Читать книгу Tempelritter und Nachtgeschöpfe: 20 Mystery Thriller um Liebe und Geheimnis: Krimi Koffer - Alfred Bekker - Страница 49
Der Schlangentempel
ОглавлениеDer Dschungel dampfte feucht und heiß, während am Himmel die Sterne funkelten. Das dünne Kleid, das ich trug, klebte mir am Körper und die schwere, von den vielfältigsten Düften durchdrungene Luft dieser wuchernden Pflanzenhölle betäubte meine Sinne.
Ich fühlte, wie mein Herz raste, als ich den düsteren Schatten der Ruine vor mir im Dschungel auftauchen sah. Das fahle Mondlicht fiel auf gigantische, quaderförmige Blöcke, die zum Teil von der wuchernden Pflanzenwelt des Urwalds bedeckt waren. Die Furcht hielt meine Seele wie in einem Schraubstock umklammert. Mir stockte der Atem. Vorsichtig ging ich weiter und bemerkte dabei, wie mir die Knie zitterten. Schließlich erreichte ich die unheimliche Ruine. Das zyklopenhafte Bauwerk wirkte massiv, der Stein war glatt und schien unversehrt. Dicht hing die Aura unvorstellbaren Alters über diesem Ort. Und dann hörte ich eine Stimme flüstern. Es war ein Name.
Ein Name, der mir das Blut in den Adern gefrieren ließ...
Rama'ymuh!
Ich hatte ihn nie gehört und auch keine Ahnung, was er bedeutete. Ich fühlte nur, wie mir ein eisiger Schauer über den Rücken lief.
Rama'ymuh!
Ein zischendes Geräusch drang an mein Ohr. Ich fuhr herum und den Bruchteil einer Sekunde sah ich ein schattenhaftes Etwas sich gegen das fahle Mondlicht abheben.
Doch schon einen Augenaufschlag später war der Schatten hinter einem der gigantischen Quaderblöcke verschwunden. Ich fühlte meinen Puls bis zum Hals schlagen und presste mich mit dem Rücken an die glatte Steinwand. Ich war nicht allein hier, soviel stand fest. Vorsichtig tastete ich mich die Wand entlang. Ein dunkler Gang eröffnete sich vor mir und ich hoffte, dass die Finsternis mich verschluckt hatte... Ich hörte Schritte. Dann wieder dieses Zischen, das mich an irgend etwas erinnerte. Ich zermarterte mir für ein paar schrecklich lange Sekunden das Hirn darüber, dann fiel es mir ein. Es war das Geräusch einer Schlange...
Ich hielt den Atem an.
––––––––
Die Schritte näherten sich. Sie waren langsam und schleppend, so als würde die geheimnisvolle Gestalt etwas suchen... Mich!
Ich schluckte. Der Schatten schien mich bemerkt zu haben.
Ich sah einen schemenhaften Umriss auftauchen und größer werden. Das Zischen wurde lauter. Dann trat die Gestalt ins Mondlicht. Das erste, was ich sah, war ein Paar reptilienhafter Facettenaugen, deren Blick so kalt wie der Tod wirkte.
Dann war die Gestalt wieder im Dunkel und ich sah nichts weiter als einen namenlosen schwarzen Schatten auf mich zukommen. Wie angewurzelt stand ich da. Trotz der Hitze hatte eine Gänsehaut meinen Körper überzogen.
Rama'ymuh... Ich weiß nicht, woher die dunkle Stimme kam, die diesen gespenstischen Namen wisperte. Vielleicht kam sie aus meinem Kopf... Rama'ymuh!
Ich fühlte die furchtbare Nähe dieser Kreatur. Kalte Hände griffen nach mir mit einer unmenschlichen Kraft, der ich nicht das Geringste entgegenzusetzen hatte und ich spürte den Atem des Todes. Der gellende Todesschrei einer Frau durchschnitt die dicke Luft des Dschungels wie ein Messer und es dauerte einen Augenblick, bis ich begriff, dass ich es war, die da schrie...
