Читать книгу Olympia von Clèves - Александр Дюма - Страница 20

Erstes bis viertes Bändchen
XX
Eine neue Person erscheint am Horizont

Оглавление

Leider ist das Glück eine von den Gottheiten von wunderlicher Laune und unbeständigem Charakter, deren Flügel zu binden kein Sterblicher sich schmeicheln kann.

Eine problematische Operation, die kein Eroberer, Cäsar ausgenommen, in Betreff des Sieges zu vollführen gewusst hat.

Es geschah aber, daß Olympia debütierte;

Daß sie glücklich debütierte, und zwar in einem Stücke von einem unbekannten Verfasser;

Daß sie großes Aussehen bei diesem Debüt erregte, und daß dieses Aufsehen die Leute ins Theater führte;

Daß das Theater, da die Menge dasselbe besuchte, reichliche Einnahmen machte.

Es geschah endlich, daß Herr und Frau von Banniére, so nannte man sie, auf die Lyoner den günstigsten Eindruck hervorbrachten.

Sie wurden also berühmt, während sie vorher nur glücklich waren.

Doch ihre Berühmtheit veranlasste sie natürlich, viel mehr Geld auszugeben, als sie vorher ausgegeben hatten.

Man musste empfangen, man musste einen äußern Aufwand machen, während bis dahin das Leben gleichsam vermauert gewesen war.

Es kam das Ende der Louis d'or. Die Einnahmen gingen mit ziemlich großer Mühe aus der Börse der Gesellschaft in die von Herrn und Frau von Banniére über.

Am Ende jedes Monats gab es endlose Streitigkeiten. Nach der Behauptung der Gesellschafter war das Engagement von Olympia und Banniére lästig für die Truppe.

Abgesehen von diesen kleinen Schwierigkeiten gingen die Dinge ihren Weg. Am Ende jedes Monats musste nur Banniére die Zähne zeigen, und die Männer bezahlten, weil sie Solid waren, und die Weiber bezahlten, weil sie weiß waren.

Es geschah aber, daß der König um diese Zeit erkrankte; daß seine Krankheit einen empfindlichen Schlag in allen Teilen Frankreichs versetzte; daß bei dieser Nachricht überall die Lustbarkeiten einen Stillstand nahmen und daß die Theater, die vorzugsweise Lustbarkeit, je mehr die Kirchen besucht wurden, desto mehr verlassen waren.

Die Dinge schleppten sich so ein paar Monate hin; dann, nach einem Todeskampfe des Elends, machte die Gruppe Bankrott.

Der Gesellschaftsvertrag wurde sogleich zerrissen.

Als die Theater mit der Genesung des Königs wieder einige Kräfte gewonnen hatten, diktierten, die Gesellschafter, welche Herren der Stellung geworden, nun Olympia und Banniére Bedingungen, die sie eingehen mussten.

Man eröffnete auf's Neue.

Olympia hatte wieder die Gewohnheit angenommen, zu spielen, und sie war zum Theater mit dem Eifer zurückgekehrt, mit dem bei ihrer Arbeit die ächten Künstler zu Werke gehen. Banniére seinerseits hatte an den Bravos angebissen, und so hohl dieses Fleisch war, – im Vergleiche mit den seinen Braten, welche den Geruchssinn des Unternehmers am Tage seines ersten Besuches bei Olympia in Anspruch genommen hatten, er verschlang es. Eher, als nicht zu spielen, spielten sie auf Teilung, denn sie schämten sich des Gehaltes, den die Gesellschaft, eine freie Gemeinde, in ihrer unparteiischen Gerechtigkeit, in gleichen Proportionen dem außer der Linie stehenden Künstler und dem gemeinen herumziehenden Komödianten bewilligte.

Der Mangel trat mit verschleiertem Gesicht und unsicherem Fuße in die Haushaltung von Banniére ein.

An den Tagen, wo Olympia nicht spielte, wo Banniére nicht spielte, entschädigten sich die zwei Liebenden mit der Liebe.

Banniére bemerkte aber die Entbehrungen, die sich Olympia auferlegte; für sie, die an den Luxus gewöhnt, war der Mangel ein wahres Unglück. Er, sah ihre Augen sich schwarz umkreisen, ihren Mund erbleichen, ihre Hände kraftlos an ihren Seiten niederfallen.

Er hatte, wie es Olympia Banniére vorhergesagt, rasch gelebt und viel in kurzer Zeit gelernt. Er hatte in einem Jahre die Umschiffung des Lebens vollbracht. Er wusste, was die Freude in einem Herzen wiegt, und wusste besonders, wie viel Freuden ein einziger Schmerz verwelken machen kann.

