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John Jennings wollte uns in seinem Atelier empfangen, was an sich schon eine erstaunliche Tatsache war. Schließlich hatte Jennings es ja zunächst kategorisch abgelehnt, dass hier Fotos entstanden.

Beverly Norman, die uns zum Atelier begleitete, zuckte auf eine entsprechende Frage von mir nur die Schultern.

"Er ist ein Künstler, Miss Vanhelsing", erklärte sie dann, so als würde das allein schon Erklärung genug sein. Dann seufzte sie und setzte einen Augenblick später noch hinzu: "Glauben Sie mir, ich weiß, was es heißt, mit einem Mann zusammenzuleben, der unter starken Stimmungsschwankungen leidet... Seit seinem Unfall ist es noch schlimmer geworden. Manchmal regelrecht unerträglich!"

"Ist das der Grund, weshalb Sie beide privat kein Paar mehr sind?", hakte ich nach.

Sie sah mich zunächst etwas überrascht an. Ihr Blick schien sagen zu wollen, dass sie eine solche Frage für eine Unverschämtheit hielt, aber dann veränderte sich ihr Gesicht. Der Ausdruck wurde weicher.

"Ich habe versucht, es auszuhalten", sagte sie dann. "Wissen Sie, er kann sehr ungerecht und jähzornig sein. Und er weiß seine Mitmenschen zu demütigen, wenn ihm danach ist..."

"Das war sicher nicht einfach", erwiderte ich verständnisvoll.

Elizabeth atmete tief durch.

Es schien, als würde sie noch mit sich ringen, ob sie fortfahren sollte. Schließlich sagte sie: "Den Ausschlag bei der Entscheidung, dass John und ich privat getrennte Wege gehen, gab etwas anderes..."

"Und was?", erkundigte ich mich.

Sie wich meinem Blick aus und setzte einmal an, ohne dass ein Wort über ihre Lippen kam. Es schien, als würde sie noch mit sich ringen. "Sie müssen mir versprechen, nicht darüber zu schreiben", forderte sie dann.

Ich nickte.

"Gut, Miss Norman."

"Was ich ihnen jetzt erzähle, weiß bisher - von einem kleinen Kreis abgesehen - niemand. Nichts ist davon bislang an die Öffentlichkeit gedrungen und das ist auch gut so. Wenn es demnächst in den EXPRESS NEWS stünde, wäre das sehr unangenehm für mich...", druckste sie herum.

"Sie können sich auf mich verlassen, Miss Norman", versprach ich, ohne zu wissen, ob ich das auch wirklich halten konnte. Aber es ging mir in dieser Sache längst nicht mehr um eine Reportage. Wenn es etwas Wichtiges über John Jennings zu erfahren gab, dann wollte ich es wissen. Um fast jeden Preis.

Schließlich war es ja möglich, dass das, was Beverly mir erzählen wollte, genau das fehlende Teil in jenem teuflischen Puzzle war, das ich zu lösen versuchte.

"Sprechen Sie!", beschwor ich sie.

Wir standen vor der Tür zum Atelier. Jetzt war die letzte Gelegenheit.

"John hat mehrere Selbstmordversuche hinter sich", sagte Beverly dann leise. "Der letzte liegt noch nicht allzu lange zurück..."

Mehr schien sie darüber nicht sagen zu wollen. Jedenfalls öffnete sich nun vor uns die Tür zum Atelier.

Jim und ich traten ein, während Beverly zurückblieb und die Tür hinter uns schloss.

Jennings saß an seinem Arbeitsplatz. Das Werkzeug lag auf dem Tisch verstreut. Der Künstler wirkte in sich gekehrt. Sein Blick war zum Fenster gerichtet.

Er bemerkte uns gar nicht.

Wir näherten uns und Jim, der zum ersten Mal hier war, sah sich erstaunt um.

Ich suchte das Regal, in dem die Steinbüsten aufgereiht waren. Diese waren jetzt jedoch mit einem Laken bedeckt. In diesem Punkt schien er konsequent geblieben zu sein. Er wollte nach wie vor nicht, dass diese Büsten fotografiert wurden. Vor Jennings auf dem Tisch stand der grobe Umriss eines weiteren Steinkopfes.

Kaltes Grausen erfasste mich bei dem Gedanken, dass dies nichts anderes bedeutete, als dass ein neues Todesurteil auf bislang rätselhafte Weise vollstreckt werden würde. Ich schluckte.

Mit leichtem Zögern umrundete ich den Tisch, so dass ich die Vorderseite der Büste sehen konnte. Noch war nichts Genaues zu erkennen, aber ich hatte die vage Ahnung, dass es diesmal ein Frauengesicht sein würde...

"Hallo, John", sagte ich leise.

Mit einem Ruck drehte er den Kopf und schien aus seiner Traumwelt herauszufinden. Er sah mich an. Links hob sich leicht sein Mundwinkel, was seinem melancholischem Gesicht eine leicht spöttische Note gab.

"Da bist du also, Patricia..."

Er flüsterte es fast.

Irgendeine Art von stillem Vorwurf schwang in seinen Worten mit und ich begann zu ahnen, dass er mir nicht mehr in derselben Weise vertraute, wie an jenem Abend, als er mich in Gladis Maynes magischen Zirkel eingeführt hatte.

Vielleicht bilde ich mir das aber auch nur ein!, ging es mir dann durch den Kopf.

Ich erinnerte mich an das, was Beverly Norman mir über sein launenhaftes Wesen berichtet hatte. Ich versuchte mir einzureden, dass ich noch Herrin der Lage war, ohne auf die warnenden Zeichen zu achten...

"Ah, ich sehe, Sie haben Ihren Fotografen mitgebracht!", sagte Jennings.

"Ja", nickte ich. "Das ist Mr. Field..." Jennings musterte Jim einen Augenblick und erklärte dann:

"Sie können Ihre Bilder machen, Mr. Field. Mein Manager Mr. Erikson hat mich davon überzeugt, dass es für mein Image gut wäre, wenn auch Bilder von meinem Atelier gemacht würden." Jim deutete in Richtung des Regals, in dem die Büsten standen.

"Was ist damit?"

"Das geht Sie nichts an!"

Jennings' Erwiderung war eisig.

Jim machte seine Bilder und Jennings fuhr seinen Rollstuhl dafür bereitwillig an verschiedene Stellen des Ateliers. Das Ganze dauerte etwa eine Viertelstunde, bis Jim schließlich an mich gewandt erklärte. "Ich bin fertig, Patricia."

"Dann ist Ihre Anwesenheit hier wohl nicht mehr notwendig, Mr. Field!", stellte Jennings kalt fest. "Ich werde Beverly rufen, damit sie Sie hinausgeleitet."

Jim zuckte die Achseln und blickte hilfesuchend zu mir.

"Ist schon in Ordnung, Jim", murmelte ich.

Tempelritter und Nachtgeschöpfe: 20 Mystery Thriller um Liebe und Geheimnis: Krimi Koffer

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