympia, »die Thür weicht.«

»Und wir, was machen wir?«

»Machen wir es wie die Thür,« erwiderte Olympia mit einem anbetungswürdigen Lächeln.

Und sie nahm Banniére bei der Hand und zog ihn fort.

»Aber Sie bedenken nicht,« versetzte Banniére ängstlich, »wir gehen ihnen entgegen!«

»Lassen Sie mich machen,« antwortete Olympia. Er folgte also Olympia in einen nach der Treppe ausmündenden Korridor.

Auf diesen Korridor ging ein Kabinett, in das Olympia Banniére zuerst hineinschob und dann selbst eintrat.

Sie waren kaum in diesem Kabinett, als aus der Treppe die hastigen Schritte des Commissärs und der Schützen erschollen, welche, das ganze Haus aufweckend.

Claire und die andern Dienstboten Angstschreie ausstoßen machten.

Dann, als der Orkan, ohne anzuhalten, an der Thür des Kabinetts vorübergezogen war, öffnete Olympia in eben diesem Kabinett, nachdem sie die erste Thür mit Riegeln verschlossen, eine zweite Thür, welche auf eine kleine Treppe ging. Diese kleine Treppe führte zu einem schwarzen Gang und dieser schwarze Gang in einen Garten.

Sobald er nur die frische Lust fühlte, atmete Banniére behaglicher.

Die zwei Flüchtlinge schlüpften unter die Linden, erreichten eine äußere Thür und befanden sich auf einer verödeten, abschüssigen Gasse, durch welche Olympia rasch ihren Gefährten fortzog.

Beide liefen zu stark, um mit einander zu sprechen, da sie sich aber an den Händen hielten, so sprachen ihre Hände in Ermangelung des Mundes. Sie gingen immer weiter, von Gasse zu Gasse, von Platz zu Platz, von Kreuzweg zu Kreuzweg, bis zur Porte de l'Oulle, welche die ganze Nacht offen blieb.

Sobald sie aus dem Thore waren, befanden sie sich am Ufer des Flusses, der sich ihnen noch vielmehr durch seine Kühle verkündigte, als durch den perlmutternen Nester, den man glänzend durch die schwarzen Bäume der Promenade erblickte.,

Banniére eilte schon gegen die hölzerne Brücke: doch statt dem gegebenen Impulse zu folgen, zog Olympia ihren Gefährten nach rechts und fing an am steilen Rande hinabzusteigen, wie ein Schüler, der aus Beute ausgeht.

Banniére folgte ihr ohne Widerstand. Der arme Banniére! Sie hätte ihn an einem seidenen Faden bis in den siebenten Kreis der Hölle geführt.

Die jungen Leute machten so am Ufer der Rhone ungefähr hundert Schritte; dann ging Olympia gerade aus einen kleinen Nachen zu, dessen Schloß sie mit einem Schlüssel öffnete, welchen sie stiebend mitzunehmen besorgt gewesen war.

Banniére war bei ihr im Nachen.

»Können Sie rudern?« fragte sie den jungen Mann.

»Ja, zum Glück,« erwiderte Banniére. »Wenn wir eine Spazierfahrt machten, war ich es, der ruderte.«

»Gut,« sagte Olympia lakonisch. »Rudern Sie also.«

Banniére nahm ein Ruder mit jeder Hand und ging muthig ans Werk.

Das war eine harte Ausgabe. Die Rhone ist breit und reißend an der Stelle, wo unsere Flüchtlinge überzusetzen unternahmen, aber Banniére hatte die Wahrheit gesprochen; er war nicht nur stark und kräftig, sondern es fehlte ihm auch nicht an einer gewissen Geschicklichkeit in Handhabung des Ruders:

Schweigend, schnaufend, die Hände gerötet, vollbrachte er die Überfahrt, ohne daß er seinen Nachen zu sehr hatte abfallen lassen.

Nichts war hinter den Flüchtlingen erschienen, was vermuten ließ, sie werden verfolgt.

Am entgegengesetzten Ufer angelangt, band Olympia, welche während der Überfahrt als Lotse funktioniert hatte, die Kette an eines von den Stücken einer Batterie an, die sie kannte, ließ sich von Banniére die Hand geben, sprang auf das feste Land und lies in der Richtung von Villeneuve-les-Avignon fort.

Banniére lies neben ihr her, immer ohne zu fragen.

Die zwei Flüchtlinge hatten nicht nötig, bis zum Dorfe zu lausen, das man weiß in der Nacht auf dem Abhang des Hügels erblickte Olympia blieb zweihundert Schritte von den ersten Häusern, atemlos. erschöpft, aber immer lachend, vor einer halb von Weinranken bedeckten, malerischen Hütte stehen.

Banniére blieb bei ihr stehen.

»Klopfen Sie an diesen Laden,« sagte Olympia.

Banniére wusste nur zu gehorchen. Er klopfte, um die Wand einzustoßen.