Dann, von Zeit zu Zeit, biss die Eifersucht, eine Eifersucht, welche nichts motivierte, aber bekanntlich sind die erschrecklichsten eifersüchtigen diejenigen, welche keinen Grund haben, es zu sein; dann, von Zeit zu Zeit, sagen wir, biss die Eifersucht an einem kleinen Winkel des Herzens von Banniére an.

Dies geschah, wenn Olympia aus der Bühne Bravos und verschiedenartiges Zulächeln ein erntete. Er war zuweilen während dieser Zeit unbeschäftigt in den Kulissen; er zählte sodann die Galans, welche um die Schöne her ihre Thaler und ihre Versprechungen klingen ließen.

Dann zitterte er, es könnte sich unter allen diesen Federhüten, welche unablässig von den Vorbühnen zu den Bühnen umherschweiften, ein Herr von Mailly mit seinen Rollen allenthalben, seinen Bedienten allenthalben, seinen Häusern allenthalben, seinen Pferden und seiner Liebe allenthalben finden. . . .

Sollte Banniére je ein solches Unglück begegnen, was würde aus ihm werden, aus ihm, einem aufgedunsenen Atom, einem durch das Mikroskop der Seele, das man die Liebe nennt, vergrößerten Nichts?

Oft, während die anbetungswürdige und angebetete Frau sich unter den Blumen und den Bravos neigte, fragte sich Banniére, wie es allen diesen Leuten, welche um sie her prunkten, gelungen sei, reicher zu werden, als er.

Er erinnerte sich, irgendwo die Maxime gelesen zu haben, die, obgleich schlecht, nichtsdestoweniger verlockend ist:

»Diejenigen, welche die Vorsehung vergißt, sind berechtigt, das Glück zu versuchen; wer Gott nicht für sich hat, wäre sehr dumm, wenn er sich nicht den Teufel zum Freunde machen würde.«

Er erinnerte sich einer ganzen Philosophie, die er sich in den düsteren Tagen seines Noviciats gemacht, einer ganzen Willkürtheorie, die er sich in den wolkigen Tagen des Theaters gemacht hatte. /

Er sagte sich, unter der Bedingung, daß ein Mensch über seine Haut verfüge, sei dieser Mensch so viel wert als ein anderer Mensch; diese Haut sei ein Einsatz wie ein anderer; sei ein Louis d'or vorhanden, so könne es ein Mensch wagen, diesen Louis d'or zu verlieren, entschlossen, mit seiner Haut, wenn er ihn verlierenden zweiten Louis d'or zu bezahlen, den er nicht habe, um den ersten Louis d'or wieder zu erwischen, den er nicht mehr habe.

Banniére nahm also den einzigen Louisd'or, der noch im Hause war, und ging weg, um damit zu spielen.

Er gewann, wie die Neulinge immer gewinnen. Eines von den Axiomen, das Banniére nicht kannte, weil dieses vielleicht der Wahrheit entsprach, ist, daß der Teufel nur für die Neulinge Versuchungen hat.

Mit seinem Louis d'or gewann Banniére fünfzig Louis d'or, und Olympia fand sie zu ihrem Erstaunen, als sie vom Theater zurückkam, in der Schublade ihrer Kommode an der Stelle des einzigen Louis d'or, den sie zurückgelassen, und den sie nicht wieder zu sehen hoffte, da sie Claire gesagt hatte, sie möge ihn nehmen, um ihre Ausgaben am folgenden und am zweiten Tage damit zu bestreiten.

Man begreift, daß ein solches Debüt Banniére anlockte. So lange indessen die fünfzig Louis d'or währten und er nicht durchaus zu spielen nötig hatte, spielte er nicht; allerdings ging ihm das Spiel, obgleich er von der Akademie abwesend, unablässig im Kopfe herum: aus der Szene hörte er das Klingen des Goldes, und er wandte sich um oder ließ sein Stichwort aus der Acht. Zwei Leidenschaften können nicht bequem im Herzen eines Menschen leben, die eine muss die andere verzehren. Das Spiel verzehrte das Theater. Banniére wurde ausgezischt und ging, um sich zu trösten, in die Akademie.

Drei Monate genügten, um aus Banniére einen Pfeiler des Spielhauses zu machen.

Olympia fuhr Indessen fort, für ihre Gesellschaftsmitglieder zu arbeiten; sie arbeitete für die Bedienten, sie arbeitete für die Bonvivants, für die zärtlichen Väter, die sich Wein und Holz um den Preis ihrer Arbeit kauften; sie arbeitete für die Catalane, welche, abgesehen von ihren Profitchen außer dem Theater, durch Olympia zweihundert Livres monatlich einsteckte, was ihre Toilette ausfüllte.

