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Erstes bis viertes Bändchen
XXIV.
Die Serenade
ОглавлениеBesser zu Rathe gehalten, währten die zwanzig Louis d'or von Banniére, oder vielmehr von seinem Freunde, diesmal vier Stunden.
Nach Verlauf von vier Stunden, nachdem er zwanzigmal beinahe die hunderttausend Livres gewonnen gehabt hätte, auf die er sein Trachten zu beschränken genötigt war, hatte Banniére die zwanzig Louis d'or verloren.
Er ging wütend weg.
Diese Wut werden wir nicht zu schildern versuchen: sie verdoppelte sich durch alle Leiden der Eitelkeit.
Schon verspottet, schon gedemütigt, schon begnadigt wegen eines ähnlichen Verbrechens, kehrte er mit der Scham eines Spitzbuben zurück, nachdem er geschworen, kein Dieb mehr zu sein.
Die Verzweiflung bemächtigte sich seiner. Als er über eine Brücke kam, hatte er fast Lust, sich zu ertränken.
Doch um sich zu ertränken, war Banniére noch zu sehr verliebt. Bei Banniére beherrschte die Liebe alle Gefühle. Was ist die Ehre für einen Wahnsinnigen?
Banniére ertränkte sich also nicht und kehrte mit langsamen Schritten zu Olympia zurück.
»Arme Frau,« sagte er zu sich selbst, »ich bin der Einzige, der bei ihrem Triumphe gefehlt haben wird; ich bin der Einzige, der sie nicht beklatscht, nicht beglückwünscht haben wird. Sie erwartet mich wie das letzte Mal, sie wird mich Ausschelten, doch ich werde mich unter ihrem Schelten beugen; ich werde mich zu ihren Füßen legen, und sie wird mir abermals verzeihen. Sie wird wohl sehen, daß ich verflucht bin. Und dann, fortan keine Versuche mehr, um aus unserer Not herauszukommen! Nein, sie gelingen zu schlecht. Olympia zeigt mir den Weg: sie arbeitet; ich werde ihr nachahmen. Dieses Glück, das wir verfolgen, und das uns flieht, wird vielleicht kommen, wenn wir es nicht mehr suchen.«
Und er fuhr mit einer eiskalten Hand über seine brennende Stirne.
»Tausend Livres!« rief er; »zwei von unseren Monaten in vier Stunden verbraucht! Oh! diesmal wird mich Olympia wenigstens nicht beschuldigen, ich habe sie zu Grunde gerichtet; denn von den hundert Louis d'or, zu welchen die Einnahme versichert war, habe ich nur zwanzig genommen. Allerdings bin ich zwanzig andere schuldig. Bah! diese zwanzig gebe ich von meinem ersten Gewinn zurück. Man kann nicht immer verlieren.«
Man sieht, in weniger als zehn Minuten schwur Banniére, nicht mehr zu spielen, und gelobte sich, das Geld, das er geborgt hatte, von seinen Spielgewinnen zurückzubezahlen.
Während Banniére diese Gedanken in seinem Geiste hin und her wälzte, ging er immer weiter nach seiner Wohnung.
Die Nacht war finster: es schlug ein Uhr im Carmeliter-Kloster, dessen Thürme die Aussicht vom Balkon von Olympia begrenzten.
Als die letzten Klänge des Erzes in der Luft verstummt waren, horchte Banniére noch fortwährend.
Es kam ihm vor, als folgte ein anderer Ton, welcher nicht der der Glocken war, auf diesen.
Banniére blieb nicht lange im Zweifel.
Es war der Schall von Instrumenten, mit dem sich eine ziemlich harmonische Stimme vermischte.
Banniére hörte die ganze Symphonie, als er in seine Straße gelangte.
Als er die Symphonie gehört hatte, suchte er die Symphonisten.
Sie hatten sich unter den Fenstern des Schlafzimmers von Olympia ausgestellt.
Banniére liebte in diesem Augenblick nicht viel in der Welt, und die Musik noch weniger als das Übrige. Nichts konnte in der Tat seine Nerven unangenehmer reizen, als der schmerzliche und zugleich süßliche Ausdruck der Flöten und der Geigen, welche die Gitarre des Hauptmusikers begleiteten.
