Читать книгу Handover - Alexander Nadler - Страница 20
Mittwoch, 30. April 1997, 11:00 Uhr
ОглавлениеPünktlich auf die Minute, exakt zur vereinbarten Zeit erscheint Claude bei Kommissar Strelow, der ihn mit einem kräftigen Handschlag begrüßt. „Na, hatten Sie einen schönen Nachmittag?“, erkundigt sich dieser bei dem Eingetretenen.
„Ja, danke, das Wetter war aber auch überaus schön zum Bummeln.“ Den frühabendlichen Kinobesuch verschweigt er. „Und, haben Sie noch etwas erreicht?“
„Leider nicht allzu viel. Ich war gestern am späten Nachmittag und auch heute früh noch einmal im Studentenwohnheim, habe aber weder Frau Lochner noch Herrn Hirsemann angetroffen. Und von meinen Kollegen habe ich bislang auch noch keine Rückmeldung erhalten, lediglich Kollege Krüger hat sich vor knapp einer Stunde bei mir gemeldet. Er scheint ein Stückchen weitergekommen zu sein. Und zwar geht es um den Wagenhalter, diesen...“ Strelow muss auf einem seiner Notizblätter am Schreibtisch nachschauen, „...diesen Herrn Sung Ning. Dieser besitzt seit fast zwanzig Jahren in Frankfurt ein allem Anschein nach gutgehendes Restaurant namens Bambusgarten. Allerdings muss es in der Vergangenheit gelegentlich schon ins Blickfeld der Polizei geraten sein, und zwar wegen illegalen Glücksspiels. Bedauerlicherweise hat mein Kollege den Inhaber gestern nicht angetroffen, angeblich ist er momentan in Hong Kong, soll aber in wenigen Tagen zurückkehren. Außer dem Lokal betreibt Herr Sung auch noch eine Import- und Exportgesellschaft, die Lebensmittel, Textilien und Kunsthandwerkliches aus China einführt und vor allem elektronische Geräte dorthin ausführt. Mehr, glaube ich, war nicht.“
„Und das Auswärtige Amt hat sich noch nicht gerührt?“
„Mein Kollege hat mir nichts davon gesagt, erfahrungsgemäß lassen die sich aber oft ziemlich viel Zeit, und die Chinesen sind in der Regel auch nicht die Allerschnellsten,“ mischt Strelow dem zweiten Teil der Antwort einen deutlich sarkastischen Unterton bei.
„Glauben Sie es macht Sinn, noch einmal ins Studentenwohnheim zu gehen?“, versucht sich Claude Klarheit darüber zu verschaffen, wie es weitergehen, er disponieren soll.
„Ich denke kaum, vermutlich kommen die beiden erst direkt zum Semesteranfang zurück, und da morgen Feiertag ist und am Freitag kaum Vorlesungen stattfinden dürften, wird dies wohl erst am Wochenende der Fall sein, und ich weiß nicht, ob es sinnvoll ist, dass Sie so lange hier bleiben“, erleichtert der Kriminalbeamte Claude die Entscheidung.
„Dann werde ich wohl heute nach Frankfurt zurückfahren. Sicherheitshalber lasse ich Ihnen die Telefonnummer da, unter der Sie mich erreichen. Und Sie halten Herrn Krüger ja wahrscheinlich auch auf dem Laufenden?“
„Natürlich, machen Sie sich keine Sorgen. Es tut mir leid, dass ich Ihnen momentan keine positivere Auskunft geben kann, und ... nochmals die Bitte, sicherlich auch im Namen meines Frankfurter Kollegen: keine Alleingänge.“
Claude merkt dem Kommissar an, dass er sich ernsthaft Sorgen um ihn macht. ‚Ob er mehr weiß als er mir sagt? Ob ihn Krüger dahingehend auch noch einmal instruiert hat? Bis jetzt war er mir gegenüber doch aber aufrichtig’, will er sich das bis zu diesem Zeitpunkt gewonnene positive Gesamtbild durch Spekulationen nicht trüben lassen. Ob er sich an die Bitte Strelows auf Dauer jedoch tatsächlich zu halten vermag, daran zweifelt er selbst zu stark, als dass er dies diesem in die bloße Hand versprechen kann. Daher vermeidet er es, darauf einzugehen, sondern reicht jenem ohne große Umschweife gleich die Hand zum Abschied, wobei er Strelows Angebot, ein Taxi für ihn zu rufen, mit dem Hinweis ablehnt, dass er ganz gerne zu Fuß in die Stadt zurückmarschiere.
Die Zeit des Fußmarsches nutzt Claude, um sein weiteres Vorgehen zu planen. Wenn er einen Zug am frühen Nachmittag erwischt, so seine Überlegung, könnte er sich an diesem Abend weiter im Frankfurter Rotlichtviertel umschauen, am nächsten Tag dann einmal das erwähnte China-Restaurant unter die Lupe nehmen, und abends dann wieder in der Szene abtauchen, sehr viel mehr Alternativen lasse ihm der Feiertag letztendlich nicht. Hat der Aufenthalt in Erlangen ihn auch nicht sehr viel weitergebracht, so beflügelt ihn der aufgestellte Zeitplan doch insoweit, dass er seine Schritte beschleunigt, um möglichst schnell abreisen zu können.