»Rufen Sie: Vater Philemon!« fuhr Olympia fort.

Und Banniére schrie mit einer Stentorstimme:

»Vater Philemon!i«

Die Stimme eines Greises antwortete von innen.

»Stille! warten wir!« sagte Olympia.

Und sie setzte sich aus eine an der Wand befestigte hölzerne Bank.

Da vernahm man ein neues Geräusch im Innern des Hauses. Das war das Geräusch der schweren Tritte und der schleppenden Sandalen des Vaters Philemon.

Als sie dies hörte, klopfte Olympia dreimal sachte an den Laden.

»Oh! Sie sind es, Fräulein Olympia sagte die meckernde Stimme des Greises.

»Ja, ich bin es, Vater Philemon,« antwortete Olympia.

»Gut, ich werde öffnen.«

»Bemüht Euch nicht. Weckt nur Laurent und heißt ihn, ohne eine Minute zu verlieren, zwei Pferde satteln.«

»Und Sie?«

»Ich, ich warte hier.«

»Sehr wohl,« erwiderte der Greis.

Und die Sandalen kehrten schleppend nach dem Hintergrunde des Hauses zurück.

»Olympia! Olympia!« sagte Banniére, der erst zum zweiten Male atmete, seitdem die Schützen an die Thür geklopft hatten, »mein Gott! was widerfährt uns? und was für ein verborgener Gang ist es, durch den es uns aus dem Hause zu kommen gewogen ist?«

»Das ist die geheime Thür, mein lieber Banniére.«

»Diese Thür war also den Leuten unbekannt?«

»Ja, mit Ausnahme von Claire, mir und Herrn von Mailly.«

Banniére seufzte.

»Doch der Nachen im Fluss?«

«Dieser Nachen gehört zu dem kleinen Wirtshaus am Ufer, ein, das begreife ich, den Novizen wenig bekannter Ort, wohlbekannt ober den Verliebten, welche dort unter den Lauben zu Mittag speisen und nach dem Essen den Nachen losbinden, um nach den Inseln zu fahren.«

»Sie fuhren also nach den Inseln?« versetzte der Noviz. dessen Herz bei jeder Offenbarung von Olympia mehr anschwoll.

»Ja, Herr von Mailly liebte diese Promenade ungemein,« antwortete ruhig die junge Frau.

»Und der Vater Philemon.« sagte Banniére ganz betrübt, »ist es unbescheiden, Sie zu fragen, wie es sich mit dem Vater Philemon verhält?«

»Nein, ganz und gar nicht! der Vater Philemon, das ist ein alter Diener von Herrn von Mailly, dem sein Herr die hübsche Hütte hier, zwei Morgen Weinland und zwei Pferde gegeben hat, welche wir von Zeit zu Zeit zu unsern Spazierritten benützen, und die wir heute für unsere Flucht benützen werden.«

Banniére seufzte abermals und tiefer als je.

»Nun?« fragte Olympia.

»Nun!« erwiderte Banniére, indem er schwermütig seine Ärmel anschaute, »ich weiß wohl, daß ich deshalb nicht seufzen sollte, da Alles, was ich habe, bis auf meine Kleider, diesem Herrn genommen ist.«

Und indem er diese Worte sprach, sah Banniére Olympia an, als wollte er zu ihr sagen; Alles, Alles, bis auf meine Kleider, bis aus Sie.

Olympia faltete ihre Stirne, als wollte sie in ihren eigenen Geiste eine Furche graben, der gleich, welche die Eifersucht so schmerzlich in das Herz des Novizen grub.

Aber Banniére, als er diese Wolke aus ihrer Stirne feststehen sah, ließ ihr nicht Zeit zum Nachdenken, warf sich ihr zu Füßen und rief mit. einer wirklichen Begeisterung:

»Wohl an! Olympia, was auch geschehen mag, empfangen Sie den Schwur, den ich Ihnen leiste. Sie haben für mich Alles geopfert, mein Leben gehört Ihnen. Wenn Sie mich lieben, was Ich in der Tat nicht zu glauben wage, denn durch welche Mittel hätte ich Ihnen gefallen können? wenn Sie mich lieben, ich, ich bete Sie an. Wenn Sie mich nicht mehr lieben werden, und dieser Tag ist gewiß der unglücklichste meines Lebens, werden Sie nichtsdestoweniger für mich eine Gottheit, die Königin meiner ganzen Existenz sein. Sie haben mich von unten heraufgezogen, Sie haben mich bis zu Ihnen erhoben. Ich werde Ihrer würdig sein, und Sie werden es nicht bereuen, das schwöre ich Ihnen, einen armen Novizen gegen einen schönen, eleganten Edelmann vertauscht zu haben.«

