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d) Grundrechtskollision und Verhältnismäßigkeitsgrundsatz

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7.45

In einem Sondervotum hat Böhmer die Ansicht vertreten, dem Vollstreckungsgläubiger könne immer nur der geringste Eingriff in die Schuldnersphäre zur Erreichung seines Vollstreckungszwecks erlaubt sein[60]. Das BVerfG hat eine ähnlich schematisierte Verhältnismäßigkeitskontrolle des Vollstreckungseingriffs anklingen lassen, als es bei Bagatellforderungen die Wohnungsdurchsuchung für fragwürdig hielt[61]. In beiden Fällen vernachlässigt die Verhältnismäßigkeitskontrolle das Rechtsschutzgrundrecht des Gläubigers[62], u.U. bis zur faktischen Rechtsverweigerung, und führt dann zur Korrektur des materiellrechtlichen Anspruchs. Auch ist zu berücksichtigen, dass der Schuldner „unverhältnismäßigen“ Eingriffen meist durch Selbstliquidation ausweichen kann (Rn. 6.75, 7.18)[63]. Letztlich kann nur eine konkrete Abwägung verfassungswerter Interessen ein zeitlich befristetes Moratorium in Extremfällen verfassungsrechtlich gebieten. Auch die von Gerhardt (ZZP 95, 488) aufgestellte Grundregel, am menschlichen Leben scheitere jede Vollstreckung („kein Leben gegen Eigentum“) verliert ihre stringente Schlüssigkeit, wenn man z.B. dem suizidbedrohten Mieter den ebenfalls kranken, suizidbedrohten Mitmieter oder Vermieter gegenüberstellt, der unter der Gegenwart des kranken Mieters gesundheitlich leidet. Konkrete Abwägungen haben den Nachteil, den Rechtsstreit neu aufzurollen und zur Rechtsunsicherheit zu führen; man sollte sie deshalb klaren Fällen schweren Unrechts vorbehalten. „Die Verfassungsrechtler besitzen den Schlauch des Äol, die klarsten zivilrechtlichen Ansprüche im Winde von Übermaßverbot und Güterabwägung schwanken und zerknicken zu lassen …“ (Stürner NJW 1981, 1760).

Zwangsvollstreckungsrecht, eBook

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