Olympia leerte im Gegenteil die ihrige. Was Wohlhabenheit für die Catalane war, war Mittelmäßigkeit für Fräulein von Clèves. Das Äußere hatte nicht aufgehört, komfortabel zu sein, aber der wirkliche Überfluss war aus dem Hause verschwunden. Olympia sagte sich mit Recht, der höchste Grad der Not sei die Verlassenheit, und sie rief Leute in dieses Haus, das mit dem Tode rang, damit das Geräusch der Leute das Elend entfliehen mache.

Sie rief Leute, weil sie Banniére sich entfernen sah, weil sie sich allein fühlte, und weil Leute zurückrufen Banniére zurückrufen hieß.

Sie hoffte, Banniére werde eifersüchtig sein, und nachdem der Spieler den Künstler getödtet, werde der Liebhaber den Spieler tödten.

Der Kampf war ernst und der Sieg Zweifelhaft. Banniére war ein Spieler von Profession geworden; er brachte zu der Ausübung dieses Gewerbes Alles, was ein vernünftiger Mensch an Kunst zum Gelingen von Allem anwendet, was er unternimmt; er gewann, allerdings nicht mehr, als ein Anderer gewonnen hatte, aber er verlor weniger.

Olympia war auch eifersüchtig gewesen. Für Banniére war das Spiel vielleicht nur ein Vorwand, um die Liebe zu verdecken. Sie rief Mademoiselle Claire und ließ sich den Cavalieranzug bringen, in dem sie so reizend mit Banniére geflohen war. Sie kleidete sich traurig und beinahe sich dessen, was sie tat, schämend wieder darein und folgte ihrem Liebhaber.

Banniére ging wirklich zum Spiele.

Olympia zögerte einen Augenblick, ihm dahin zu folgen; dann fasste sie ihren Entschluss und stürzte sich hinter ihm in diese Hölle.

Nachdem sie eine halbe Stunde lang, in einer Fenstervertiefung verborgen, gesehen hatte, was das Spiel ist, entfloh sie bleich und verwirrt.

Als Banniére zurückkam, nahm sie ihn auch, statt ihn mit der kalten Miene der vorhergehenden Tage zu empfangen, bei der Hand, ließ Ihn zu ihren Füßen sitzen und sagte zu ihm, schmeichelnd wie eine Geliebte, überredend wie eine Mutter:

»Sie haben gespielt?«

»Ei! mein Gott, ja,« antwortete Banniére.

»Sie haben verloren?«

»Nein!« rief er.

»Aber Sie haben nicht gewonnen?«

»Oh! ich hätte tausend Louis d'or gewonnen,« versetzte Banniére.

Und er erklärte ihr mit dem unaufhörlichen Fieber des Spielers alle Coups, die er hätte gewinnen müssen, wäre nicht das Glück gegen ihn gewesen.

»Armer Junge,« sagte Olympia, nachdem sie ihn mit einer Aufmerksamkeit gemischt mit tiefem Mitleid angehört hatte, »so viel Gemütsbewegungen, Berechnungen, Anstrengungen und Leiden!«

Olympia war immer die gute, die zärtliche Olympia: die Tränen traten ihr in die Augen.

»Schließen Sie,« sprach er.

»Oh! mein Gott!« rief Olympia, »der Schluß wird sehr einfach sein. Sie spielen, um weder zu gewinnen, noch zu verlieren: eben so gut ist es, nicht zu spielen. Lassen Sie das abgemacht sein: erhitzen Sie sich nicht mehr hierdurch das Blut; Sie werden wenigstens Ihr Leben sparen.«

Banniére wollte ausrufen: »Ich tue es für Sie!« doch er enthielt sich.,

Banniére war immer verliebt; er war auch immer edelmütig und diskret.

Olympia fügte bei:

»Wir haben die letzten Mittel noch Nicht angerührt: wir besitzen Geschmeide, das wir verkaufen können.«

»Oh!« rief Banniére, »vor dem Geschmeide ist das Silbergeschirr da, wie mir scheint.«

»Das Silbergeschirr? Oh! nein,« sagte Olympia. »Ich kann sehr gut ohne Geschmeide mich kleiden und ausgehen, doch ohne Silbergeschirr könnten wir nicht mehr empfangen.«

»Ei! mein Gott, wen wollen Sie denn empfangen?« versetzte Banniére, der, da er nie zu Hause war und nur zurückkam, wenn Jedermann weggegangen, nicht wusste, daß seine Frau empfing.