Diese Gitarre selbst begleitete die Stimme, welche Banniére beim Eintritt in die Straße bemerkt hatte, eine Stimme, die er schon irgendwo gehört zu haben glaubte. Als er näher kam, erkannte er wirklich im Gitarristen, Sänger und zugleich Orchesterches, als Kavalier gekleidet, den Abbé d'Hoirac, der eine schmachtende Miene angenommen hatte, schmachtende Stellungen affektierte und seinen Hals gegen den Balkon drehte.
Die Arie war lang, schwierig, und, es ist nicht zu leugnen, der Abbé sang sie sehr gut.
Hinter ihrer halb aufgehobenen Jalousie erschien, leicht erkennbar, da sie sich nicht zu verbergen suchte. Olympia, weiß gekleidet, und obgleich Banniére den Ausdruck ihres Gesichts nicht zu unterscheiden vermochte, bezweifelte er doch nicht, sie müsse lächeln.
Die Einbildungskraft und besonders eine eifersüchtige Einbildungskraft ist so mächtig, daß Banniére dieses Lächeln durch die Jalousie sah.
Die Wut drang so rasch in sein Herz ein, als die Harmonie in seine Ohren.
Das schwierige Stück endigte gerade mit den Worten:
Belle Philis, dis moi: Je t'aime!
Et je n'ai plus rien a chauter. 11
Der Abbé d'Hoirac, nachdem er, wie es bei jedem Finale der Gebrauch ist, die zwei letzten Verse ein Dutzend Mal wiederholt hatte, hielt inne und schloß mit einem Orgelpunkte, der Banniére vollends in Verzweiflung brachte.
Er stürzte auf d'Hoirac los und rief mit einer Donnerstimme:
»Ah! Sie haben nichts mehr zu singen! nun, so tanzen Sie!«
Wonach er ihn an der Gurgel packte.
Der Abbé sah nichts und hatte überdies den Nachtheil, daß er überfallen wurde, was ihn indessen, denn er war mutig, nicht abhielt, sich mit seiner Gitarre gegen diesen Feind der Musik zu verteidigen, der so aus dem Boden hervorkam.
Die Symphonisten wollten ihrem Ches Hilfe leisten, allein Banniére hatte hundert Arme wie Briareus; er zerbrach zwei bis drei Geigen, verdrehte fünf bis sechs Flöten, was auf der Stelle alle Musiker in die Flucht schlug, denn im Allgemeinen fürchtet ein Musiker mehr für sein Instrument, als für seine Haut.
Am Geschrei von Olympia erkannte der Abbé am Ende Banniére. Er griff ihn mutig mit Gitarrenstreichen an, denn der Abbé war reich genug, um nicht für sein Instrument zu fürchten; doch Banniére entriss die Gitarre seinen Händen und schlug sie ihm aus seinem Kopf entzwei.
»Sie sind sehr glücklich, daß ich keinen Degen habe,« sagte der Abbé, als er den Schlag empfing.
»Oh! daran soll es nicht fehlen,« erwiderte Banniére, »Sie können in zehn Minuten einen haben.«
»Dreifacher Dummkopf!« sagte der Abbé, »dreifacher Tölpel! Sie wissen wohl, daß ich mich nicht mit, Ihnen schlagen werde.«
»Und warum nicht?« brüllte Banniére, »sprechen Sie.«
»Einmal, weil ich Sie tödten würde, so kurzsichtig ich bin, da Sie nie einen Degen geführt haben.«
»Wer hat Ihnen das gesagt?«
»Wahrhaftig! das sieht man an Ihren bäurischen Manieren; und dann, Sie wissen wohl, daß ich Abbé bin, und daß ich folglich nicht das Recht habe, das Kleid zu tragen, unter welchem Sie mich beleidigen, so daß ich, wenn ich Sie tödten oder mir aus eine andere Art Gerechtigkeit verschaffen würde, einer doppelten Verurteilung durch die bürgerliche Behörde und durch die kirchliche Behörde ausgesetzt wäre. In dieser Hinsicht also, Herr Bursche, haben Sie als ein Ungezogener und Feiger gehandelt. Doch seien Sie unbesorgt, ich werde Sie wieder erwischen.«
Banniére sah sein Unrecht ein, und die Drohung fürchtend, so leer sie war, ließ er den Abbé los, wonach dieser entfloh.
Die wenigen Fenster, welche die Häuser gegen die Straße hatten, waren auf den Lärmen, den Banniére gemacht, geöffnet worden. Man zündete Lichter an, man schrie, man schmähte.
Das roch nach Scharwache und Gefängnis.
