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Rudi ging zum Nebengebäude, um mit dem Kollegen Steinberger zu sprechen. Ich wandte mich dem Haupthaus zu. Wenig später stand ich vor der Tür und klingelte.

Es war Frau von Bleicher, die mir öffnete.

Sie trug immer noch Reitstiefel.

Oder schon wieder, ganz wie man wollte.

Offenbar verbrachte sie einen erheblichen Teil des Tages mit den Pferden. Nicht gerade ein preiswertes Hobby. Und es gab sicher Wege, um die Mittel, die eigentlich an nicht vorhandene Flüchtlinge gehen sollten, letztendlich so umzuleiten, dass sie unter anderem eben auch auf dem Konto Ferdinand von Bleichers landeten - und letztlich in der Futterkrippe des Pferdestalls.

“Guten Tag, was kann ich für Sie tun?”, fragte Frau von Bleicher.

Ihr Haar war dunkel und zu einer strengen Knotenfrisur zusammengefasst. Der Knoten saß so niedrig im Nacken, dass es keine Schwierigkeiten machte, einen Reiterhelm zu tragen.

Ich zeigte ihr meinen Ausweis.

“Harry Kubinke, Bundeskriminalamt”, sagte ich.

“Ich weiß. Mein Mann hat mir von Ihnen erzählt. Und ich habe Sie vom Pferdestall aus bei Ihrem ersten Besuch gesehen.”

“Richtig.”

“Sie wollen sicher zu meinem Mann, wie ich annehme.”

“Ja, das ist auch richtig.”

“Mein Mann ist leider nicht hier.”

“Wo kann ich ihn finden?”

“Das weiß ich nicht, aber ich nehme an, dass er seinen Pflichten als Kämmerer nachgeht. Ganz von selbst erledigt sich das schließlich auch nicht.”

“Frau von Bleicher, sind Sie jemals unserem Kollegen Rüdiger Schmitten begegnet?”

Ich zeigte ihr ein Bild auf dem Display meines Smartphones.

“Nein, ich bin ihm nie begegnet.”

“Aber Sie haben davon gehört, dass er umgebracht wurde.”

“Momentan spricht man bei uns ja kaum noch von etwas anderem.”

“Es gibt Zeugen, die erklären, dass Devid Dresel sich damit gebrüstet hat, unseren Kollegen umgebracht zu haben. Herrn Dresel werden Sie ja wohl auch kennen, denn der wohnt ja hier bei Ihnen auf dem Anwesen.”

“Es würde mich interessieren, was das für Zeugen sind.”

“Sie haben nie etwas davon gehört?”

“Ich bin viel bei den Pferden. Sie brauchen eine Menge Fürsorge. Und Sie haben noch einen Vorteil, Herr Kubinke.”

“Ach, ja?”

“Sie reden nicht. Wenn Sie jetzt keine Fragen mehr haben, dann würde ich es vorziehen, jetzt ohne Ihre Gesellschaft auszukommen.”

“Ich wollte Sie keineswegs stören, Frau von Bleicher ...”

“Ja, das sagen die Zeugen Jehovas auch immer - und tun es trotzdem.”

Frau von Bleichers Stimme hatte jetzt einen harten, geradezu metallisch wirkenden Klang bekommen. Eisenhart. Es konnte einen geradezu schaudern lassen. Aber ich war glücklicherweise ja nicht mit ihr verheiratet, und Herr von Bleicher war ja auch alles andere als ein sensibler Feingeist, der durch so etwas irgendwie verstört worden wäre. Beide von Bleichers sorgten anscheinend lieber für Verstörung bei anderen.

“Unser Kollege Schmitten war auf der Suche nach einem Flüchtling, der von unserer Behörde als Gefährder eingestuft worden war - und hat ihn hier im Ort leider nicht gefunden. Haben Sie darüber irgendetwas gehört?”

“Ach wissen Sie, es sind doch so viele illegale Einwanderer innerhalb kürzester Zeit in unser Land gekommen, um von unserer Regierung materiell versorgt zu werden. Da kommt es doch auf einen mehr oder weniger nicht an. Selbst dann nicht, wenn er ein Terrorist sein sollte. Was glauben Sie denn, wie viele Terroristen noch alle unter dieser Flut von Menschen zu finden sind. Unsereinem wird es nicht so leicht gemacht wie denen.”

“Jetzt sagen Sie mir nicht, dass eine Pferdebesitzerin und Bewohnerin eines Anwesens wie diesem hier, tatsächlich neidisch auf Kriegsflüchtlinge ist!”, konnte ich mir eine bissige Bemerkung einfach nicht verkneifen.

Frau von Bleichers Lächeln wirkte sehr, sehr dünn. “Ich hatte den Verdacht, dass Sie das nicht begreifen würden. Ehrlich gesagt hatte ich von ihnen auch nichts anderes erwartet nach den Schilderungen meines Mannes.”

Ich selber empfinde gegenüber niemanden so etwas wie Neid. Daher kann ich es auch nur bedingt nachvollziehen, wenn andere dies tun. Insbesondere dann, wenn es ihnen selbst sehr viel besser geht als den Menschen, auf die sie neidisch sind.

“Ehrlich gesagt, Frau von Bleicher, es wundert mich, dass Sie so sehr unter der Anwesenheit von Flüchtlingen zu leiden hatten, wo es doch in diesem Ort offenbar gar keine Flüchtlinge gibt. Zumindest habe ich sie nicht finden können. Und mein Kollege Rüdiger Schmitten offenbar auch nicht.”

Frau von Bleicher sah mich mit einem Blick an, von dem man mit Fug und Recht hätte behaupten können, dass er in der Lage war zu töten. “Unser Gespräch ist zu Ende”, sagte sie. “Ehrlich gesagt hoffe ich, dass wir uns nicht wiedersehen.”

Damit schloss sie die Tür. Sie machte das auf eine geräuschvolle, demonstrative Art und Weise. Ich hätte mich ohrfeigen können. Auf jeden Fall hatte ich mich alles andere als geschickt angestellt.

Das kommt davon, wenn man innerlich nicht wirklich vollkommen neutral ist, dachte ich.

Zum Beispiel deshalb, weil man Nazis einfach nicht leiden kann.

Ist ja auch eine Art Voreingenommenheit und die trübt immer den Blick und verhindert eine klare Einschätzung der Lage.

Killer-Zimmer: Krimi Koffer mit 1300 Seiten

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