Читать книгу Tempelritter und Nachtgeschöpfe: 20 Mystery Thriller um Liebe und Geheimnis: Krimi Koffer - Alfred Bekker - Страница 100
Оглавление19
Am nächsten Morgen suchte ich Dr. Trumballs Praxis auf, das sich zusammen mit seiner Privatwohnung in einer schmucken Villa am Stadtrand befand.
Er musste jetzt eigentlich von seiner Reise zurück sein, wenn die Auskünfte, die von seiner Sprechstundenhilfe erhalten hatte, stimmten.
Während ich meinen roten Mercedes am Straßenrand abstellte, fragte ich mich, was ich ihm eigentlich sagen sollte? Ich hatte nichts Greifbares, nichts, das einen naturwissenschaftlich orientierten Menschen davon hätte überzeugen können, das vielleicht sein Leben in höchster Gefahr war.
Ich hoffte nur, dass John Jennings nicht genug Zeit gehabt hatte, seine Büste zu vollenden. Aber ich hatte ihn bei der Arbeit gesehen und wusste daher, mit welcher Besessenheit er zu Werke ging.
Es war ein nasskalter, ungemütlicher Tag und irgendwie ahnte ich, dass ich zu spät kam.
An der Haustür stand ein Schild mit der Aufschrift PRAXIS GESCHLOSSEN.
Ich klingelte trotzdem. Irgendwie hatte ich den Anblick einer Arzthelferin im weißen Kittel erwartet, aber als die Tür aufging, sah ich einen Bekannten.
Es war Inspektor Carter von Scotland Yard, den ich kurz in John Jennings' Atelier gesehen hatte.
Er sah mich wortlos an, musterte mich kurz von oben bis unten und runzelte dann die Stirn.
"Guten Tag. Sind Sie eine Patientin?"
"Nein, Inspektor Carter", begrüßte ich ihn. Er kniff die Augen leicht zusammen und schien mich jetzt wiederzuerkennen. Mit dem Zeigefinger der rechten Hand deutete er in meine Richtung und meinte: "Ich habe Sie schonmal gesehen..."
"In John Jennings' Atelier", half ich dem Inspektor auf die Sprünge und reichte ihm die Hand, die er mit einigem Zögern auch ergriff. "Mein Name ist Patricia Vanhelsing, LONDON EXPRESS NEWS."
Carters Gesicht lief puterrot an. Er schien ziemlich ärgerlich zu sein.
"Woher...?"
"Ich habe nicht den Polizeifunk abgehört", nahm ich ihm den Wind aus den Segeln. "Ich mache zur Zeit eine Reportage über John Jennings und bin dabei auf ein paar rätselhafte Zusammenhänge gestoßen, die wohl auch dafür verantwortlich sind, dass wir beide zur selben Zeit an diesem Ort sind..." Carter kaute auf seiner schmalen Unterlippe herum und schien darüber nachzudenken, wie er mich einzuschätzen sollte. Dann machte er eine ruckartige Bewegung mit dem Kopf und knurrte jene Worte, auf die ich so sehr gewartet hatte: "Kommen Sie herein!"
"Ich nehme an, Dr. Trumball ist tot", erklärte ich, während wir den Flur entlanggingen.
"Woher wissen Sie das?"
"Sie wären sonst nicht hier. Und außerdem..." Carter blieb stehen und sah mich an. "Ja? Sprechen Sie ruhig weiter, Miss Vanhelsing!"
"Jennings war dabei, eine Steinbüste von Dr. Trumball zu erstellen. Und diejenigen, die ihm zuvor als Vorlagen für solche Büsten gedient hatten, sind jetzt nicht mehr am Leben... Sie alle waren auf irgendeine Weise in Jennings' Unfall verstrickt. Dr. Trumball zum Beispiel war der Arzt, der die erste Hilfe durchführte. Jennings macht ihm bis heute Vorwürfe..."
"Vorwürfe, die völlig haltlos sind!", erklärte Carter. "Aber für einen wahnsinnigen Mörder spielt das keine Rolle..." Ich war überrascht.
"Halten Sie Jennings für einen Mörder?"
"Es spricht alles dagegen. Schon aus medizinischen Gründen kann er es kaum gewesen sein. Dieses Haus beispielsweise hätte er wegen den Stufen am Eingang als Rollstuhlfahrer nicht ohne Hilfe betreten können. Er hat ein Motiv, aber das ist alles. Es steht andererseits ja noch nicht einmal mit Sicherheit fest, dass es wirklich Morde waren..." Carter fuhr sich mit der Hand über das müde wirkende Gesicht und rieb sich dann die Augen. Er zuckte die Achseln.
"Ich weiß es nicht. Mein Gefühl sagt mir, dass ich in dieser Frage nicht halb so schlau wie Sie bin. Es gibt Zusammenhänge, mehr nicht. Ich stehe vor einem Rätsel, Miss Vanhelsing."
Wir gingen ins Wohnzimmer. Auf dem Fußboden war eine Kreidemarkierung, wo der Tote offenbar aufgefunden worden war. Ich ließ den Blick umherschweifen. Vielleicht gab es irgendwo eine Kleinigkeit, die mich weiterbrachte. Ein Hinweis, irgendetwas...
Es war ein ganz gewöhnliches Wohnzimmer. Dicke Eichensessel, die schon einige Jahrzehnte hinter sich hatten, eine große Stereoanlage, ein Fernseher und ein unübersehbarer Dschungel aus Zimmerpflanzen, die es fast unmöglich machten, aus dem Fenster zu blicken.
"Woran starb Dr. Trumball?", fragte ich dann.
"Der Arzt meint, er sei erstickt. Die genaue Ursache dafür ist allerdings rätselhaft... Vor ein paar Tagen erhielt er ein Foto, so wie die anderen Opfer..."
"Haben Sie eine Ahnung, woher die Fotos kommen?" Carter schüttelte den Kopf.
"Nein."
Ich wanderte etwas in dem Raum umher und gelangte zu dem klobigen Schreibtisch, der mehr dekorativen Zwecken zu dienen schien, als dass an ihm wirklich gearbeitet wurde.
"Fassen Sie bitte nichts an", sagte Carter streng.