Man sah in der Tat, aus der in der Ecke der Carmeliter-Kirche angehäuften Finsternis hervorkommend, das Lederwerk der Schützen erscheinen, und Banniére hatte nur noch Zeit, in sein Haus durch die Thür zu schlüpfen, die ihm Olympia ganz erschrocken offen hielt.
Die Scharwache kam nach ihrer merkwürdigen Gewohnheit um zehn Minuten zu spät; sie fand daher auf dem Schlachtfelde nur Geigenstücke, Flötentrümmer und den Hals einer Gitarre. Die ehrenwerten Militäre verwickelten sich in die Darmsaiten, fluchten, und dabei blieb die Sache.
Aber sobald er gerettet, war Banniére nur um so wütender.
Er, der zehn Minuten vorher ein Mittel suchte, um Olympia zu besänftigen, hatte das Mittel gefunden, sie anzuklagen.
Er nahm, als er in seiner Wohnung war, die majestätische Stellung an, die er annehmen konnte, kreuzte die Arme und begann zu verhören.
Olympia, die sich Anfangs zärtlich erkundigt hatte, ob er verwundet sei, wandte ihm, plötzlich in dem Interesse gehemmt, das sie diesem Besessenen bezeigte, den Rücken zu, sobald er den Händelsucher machen wollte.
Banniére ärgerte sich über dieses verächtliche Stillschweigen noch viel mehr, als er sich über eine hitzige Antwort geärgert hätte. Er lief Olympia, die wieder in ihr Zimmer ging, nach und hielt sie ungeschlacht am Arm zurück.
Die junge Frau erbleichte zugleich vor Schmerz und vor Scham und stieß einen Schrei wie eine verwundete Löwin aus, worauf ihre drei Dienerinnen herbeiliefen.
Banniére hätte sein Leben gegeben, um diese drei schwachen, Geschöpfe zu zermalmen, welche vor ihm standen und seiner Wut Trotz bieten zu wollen schienen.
Nach dem Schrei von Olympia trat auf allen Seiten tiefes Stillschweigen ein.
Unter diesem Stillschweigen schlug Olympia den Aermel ihres Nachtgewandes zurück, und man sah über dem Ellenbogen das bläulich rote Mahl von den Fingern von Banniére.
Die Coiffeuse stürzte sich weinend aus den schönen gequetschten Arm, bedeckte ihn mit Küssen und ergoss sich in Verwünschungen gegen Banniére.
Von Schmerz, Gewissensbissen und Schrecken ergriffen, verschwand Banniére in seinem Zimmer.
Bis am andern Morgen um zehn Uhr herrschte die tiefste Stille im Hause.
Um zehn Uhr klingelte Olympia Claire, und diese eilte in Begleitung der Coiffeuse herbei.
Die Coiffeuse hatte wohl das Haus nach der von uns beschriebenen Szene verlassen, aber sie war am Morgen zurückgekommen.
Claire erhielt den Befehl, das Frühstück bereiten zu lassen.
Die Coiffeuse blieb allein bei ihrer Gebieterin, die sie fragte, was er gemacht habe.
»Oh!« antwortete die Coiffeuse, »er ist schon am frühen Morgen weggegangen.«
Olympia fand, die Antwort der Coiffeuse sei von einer seltsamen Betonung begleitet gewesen, sie habe einen sonderbaren Nachdruck aus dieses er gelegt, und sie dachte vielleicht, dieses er zeige – anzeigendes Fürwort geworden – nicht genug an.
»Von wem sprechen Sie?« fragte Olympia trocken, »und wen bezeichnen Sie mit dem er?«
Die Coiffeuse begriff, daß sie einen falschen Weg einschlug, und daß der Abbé d'Hoirac noch nicht beim er war.
»Ich wollte sagen, der Herr sei ausgegangen,« erwiderte demütig die Coiffeuse, »Aber,« fuhr diese Frau sich belebend fort, »Madame ist bei ihrer Schönheit, bei ihrem Talent, bei ihren Triumphen sehr gut, daß sie sich so unglücklich macht.«
»Wer sagt Ihnen, Ich sei unglücklich, meine Beste?« fragte verächtlich Olympia.
»Ei! Madame, sieht man es nicht?«
»Woran?«
»Daran, daß Sie die ganze Nacht geweint haben.«
»Sie irren sich.«
»Ihre Augen sind halb erloschen, – Augen, welche von der ganzen Stadt bewundert werden.«
Olympia zuckte die Achseln.
»Sie Zweifeln daran, Madame?« fuhr die Versucherin fort.
