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dd) Einbruchstellen der Offizialmaxime

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6.11

Ganz vereinzelt verwirklicht das positive Recht bei der Entscheidung über Anfang und Ende der Vollstreckung die Offizialmaxime. So kann das Gericht von Amts wegen Räumungsfrist gewähren (§ 721) oder es kann die beantragte Einstellung von Amts wegen an Auflagen knüpfen (§ 30a Abs. 3, 4, 5 ZVG) und damit letztlich ein minus und aliud gegenüber dem Schuldnerantrag anordnen.

6.12

Im Erkenntnisverfahren mildert § 139 mit seiner richterlichen Hinweispflicht die Bürde der Parteiverantwortung; die Dispositionsmaxime kann zum Rechtsverlust führen, wenn die Partei falsch disponiert. Dabei soll hier offen bleiben, ob § 139 die Dispositionsmaxime erst richtig erfüllt, indem er durch Information freie Entscheidung ermöglicht[14], oder ob § 139 als Einbruchstelle der Offizialmaxime zu betrachten ist[15]. Die Geltung des § 139 im Vollstreckungsverfahren kann ernsthaften Zweifeln nicht unterliegen: § 139 findet sich im Ersten Buch der „Allgemeinen Vorschriften“ und gilt folglich auch für die „Zwangsvollstreckung“ des Achten Buches, das in § 866 Abs. 1 das ZVG als inhaltlichen Teil der ZPO ausweist (s. Rn. 2.22 ff.).[16] Im Erkenntnisverfahren ist davon auszugehen, dass Parteidisposition und damit Parteiverantwortung ohne jede richterliche Hinweispflicht mit der Gewährleistung eines fairen Verfahrens, wie sie das BVerfG den Grundrechten i.V. mit dem Rechtsstaatsprinzip entnimmt[17], nicht harmoniert[18]. Im Vollstreckungsverfahren kann man schwerlich anderes vertreten. Damit ist der Streit um Inhalt und Grenzen richterlichen Hinweises ins Vollstreckungsrecht importiert[19]. Das Vollstreckungsorgan muss m.E. Hinweise auf sachgerechte Anträge geben, soweit fehlerhafte Anträge oder unvollkommene Artikulationen entsprechenden Parteiwillens vorliegen; völlig neue Anträge sollte das Vollstreckungsorgan nur anregen, wenn die Partei anwaltlich nicht vertreten ist oder existenzielle Gefahr droht.

6.13

Beispiele:

Führt eine Teilungsversteigerung (hierzu Rn. 34.7) zu einem untragbaren Ergebnis, so kann das Versteigerungsgericht gemäß § 139 verpflichtet sein, auf die Möglichkeit der Antragsrücknahme bzw. Einstellungsbewilligung hinzuweisen[20]. Noch weitergehend hat das BVerfG eine Pflicht des Versteigerungsgerichts zur Vertagung eines Termins kraft Amtes bejaht, um dem Versteigerungsschuldner die Möglichkeit zu geben, vollstreckungsschützende Anträge zu stellen[21].

Zwangsvollstreckungsrecht, eBook

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