»Der mich verlassen hatte,« sagte zärtlich und großmütig Olympia, indem sie Banniére Ihre Hand zum Küssen reichte. »Seien Sie also unbesorgt,« fuhr die junge Frau fort, »und halten Sie sich in der Zukunft nur für gebunden durch Ihre Liebe. Sie sind ohne Verpflichtung gegen mich, und an dem Tage, wo Sie mich, wie Herr von Mailly, nicht mehr lieben, werden Sie, wie Herr von Mailly, frei sein. Hören Sie wohl, mein teurer Banniére: Sie haben mir gefallen, ich glaube, daß ich Sie liebe, ich hoffe, daß ich Sie lieben werde. Würde Herr von Mailly mein Gebieter geblieben sein, so wären Sie nie etwas für mich gewesen. Nun bin ich frei. Lieben Sie mich, wenn Sie wollen, lieben Sie mich so sehr, als Sie wollen, das wird nichts an der Sache verderben. Ich halte Sie für einen jungen Mann von Geist und Herz und nehme Sie als einen solchen. Alles, was Sie von den Menschen, den Dingen und der Welt nicht wissen, werden Sie lernen. Seien Sie ruhig, das sind Sachen, die man schnell lernt. Sind Sie, Wenn Sie unterrichtet sein werden, noch nicht besser als heute, so werde Ich mich getäuscht haben, ich werde einen Fehler begangen haben. Die Strafe wird mich treffen. Das ist abgemacht. Sprechen wir nicht mehr von diesen Erbärmlichkeiten. Das Leben von zwei Liebenden muss erst von dem Tage ansangen, wo sie sich kennen gelernt haben, vorher existierten sie nicht, da sie sich nicht kannten. Die Vergangenheit ist also das Nichts. Sehen Sie, der Tag kommt glänzend und mild: dieser Tag wird der erste von unserem Leben der Liebe sein. Alles Übrige ist, wie man im Theater sagt, in die Ferne gerückt. Heben wir den Vorhang des Hintergrundes nicht aus; hinter diesem Vorhang verbirgt man die zerbrochenen Kulissen und die alten Nebensachen. Hören Sie das Stampfen der Pferde? Sie sind im Hofe bereit. Geben Sie mir Ihre Hand und schauen Sie mich an. Gut, Sie lieben mich. Wenn Sie mich nicht mehr lieben, werden Sie nicht nötig haben, es mir zu sagen.«

Banniére warf sich vor der schönen Olympia aus die Knie, küßte eine Million mal ihre Füße und ihre Hände, und der Vater Philemon, der seinen Laden öffnete, bot im Nachtgewand eines Landmanns Olympia mit einem gastfreundlichen Lächeln ein Glas Cahors-Wein und ein Stück Kuchen.

Dann erwies er Banniére, der ihn schüchtern anschaute, dieselbe Artigkeit, abgesehen von der Größe des Glases und der Breite des Kuchens.

Olympia verlangte von Banniére eine von den Rollen, mit denen seine Taschen gefüllt waren, brach sie an, legte einen Doppel-Louis d'or in die Hand des Vater Philemon, einen Louis d'or in die von Laurent, schwang sich mutig auf ihr Ross, während Banniére schüchtern das seinige bestieg, und vollkommen unterrichtet, schlugen Beide den Weg ein, der sich am rechten Ufer der Rhone hinauszieht und nach Roquemauré führt, nachdem sie mit Vater Philemon das Wirtshaus bestimmt hatten, wo man die Pferde zurücklassen würde.

Und während sie aus den schönen Wegen galoppieren, aus denen der Sommer Staubbäche zu machen noch nicht Zeit gehabt hat, – schöne Wege, ganz eingefasst von Böschungen mit Rasen bewachsen, von Ölbäumen mit silbernem Blätterwerk und grünen Gärten, – während sie freudig, mit flatternden Haaren, die Lust des Morgens und der Freiheit trinkend, gegen die unbekannte Zukunft rennen, welche unablässig wie ein Gespenst verschwindend flieht, werden wir durch einige Zeilen heuchlerischen Mitleids zu den armen Schützen und dem unglücklichen Commissär zurückkehren, welche um die Wette Kabinetts, Bittgänge und Schränke durchsuchten, welche Treppen, Keller, Speicher, Ställe durchsuchten, welche Höfe, Gärten, Schoppen durchsuchten, und am Ende, aber zum Glück eine Stunde zu spät, die geheime Thür fanden, ein Fund, der sie Schreie der Wut, Verwünschungen und Schwüre ausstoßen machte, um selbst bei den Jesuiten Ärgernis zu bereiten, zu deren Vorteil sie dieses traurige Geschäft, das ihnen so schlecht gelang, unternommen hatten.

Es ist beinahe überflüssig, beizufügen, daß der Gouverneur, als er diesen Unstern des Pater Mordon erfuhr, wieder auf das Herzlichste lachte.

Er war ein Mann von einem reizenden Charakter, der Gouverneur der guten römisch-katholisch-apostolischen Stadt Avignon.

Olympia von Clèves

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