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aa) Das Dispositionsrecht des Gläubigers
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Das positive Vollstreckungsrecht geht im Grundsatz von der freien Disposition des Gläubigers über Vollstreckungsart und -gegenstand aus. Man könnte insoweit ähnlich wie bei der Gesamtschuld von der „Paschastellung“ des Gläubigers sprechen.
Der Gläubiger kann wählen, ob er in bewegliche Sachen, Forderungen oder Immobilien vollstreckt, ohne eine Reihenfolge („gradus executionis“)[22] einzuhalten. Er kann sich ferner bei gleicher Vollstreckungsart zwischen mehreren möglichen Modalitäten entscheiden, also z.B. zwischen Überweisung zur Einziehung oder an Zahlungs statt (§ 835 Abs. 1) oder zwischen Sicherungshypothek, Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung (§ 866 Abs. 2). Er kann zumindest in den Grenzen einer Übersicherung kumulieren.
In den §§ 888 Abs. 1, 890 entspricht die Wahl zwischen Geld und Haft als Zwangs- bzw. Ordnungsmittel zwar dem Wortlaut des Gesetzes. Hier wird man jedoch – eine Auswirkung des Verhältnismäßigkeitsprinzips – vom grundsätzlichen Vorrang des Geldes als Zwangs- und Ordnungsmittel auszugehen haben, sodass der Dispositionsgrundsatz insoweit durchbrochen ist (s. Rn. 7.7 ff.; 40.28, 40.38).
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Die freie Wahl des konkreten Vollstreckungsgegenstandes folgt bei der Forderungs- und Rechtspfändung aus der Notwendigkeit der antragsmäßigen Individualisierung (§§ 828, 829) ebenso wie bei der Vollstreckung in Immobilien (§ 16 Abs. 1 ZVG); der ausnahmsweise Zugriff auf pfändungsgeschützte Forderungen unterliegt regelmäßig der Gläubigerdisposition[23]. Ein Sonderfall ist das Bestimmungsrecht des Gläubigers hinsichtlich des maßgeblichen Pfändungsschutzkontos, wenn der Schuldner gesetzeswidrig mehrere Girokonten als Pfändungsschutzkonten unterhält (§ 850k Abs. 9).
Weniger klar ist die Befugnis zur Auswahl konkreter beweglicher Sachen durch den Gläubiger[24]; überwiegend geht man allerdings davon aus, dass der Gläubiger seinen Vollstreckungsantrag gegenständlich begrenzen kann und im Rahmen gesetzlicher Grenzen ein Wahlrecht hat[25]. Ein Wahlrecht des Gläubigers normiert die ZPO ausdrücklich bei der Austauschpfändung (§§ 811a f.), wo der Gläubiger ein Ersatzstück präsentieren muss. Das Wahlrecht des Gläubigers bei beweglichen Sachen ergibt sich letztlich aus einer Gesetzesauslegung, die auf Rechtsanalogie und Dispositionsmaxime zurückgreift, nicht aus dem positiven Recht unmittelbar; z.T. folgt es allerdings aus den Begrenzungen örtlicher Zuständigkeit des Gerichtsvollziehers (§ 154 GVG).