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Erstes bis viertes Bändchen
XIX.
Das Provinzleben

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Der Director des Theaters kam am zweiten Tage zu Olympia, auf welche ihn Banniére auf der Promenade aufmerksam gemacht hatte.

Unser Leser stelle sich nicht vor, in der Zeit, die wir zu schildern suchen, sei ein Theaterdirektor gewesen, wie wir ihn heute mit seinem Harem, mit seiner Polizei und seinen Mädchenlieferanten kennen.

Im siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert hieß ein Theater dirigieren konstitutionell bei den Geschicken eines von dem vereinigten Talente eines Dutzend nomadischer Schauspieler und zuweilen eines der Gesellschaft beigesellten Dichters unterstützten Unternehmens präsidieren.

Der Director war also ganz einfach der Erste der Schauspieler seines Theaters . . . hinsichtlich des Rechnungswesens.

Banniére hatte genug Schauspieler gesehen; er hatte Olympia genug sprechen hören; er hatte genug natürlichen Scharfsinn und Zigeunerinstinkt, daß er sich bei dieser großen Angelegenheit zu benehmen und den Ches eines Theaterunternehmens anzulocken wusste.

Er hütete sich wohl, diesem zu sagen, Olympia sei eine schon bekannte Schauspielerin. Er schilderte sie als ein in das Theater vernarrtes Mädchen von Stande, das bereit sei, blindlings in das Garn eines Directors zu gehen.

Er rühmte nicht das ausgezeichnete Wesen, die Schönheit, die Person von Olympia; er führte, wie gesagt, den Director aus die Promenade und zeigte ihm Olympia.

Der Director sah sie, wurde ihr vorgestellt, verabredete mit ihr eine Zusammenkunft und erschien bei Olympia zu der hierfür festgesetzten Stunde, was die zwei Liebenden mit Recht als ein gutes Vorzeichen betrachteten.

An Geschichten, wie die, welche ihm Banniére erzählt, gewöhnt, hatte ihm der Director von seiner Erzählung geglaubt, was er gewollt; als er aber in die glänzende Wohnung der zwei jungen Leute eingeführt worden war, als er sich in dem weichen Fauteuil, das man ihm anbot, festgesetzt hatte, als er sich inmitten der Blumen und Wohlgerüche des Boudoir befand, als er vom Boudoir in das Speisezimmer gegangen war, um hier den Imbiss einzunehmen, als er Tafelgeschirr, Silberzeug und Kristall erblickte, als er die ausgesuchten Weine und die seinen Konfithüren gekostet hatte, war er dergestalt geblendet, daß er sogleich annahm, die zukünftige Debütantin wäre nicht im Stande, den ersten Schritt aus der Bühne zu machen.

Er fasste also den Vorsatz, sich mit den Wohlgerüchen zu berauschen, sich mit dem alten Wein zu erheitern, kurz, eine gute Stunde materieller Glückseligkeit hinzubringen und nach der Zusammenkunst in jeder Hinsicht der freigebigen Wirtin zu danken, welche närrisch genug, sich auf den Brettern herum treiben zu wollen, während sie so gute Teppiche hätte.

Banniére und Olympia wussten aber so viel als er; sie ließen ihn sich in Mutmaßungen verlieren; dann beim Nachtisch, als er den gehörigen Wärmegrad erreicht hatte, bat man ihn, gütigst eine Probe von der Geschicklichkeit der neuen Bewerber um Anteil an der Gesellschaft annehmen zu wollen.

Der Schauspieler warf sich bei diesem Vorschlag in die Brust, leerte sein Glas und präludirte in den Feindseligkeiten durch ein verächtliches Lächeln.

Olympia sah das Lächeln, begriff die Verachtung und wartete, des Sieges sicher, geduldig.

»Wohl an, ich will Ihnen das Stichwort geben,« sagte der Komödiant mit einer sonoren Stimme.

»Was können Sie?«

»Was können Sie?»fragte Banniére.

»Ich, ich kann Alles, ich spiele die ersten Rollen. Wählen Sie Ihre besten Stücke und halten Sie sich gut.«

»Können Sie Herodes und Marianna?« fragte Olympia mit ihrer sanften Stimme.

»Bei Gott!« erwiderte der Schauspieler halb trunken.