*
Ich saß kerzengerade in meinem Bett. Kalter Schweiß stand mir auf der Stirn und ich atmete tief durch. Es dauerte eine ganze Weile, bis ich begriff, wo ich mich befand. Ich blickte mich um. Dies war mein Zimmer in Tante Elizabeths Villa. Ich war zu Hause und die schrecklichen Bilder, die mir gerade noch vor Augen gestanden hatten, waren nichts weiter als ein Traum gewesen... Ein Name ging mir flüsternd über die Lippen.
"Rama'ymuh..." Ich war über mich selbst überrascht und für den Bruchteil eines Augenblicks kehrte eine Ahnung jenes Schreckens zurück, den ich gerade noch empfunden hatte. Die Tür meines Zimmer öffnete sich und meine Großtante Elizabeth Vanhelsing trat in den Raum.
"Patricia!", entfuhr es ihr. "Du hast geschrien! Was ist los?"
Ich strich mir die Haare aus den Augen und atmete tief durch.
"Ich weiß es nicht", murmelte ich, fast wie in Trance.
Tante Elizabeth setzte sich zu mir aufs Bett und sah mich ernst an. "Ein Traum?", fragte sie.
Ich nickte. "Ja, ein Traum." Elizabeth bedachte mich mit einem nachdenklichen Blick und ich wusste sofort, was in ihr vorging. Dazu kannte ich meine Großtante, bei der ich nach dem Tod meiner Eltern aufgewachsen war, einfach zu gut.
"Willst du mir den Traum erzählen?", fragte sie dann etwas zögernd.
"Hat das nicht bis morgen früh Zeit?", fragte ich zurück, denn ich hatte wenig Sinn dafür, mir die furchtbare Szene noch einmal zu vergegenwärtigen.
"Morgen früh hast du ihn vielleicht schon vergessen", gab sie zu bedenken und damit hatte sie natürlich recht.
"Du glaubst, dass einer dieser besonderen Träume war, nicht war, Tante Elizabeth?"
Sie nickte. "Es könnte doch sein, oder nicht?"
Ich sah sie an. Meine Tante Elizabeth hatte ein besonderes Interesse an allem Übersinnlichen. Ihre Villa war eine Art Privatmuseum zu den Bereichen Okkultismus, Parapsychologie und Archäologie. Das Haus war voll von Artefakten obskurer Kulte, archäologischen Ausgrabungsstücken und enthielt ein Archiv zu diesem Bereich, das sicher weit und breit seinesgleichen suchte. Frederik Vanhelsing, Elizabeths verschollener und vermutlich verstorbener Mann war ein bekannter Archäologe gewesen und Elizabeths Interesse an diesen Dingen rührte sicher daher. Jedenfalls glaubte sie, dass ich über leichte hellseherische Fähigkeiten verfügte, die sich vor allem in Träumen und Tagträumen äußerten. Seit ich als Kind einen Hausbrand im Traum vorhergesehen hatte, war sie von dieser Idee nicht abzubringen gewesen - und mittlerweile hatte sie mich immerhin so weit gebracht, dass ich zumindest die Möglichkeit einräumte, dass sie vielleicht recht hatte.
"Du hast mir versprochen, deine Träume ernst zu nehmen, mein Kind", sagte Elizabeth sehr ernst.
"Rama'ymuh", murmelte ich vor mich hin.
"Was?" Tante Elizabeth hob die Augenbrauen. Ihre Hände hatten meine Schultern umfasst und sie sah mich geradezu beschwörend an.
"Wovon sprichst du?"
"Lass mich schlafen, Tante Elizabeth!"
"Nein, erzähl mir erst den Traum! Bestimmt hatte er etwas zu bedeuten! Ich fühle es!"
Ich seufzte und rieb mir die Schläfen. Ein bleiernes Gefühl der Müdigkeit hatte sich auf einmal wie ein Schleier über mich gelegt. Ich unterdrückte ein Gähnen und fasste Tante Elizabeth den Traum dann in knappen Worte zusammen. "Rama'ymuh, das war der Name, den ich dann auf meinen Lippen hatte", endete ich schließlich. "Weißt du, was dieses Wort bedeutet, Tante Elizabeth?"
