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aa) Gläubigerherrschaft
Оглавление6.6
Die Vollstreckung setzt immer einen Antrag voraus[6]. Die Rücknahme des Antrags führt zur Aufhebung der Vollstreckungsmaßnahme[7], der Verzicht des Gläubigers auf ein Pfandrecht führt zum Erlöschen oder zur Aufhebung der Pfändung[8]. Der Gläubiger kann schließlich u.U. die bereits begonnene Vollstreckung einstweilen einstellen lassen, wobei die Grenze zur materiellrechtlichen Stundung des vollstreckbaren Anspruchs praktisch zerfließt[9].
Übersicht 5: Die besonderen Verfahrensgrundsätze im Vollstreckungsrecht | ||
Grundsatz | Inhalt | Verwirklichung, Besonderheiten oder Ausnahmen |
---|---|---|
Prioritätsgrundsatz | Befriedigung nach zeitlicher Reihenfolge (Gegensatz: Gleichrang) | Relativ reine Verwirklichung (z.B. §§ 804 ZPO, 11 ZVG; §§ 938 ZPO, 883 ff., 899 BGB) |
Naturalvollstreckung und Geldliquidation | Befriedigung möglichst in Natur oder nur – wie bei Insolvenz – in Geldwert | Weitgehende Verwirklichung (§§ 883 ff., 887 ff.) Freie Wahl des Schadensersatzes (§ 893) |
Dezentralisierung oder Zentralisierung? | Vielzahl selbstständig arbeitender Vollstreckungsorgane oder zentrales Leitorgan | Reine Verwirklichung der Dezentralisierung |
Formalisierung | Ausschluss der Prüfung materieller Rechtsfragen im Verfahren | Weitgehende Verwirklichung gegenüber Parteien und Dritten (§§ 704, 750, 808, 828, 829 ZPO, 28 ZVG; §§ 767, 771). – Probleme: Rechtsmissbräuchliche Vollstreckung; „Evidenzkontrolle“ |
Numerus clausus der Vollstreckungsarten | Typenzwang und Typenfixierung | Volle Geltung wegen Gesetzmäßigkeitsgrundsatz |
Beschränkter Vollstreckungszugriff | Schutz vor Zugriff auf persönliche und existenznotwendige Gegenstände und vor Kosten | Geltung beruht auf Schuldnergrundrechten; z.B. §§ 811, 850 ff.; §§ 803 Abs. 2 ZPO, 77 ZVG |
Formgebundene Verwertung | Verwertung „freihändig“ oder nach festen Regeln | Weitgehende Formbindung (§§ 814 ff., 835 ff. ZPO; ZVG); wenige Ausnahmen (z.B. §§ 825, 844) |
Effektive Verwertung | Schutz vor unterwertiger Veräußerung | Zusammenhang zum Verhältnismäßigkeitsgrundsatz; Verwirklichung in §§ 812, 813, 817a ZPO, 30c, 74a, 85, 85a ZVG |
6.7
Die Herrschaft des Gläubigers über Anfang und Ende des Verfahrens gilt im Grundsatz in allen vergleichbaren Staaten[10]. Sie steht in engem Zusammenhang mit der materiellrechtlichen Verfügungsbefugnis und ist Bestandteil der Privatautonomie. Art. 2 Abs. 1 GG garantiert die Möglichkeit des Rechtsverzichts und insoweit auch des Vollstreckungsverzichts, dessen genaue verfahrensrechtliche Einkleidung allerdings dem Gesetzgeber überlassen bleiben muss.