Читать книгу Zwangsvollstreckungsrecht, eBook - Alexander Bruns - Страница 243
4. Numerus clausus der Vollstreckungsarten und formgebundene Verwertung im Lichte des Gesetzmäßigkeitsgrundsatzes
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Aus dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 GG) folgt der Vorbehalt des Gesetzes bei hoheitlichen Eingriffen in Freiheit und Eigentum. Im vollstreckungsrechtlichen Eingriffsverhältnis (Rn. 5.12 ff.) steht der Vollstreckungsschuldner dem hoheitlich handelnden Staat gegenüber, der bei seinen Eingriffen die rechtsstaatlichen Regeln hoheitlichen Handelns beachten muss. Daraus folgt, dass Voraussetzungen und Modalitäten der Vollstreckung gesetzlich geregelt sein müssen. Die Vollstreckungsorgane sind an die gesetzlich festgelegten Vollstreckungsarten gebunden, sie können nicht neue Formen der Vollstreckung ersinnen und anwenden. Der numerus clausus der Vollstreckungsarten (Rn. 6.64) ist folglich zwar nicht in seiner konkreten Gestalt, aber doch als vollstreckungsrechtliches Grundmuster verfassungsrechtlich gewährleistet. Die Annahme einer Mitwirkungspflicht des Schuldners bei der Geldvollstreckung durch den BGH, die ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung die Naturalvollstreckung durch Zwangshaft (§ 888) eröffnet[42], ist auch vor diesem Hintergrund mehr als fragwürdig und letztlich kaum haltbar, zumal die Zwangshaft in dieser Form an die rechtshistorisch überwundene Schuldhaft deutlich erinnert (Rn. 3.17, 3.27).
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Allerdings wäre ein Ermessen des Vollstreckungsorgans, zwischen verschiedenen Vollstreckungsarten zu wählen, mit der Verfassung vereinbar, soweit die Voraussetzungen der Ermessensübung ausreichend bestimmt blieben. Zentrale Vollstreckungsleitung mit Auswahlbefugnissen des Vollstreckungsorgans (Beispiel: Schweiz, Rn. 59.128) wäre also verfassungsrechtlich zulässig; ob rechtspolitisch klug, ist eine andere Frage (Rn. 6.47 ff.).
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Der Grundsatz formgebundener Verwertung (Rn. 6.71) bindet die Vollstreckungsorgane nicht nur beim Zugriff, sondern auch bei der Liquidation an feste Regeln. Der Vorbehalt des Gesetzes verlangt zwar keine bestimmte Form der Verwertung (wie z.B. die Versteigerung), aber er zwingt doch zu einer genaueren Regelung der Voraussetzungen und Modalitäten einer Verwertung. Der Gesetzgeber könnte Beginn und Art der Verwertung nicht in das Belieben eines vollstreckungsrechtlichen Organwalters stellen. Insoweit ist ein Grundbestand formalisierender Vorschriften bei der Verwertung Ausfluss des verfassungsrechtlichen Gesetzmäßigkeitsgrundsatzes.