»Nun! so nehmen Sie auf das Geratewohl!« sprach Olympia.

«Und ich,« sagte Banniére, »ich werde soufflieren.«

»Haben Sie das Buch?« fragte der Director.

»Oh! unnötig, ich kann das Stück auswendig.«

»Es ist gut,« versetzte der Komödiant, »ich spiele Herodes.«

»Mein Fach,« sprach Banniére mit einem Lächeln.

Der Schauspieler bekümmerte sich nichts um die Bemerkung von Banniére und begann seine Rolle mit einer heiseren Stimme.

Olympia antwortete ihm.

Doch sie hatte nicht sobald zwanzig Verse gesprochen, als der alte Bursche das Ohr auftat.

»Ho! Ho!« machte er.

»Was denn?« unterbrach ihn bescheiden Olympia; »irre ich mich?«

»Nein! Nein! im Gegenteil! immer zu!«

Und der Schauspieler stützte seine Ellenbogen aus den Tisch und heftete seine wie zwei feurige Kohlen glühenden Augen auf Marianna, welche den Faden ihrer Rolle wieder ausnahm.

»Ah! ah,« sagte er, »Sie haben schon Komödie gespielt!«

»Dann und wann, ja,« antwortete Olympia.

»Wo denn?«

»Da und dort,« antwortete Banniére, um nicht zu lügen.

»Aber wissen Sie, daß Sie ganz einfach herrlich sind, Mademoiselle,« brüllte der alte Trunkenbold im Übermaße der Bewunderung.«Sie erinnern mich an die Champmeslé.«

»Sie haben mit Ihr gespielt?« fragte Olympia lächelnd.

»Oh!« versetzte der Director, »ich war beim Theater angestellt.«

»Aber Sie, mein Herr,« sagte er, sich an Banniére wendend.

»Sie wünschen mich zu hören?«

»Ja.«

»Das ist nur zu billig.«

Und mit einer soliden Stimme, mit jener furchtbaren Gebärde, welche eigentümlich der alten Schule angehörte, begann Banniére seinen Auftritt als Herodes.

Der alte Schauspieler horchte mit protectormäßigem Stillschweigen; dann verzog er die Lippen und sagte:

»Der Herr ist nicht gerade schlecht, er hat aber noch viel zu lernen.«

»Ich werde lernen,« erwiderte Banniére.

»Zu studieren.«

»Ich werde studieren.«

»Nicht schlecht?« versetzte Olympia, welche der beleidigten Eitelkeit ihres Freundes beistehen wollte. »Ah! mein guter Freund, man sieht wohl, daß Sie dasselbe Fach spielen.«

»Übrigens,« bemerkte Banniére, ein wenig gereizt »übrigens handelt es sich nur um Madame, wie mir scheint.«

»Sie täuschen sich, mein Freund,« sagte rasch Olympia, »es handelt sich Im Gegenteil um uns Beide: wer mich haben wird, wird Sie haben, oder mich nicht haben!«

»Ah!« rief der Komödiant, »das verwickelt die Sache.«

»Wahrhaftig!« versetzte Olympia.

»Ja. ich muss mich mit meinen Gesellschaftsmitgliedern beraten. Handelte es sich nur um Madame, so schloß ich allein ab, weil unsere erste Schauspielerin, die Catalane, nicht stark genug ist, doch was das Fach des Herrn betrifft, das ist etwas Anderes.«

»Ihr Fach?« fragte Banniére.

»Unser Fach, wohl!« erwiderte der alte Fuchs.

»Nun! Ihr Fach?« sagte Banniére.

»Unser Fach ist schon unter drei verteilt, und ich muss mich beraten.«

»Hören Sie,« sagte Olympia, welche die Schauspieler durch ihren langen Aufenthalt unter ihnen kannte, »unsere Flaschen sind allerdings leer, doch der Keller ist nicht weit entfernt. Holen Sie diejenigen von Ihren Gesellschaftsmitgliedern, deren Beistimmung notwendig ist; bringen Sie dieselben hierher, wir werden uns besser Alle mit einander verständigen, und wir werden uns besonders viel schneller als einzeln verständigen. Überdies ist es die Stunde des Mittagsmahles, wir werden zu Mittag speisen.«

Banniére öffnete In diesem Augenblick eine Geheimthür, durch welche verräterischer Weise ein solcher Bratengeruch, ein so süßer Dunst von farcirtem Geflügel eindrang, daß der Schauspieler weglief, indem er mit langen Zügen die kulinarische Ausströmung durch Nasenlöcher einatmete, deren übermäßige Erweiterung andeutete: ich werde wiederkommen.

