Читать книгу Killer-Zimmer: Krimi Koffer mit 1300 Seiten - Alfred Bekker - Страница 77
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Der Wirt machte uns doch noch etwas zu essen. Ich fragte ihn nach seiner Frau, seiner Familie und den anderen Angestellten.
Dabei stellte sich heraus, dass wir eigentlich ziemlich wenig über ihn wussten. Von seiner Frau hatte er sich schon vor Jahren getrennt, seine Kinder waren fortgezogen, weil sie in dem kleinen verschlafenen Nest keine Perspektive für sich sahen. Und das Hotel mit Kneipe zu übernehmen, dass irgendwo lag, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagten, dazu hatte von ihnen auch keiner Lust.
Konnte ich irgendwie verstehen.
Eine Goldgrube war das nämlich ganz sicher nicht.
Er hatte eine Küchenhilfe und eine Frau, die die Zimmer machte.
Stundenweise.
Beide waren uns schon begegnet. Beim Frühstück zum Beispiel.
Ansonsten machte er alles allein. Selbstausbeutung konnte man das wohl nennen. Aber er war stolz darauf, unabhängig zu sein und auf eigenen Füßen zu stehen.
Seine Eltern hätten das Hotel die ganze DDR-Zeit hindurch betrieben. Eines der letzten privaten Hotels, die es in der DDR gegeben hätte. “Wie könnte ich sowas aufgeben?”, meinte er. “Wo sie so lange durchgehalten haben. Gegen alle Widrigkeiten. Und davon gab es viele, kann ich Ihnen sagen.”
“Ja, das kann ich mir vorstellen”, sagte ich.
“Nein, das können Sie nicht”, meinte er. “Sie kommen aus Berlin?”
“Ja”, nickte ich.
“West-Berlin.”
“Die Unterscheidung gibt's doch nicht mehr.”
“Die wird's noch fünfzig Jahre geben.”
“Ich komme aus Westdeutschland und kam erst später nach Berlin.”
“Dachte ich es mir doch. So jemand kann das nicht wirklich verstehen”, meinte er.
Wir hatten ihn reden lassen, obwohl es sowohl Rudi als auch mir eigentlich lieber gewesen wäre, einfach nur zu essen und kein Dauergelaber dabei mitanhören zu müssen. Aber wenn jemand redet, dann fasste derjenige manchmal alleine dadurch schon ein gewisses Maß an Vertrauen. Und immerhin hatte er uns ja auch verraten, dass Devid Dresel sich mit dem Mord an unserem Kollegen Schmitten gebrüstet hatte.
Irgendjemand hatte das gewusst oder davon erfahren. Und dafür, so war ich überzeugt, hatte man ihn jetzt bezahlen lassen.
“Ich kann Ihnen nichts sagen”, meinte er schließlich, ohne dass ich oder Rudi aktiv auf dieses Thema zu sprechen gekommen wären. Es schien ihm selbst einfach ein Bedürfnis sein, etwas dazu zu äußern. “Ich kann Ihnen nichts sagen und ich habe Ihnen auch schon zu viel gesagt.”
“Und lassen sich lieber weiter verprügeln - mutmaßlich von den Schlägern, die Ferdinand von Bleicher unter seiner Fuchtel hat.”
“Hören Sie ...”
“Wir haben eine ganze Reihe von denen verhaftet, aber es bleiben anscheinend noch genügend übrig, um Zeugen wie Sie einzuschüchtern! Wenn Sie uns nicht helfen, wird sich daran nichts ändern.”
“Es wird sich auch nichts ändern, wenn ich Ihnen sage, wie das alles zusammenhängt. Das habe ich inzwischen erkannt. Sie können mir im Ernstfall nicht helfen. Und ich will hier weiter leben und dieses Hotel betreiben. Wie gesagt, selbst die DDR hat diesen Betrieb nicht kaputtkriegen können.”
Es hatte wohl wirklich keinen Sinn.
Wir mussten ohne die Unterstützung des Wirtes auskommen.
Und daran würde sich auch nichts mehr ändern, wie ich vermutete.
Es musste einen anderen Weg geben.
Fragte sich nur, wo der zu finden war.
Bis jetzt hatten wir den zweifellos noch nicht gefunden.