Olympia antwortete nicht einmal mehr durch eine Gebärde.
»Erfahren Sie also,« sagte die Coiffeuse, »daß es Leute gibt, welche sich tödten ließen, um einen Blick von diesen Augen zu erhalten, denen Sie zu misstrauen scheinen.«
»Oh!« murmelte Olympia, so ausgezeichnet sie war, durch die Schmeichelei oder vielmehr durch das Lob gekitzelt, »oh! ich glaube wenig an an so viel Macht. . .«
Das Lob ist wie der Wohlgeruch; von welcher Seite es kommt, die Frau fühlt es und schätzt es.
»Wenn Sie es versuchen wollten, Sie würden nicht lange daran Zweifeln.«
»Was versuchen?«
»Oh! Madame, überlegen Sie ein wenig; ist es Ihrer würdig, würdig einer Künstlerin von Ihrem Verdienste, einer Frau von Ihrer Schönheit, sich in der Sänfte in das Theater zu begeben, in diesem abgelegenen Quartier zu wohnen, keine Diamanten mehr zu haben, und auf den Tag nach einer Benefize-Vorstellung zu warten, um drei Kleider zu kaufen?«
»Das geht Sie nichts an, meine Werte.«
»So ist es,« rief die Coiffeuse weinend, »machen Sie mir ein Verbrechen daraus, daß ich Sie liebe, und nicht diejenigen liebe, welche sich Ihrem Glücke widersetzen.«
Ach verbiete Ihnen, von diesen Schlimmes zu sagen, hören Sie?«
»Verbieten Sie denselben doch, Ihren schönen Körper zu schwärzen, verbieten Sie denselben, Ihnen Ihr Geld zu stehlen, nicht um es zu verspielen, das wäre nichts, sondern um es, wer weiß mit wem, zu vergeuden.«
Olympia richtete den Kopf auf und fragte:
«Wer belehrt Sie so gut?«
»Wohlunterrichtete Leute, darüber seien Sie unbesorgt, Madame.«
»Nicht wahr, diejenigen, welche ihr Leben geben würden, um einen von meinen Blicken zu erhalten?«
»Und die überdies, was noch solider und folglich noch seltener zu finden ist, Madame, monatlich zehn tausend Livres geben würden, um Sie in Behauptung Ihres Ranges zu unterstützen.«
»Zehntausend Livres monatlich,« versetzte Olympia, ihren Ekel verhehlend; »Sie haben mir also Anträge zu machen?«
»Offizielle, ja, Madame,« erwiderte die Coiffeuse, kühn gemacht durch das, was sie für den Anfang einer Kapitulation hielt; »ja, hundert und zwanzig tausend Livres jährlich, und dies zahlbar vierteljährlich; das erste Vierteljahr liegt bereit, ich habe es gesehen.«
Olympia stand auf, zog ihre schönen Haare aus den Händen der Coiffeuse und sagte zu ihr:
»Mademoiselle, man hat Sie mit einem zu zarten und zu wichtigen Austrage betraut, als daß man Ihnen nicht eine schöne Belohnung versprochen haben sollte. Holen Sie dieselbe, ich bitte Sie, und zwar ohne eine Minute zu verlieren. Gehen Siel«
»Wie?« rief die Coiffeuse erstaunt.
»Ich denke, Sie begreifen mich wohl?«
»Nein.«
»Ich sage Ihnen, Sie sollen mein Haus verlassen, Mademoiselle, und keinen Fuß mehr in dasselbe setzen.«
»Aber, Madame,« erwiderte die Dienstfertige mit leiser Stimme, »der Herr ist nicht dort verborgen, der Herr ist ausgegangen.«
»Ah! ja, Sie können nicht begreifen, daß man im Ernste hundert und zwanzig tausend Livres vierteljährlich zahlbar ausschlägt,« sagte Olympia schwermütig. »Für wen halten Sie mich, wenn ich fragen darf?«
»Aber, Madame, wie mir Claire gesagt hat, empfingen Sie doch von Herrn von Mailly. . .«
»Was ich von ihm forderte, Mademoiselle, und ich forderte viel von Herrn von Mailly, weil ich ihn sehr liebe. Und ich schlage viel aus, um Herrn von Banniére zu behalten, weil ich Herrn von Banniére sehr liebe. Lassen Sie sich das gesagt sein, Mademoiselle, und gehen Sie aus meinem Hause.«
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Schöne Philis, sage mir: »Ich liebe dich!« und ich habe nichts mehr zu fingen.