Und er kam zurück und brachte an seiner Seite vier von den Gewichtigsten der Truppe, drei Männer und eine Frau.

Die drei Männer, abgenutzt, bleich, verwittert wie ihre Gewänder, waren der Financier, der edle Vater und der erste Bediente.

Die Frau, vom Wuchse von Olympia, mit weniger Anstand und dem Unterschiede, daß Olympia blaue Augen hatte und die Frau schwarze, daß Olympia blond war und die Frau brünett, daß Olympia eine weiße und rosenfarbige Gesichtshaut hatte und die Frau eine braune und matte: im Ganzen ein echt catalonischer Typus, dem die Schauspielerin ohne Zweifel ihren Namen die Catalane9 verdankte.

Man füge dem reizende Hände und einen Leib bei, mit dem an Reichtum nur der Leib von Olympia streiten konnte.

Olympia empfing alle diese Leute als Kameraden, machte sie mit einem Worte heimisch, gab ihnen ihre Plätze bei Tische und begriff, ohne sich im Geringsten bitten zu lassen, das Theaterrothwälsch, das doch so fern von ihren Gewohnheiten war.

Sie fragte Jeden nach dem Namen und dem Fache, noch freundlicher, da sie sich an die Frau wandte, als da Sie sich an die Männer wandte.

»Die Catalane,« antwortete die Frau, Indem sie eine doppelte weiße Reihe kleiner Zähne zeigte.

Olympia empfahl die Catalane der Aufmerksamkeit von Banniére.

Das Mittagsmahl war äußerst heiter; alle Welt trank sich dabei ein Räuschchen, Olympia ausgenommen, welche, als sie ihre Serviette beim Nachtisch aufhob, einen von den kleinen Füßen der Catalane aus dem Fuße von Banniére sah, während sie mit dem andern den des ersten Komikers reizte.

Olympia errötete. Etwas wie der Zahn einer Natter biss ihr ins Herz. Als sie sich aber wieder erhob und den unschuldigen Banniére anschaute, bemerkte sie in seinem ruhigen Gesicht, daß er kein Bewusstsein von seinem Glücke hatte. Sie beschränkte sich dem zu Folge darauf, daß sie ihm die Hand reichte, und Banniére beeilte sich, die angebotene Hand mit aller Glut zu küssen.

Unter dem Einfluss dieses Mittagsmahles sprach man sodann Verse, spielte man Szenen aller Art. Endlich brachte Banniére eine Feder, Tinte und Papier, und Olympia entwarf sich ein Engagement, das die fünf Gesellschaftsmitglieder unterzeichneten.

Sie gab sich zwölf hundert Livres festen Gehalt und einen achten Teil an den Einnahmen für sich und für Banniére.

Diese Bescheidenheit entzückte die Versammlung, und man trennte sich, indem man sich umarmte.

Olympia bemerkte, daß die Catalane Banniére fünfmal umarmt hatte.

Banniére seinerseits bemerkte, daß die Schauspieler Olympia zehnmal umarmt hatten.

Dann, als Alle weggegangen waren, sagte Olympia, ohne aus diese fünffache Umarmung anzuspielen, indem sie sich nur an den Erfolg des Abenteuers hielt:

»Sie sehen, mein Liebster, daß wir nun mit Sicherheit ungefähr sechs tausend Livres jährlich einnehmen.«

»Ja, aber sie haben Sie so viel umarmt,« erwiderte Banniére.

Ein letztes Wort, das Olympia überreichlich bewies, sie hätte Unrecht gehabt, der Catalane zu grollen.

Von diesem Augenblick an bekümmerte sich Olympia nur noch um ihre Rollen und um ihre Debüts, die durch den Rat der Sechs auf den folgenden Donnerstag festgesetzt waren.

9

Die Catalonierin.

Olympia von Clèves

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