»Ich habe meinen Plan,« sagte Olympia. »Sie werden eben so wenig Spieler bleiben, als Sie Schauspieler geblieben sind. Wechseln ist für Sie eine Notwendigkeit. Vom Novizen sind Sie Schauspieler geworden, vom Schauspieler Spieler; vom Spieler werden Sie Weltmann, was weiß ich, vielleicht Kriegsmann werden, und Sie werden so wechseln, bis Sie die letzte Verwandlung erreicht haben, bis Sie glänzender Schmetterling geworden sind.«

»Ach!« erwiderte Banniére,«bis jetzt, arme Olympia, bin ich für Sie nur die Raupe gewesen.«

»Mein Freund,« sagte Olympia, »Sie haben Geist, Bildung, Tournure, Sie sind ein ausgezeichneter Logiker, Sie sprechen gut . . .«

»Wohin des Teufels wird mich Alles dies führen, wenn ich nicht Jemand habe, der mich vorwärts bringt?«

»Es wird Sie gerade Jemand vorwärts bringen, mein lieber Joseph.«

»Und wer wird dieser Jemand sein?«

»Der Abbé d'Hoirac.«

»Der Abbé d'Hoirac?«

»Sie wissen nicht, von wem ich spreche?«

»Bei meiner Treue, nein, ist es nicht der Pfaffe, der alle Abende, wenn Sie spielten, in den äußeren Kulissen stak und mir immer aus die Füße trat.«

»Er ist es.«

»Wie! dieser beständig summende, trällernde, herumflatternde Bursche, der aussieht wie ein verrückter Maikäfer?«

»In der Tat, das hat ziemlich viel Ähnlichkeit,« sagte Olympia lachend.

»Wie! um vorwärts zukommen, muss ich mich von dieser Missgeburt protegieren lassen?«

»Ah! diesmal sind Sie ungerecht, Banniére: Maikäfer, ja; Missgeburt, nein. Der Abbé ist, im Ganzen genommen, eine reizende Puppe, und man sieht wohl, daß Sie ihn nicht angeschaut haben/'

»Dagegen,« erwiderte Banniére, der nicht wusste, wie er die Dringlichkeit seiner Geliebten nehmen sollte, »dagegen sollte man glauben, Sie haben ihn viel angeschaut.«

»Albernheiten!«

»Aber woher des Teufels kennen Sie ihn?«

»Wie ich eine Menge von Leuten kenne, die Sie nicht kennen. Alle Abende gehen Sie zum Spiele, und alle Abende bringt der Abbé o'Hoirac seine Zeit damit zu, daß er mit mir Schach spielt.«

Banniére schüttelte traurig den Kopf und erwiderte:

»Sie haben mich von der Nutzlosigkeit meiner Versuche in der Akademie überzeugt. Morgen werde ich mit dem Herrn Abbé d'Hoirac Schach spielen.«

»Und bei diesem Spiele, lieber Freund, werden Sie gewinnen, statt zu verlieren: dafür siehe ich Ihnen.«

»Er ist also ein sehr vollkommener Mann, dieser Abbé d'Hoirac?« sagte Banniére gereizt.

»Er ist kein vollkommener Mann, lieber Freund, in Betracht, daß die Vollkommenheit nicht von dieser Welt ist. Da ich aber an den Tagen, wo ich nicht spiele, auf die Gesellschaft meiner Coiffeuse10 und auf die von Claire beschränkt bin, so schien es mir, als wäre die Gesellschaft von diesem verrückten Maikäfer nicht ganz zu verachten.«

»Es ist drollig, daß ich das Verdienst des Herrn Abbé d'Hoirac nie wahrgenommen habe. Allerdings gab ich nur auf ihn Acht, wenn er mir auf die Füße trat.«

»Sie kommen immer aus diese Ungeschicklichkeit des Abbé zurück, lieber Freund; sie ist doch sehr natürlich. Der Abbé ist kurzsichtig, so kurzsichtig, daß er die Spitze seiner Nase nicht sieht. Wie soll er seine Füße sehen, welche noch viel weiter von seinen Augen entfernt sind, als seine Nasenspitze, die er nicht sieht?«

»Sie haben Recht, Olympia, und das erste Mal, wo ich wieder mit dem Abbé d'Hoirac zusammentreffe, werde ich ihm ins Gesicht schauen.«

»Wohl! Sie werden eine schöne Puppe sehen,« erwiderte ruhig Olympia, während sie in ihr Boudoir ging.

»Und wann wird der Herr Abbé kommen?« fragte Banniére. »Heute Abend?«

»Nein. Ich spiele heute Abend.«

»Morgen also?«

»Ja, morgen.«

«Um welche Stunde?«

»Um sechs Uhr, wie immer.«

»Sehr gut, Madame.«

Olympia schaute ihren Geliebten von der Seite an, zuckte die Achseln und überließ sich Ihrer Kammerjungfer.

10

Wir müssen das französische Wort beibehalten, da die deutsche Sprache keinen entsprechenden Ausdruck für diese Art von dienstbaren Geistern bat, deren Hauptgeschäft die Schmückung des Kopfes ihrer Gebieterinnen ist.

Olympia von Clèves

Подняться наверх