Elizabeth machte ein nachdenkliches Gesicht und schüttelte dann energisch den Kopf. "Nein", flüsterte sie. "Ich habe keine Ahnung, was dieses Wort bedeutet..."
*
Ich schlief den Rest der Nacht traumlos und wie ein Stein. Am Morgen erschien mir alles so unwirklich und die Erinnerung an den Alptraum war tatsächlich merklich verblasst. Ich war spät dran und noch ziemlich müde. Selbst Tante Elizabeths starker Kaffee schien mich heute nicht so recht munter machen zu können. Als ich dann wenig später meinen roten, etwas altmodischen Mercedes bestieg, wusste ich, dass ich das Gebäude der London Express News nicht mehr rechtzeitig erreichen würde.
Ich war Reporterin für dieses Boulevard-Blatt und hatte es gerade in mühevoller Kleinarbeit geschafft, meinen Chef Michael T. Swann davon zu überzeugen, dass ich mehr konnte, als dieser mir ursprünglich zugetraut hatte. Aber was Swann auf den Tod nicht ausstehen konnte war Unpünktlichkeit. In Gedanken bereitete ich mich bereits auf das zu erwartende Donnerwetter vor. Und dann war da noch dieser Traum der vergangenen Nacht und ein geheimnisvoller Name, der mir einfach nicht aus dem Sinn gegen wollte. Rama'ymuh... vielleicht hatte Tante Elizabeth recht und es war tatsächlich einer dieser besonderen Träume, die mir etwas über die Zukunft sagten. Mir fröstelte allein schon bei dem Gedanken und hoffte in diesem Moment nichts so sehr, als das meine Großtante sich diesmal irrte.
Sie sprach immer von einer Gabe. Aber ich bin mir nicht sicher, ob das wirklich das richtige Wort dafür ist. Fluch - das könnte man ebenso gut dazu sagen.
Ich hatte einige Mühe, auf dem zum Verlagsgebäude gehörenden Parkplatz noch eine Lücke für meinen Mercedes zu finden. Als ich das Großraumbüro betrat, in dem die Redaktion des News arbeitete und in dem auch mein Schreibtisch stand, kam mir Jim Field, der Fotograf, schon entgegen.
Er trug zerschlissene Jeans und die zwei Kameras, die um seinen Hals hingen, brachten das abgetragene Jackett völlig außer Form. Dass man den Kragen vermutlich nicht mehr retten konnte, schien ihn kaum zu stören. Er schüttelte den Blondschopf aus dem Gesicht und lächelte mich an.
"Hallo, Patti!", rief er.
"Tag, Jim!"
"Swann lässt schon überall nach dir fahnden. Ich hab gesagt, dass du im Archiv bist, wegen einer Recherche."
"Du bist ein Schatz!"
Jim grinste. "So etwas hört man gerne. Aber jetzt sollten wir keine Zeit verlieren. Mister Swann erwartet uns in seinem Büro."
Ich atmete tief durch. "Hast du schon irgend eine Ahnung, worum es geht?" Jim grinste von einem Ohr zum anderen und das bedeutete, dass er ganz genau Bescheid wusste.
"Lass dich überraschen!", meinte er und dabei ließ er seine blauen Augen schelmisch blitzen.
"Nicht ein kleiner Tipp? Ich hoffe nicht, dass Mister Swann uns so etwas aufregendes wie einen Bestechungsskandal bei den Taubenzüchtern aufdrängen will...."
"Ein kleiner Tipp, also?"
"Ja!"
"Also gut, weil du es bist. Wusstest du schon, dass ich hellseherische Fähigkeiten habe?"
Ich musste unwillkürlich lächeln. "Du auch?", erwiderte ich und er schien das für einen Witz zu halten.
Jim Field kam etwas näher und flüsterte mir ins Ohr: "Ich sage dir voraus, dass du bald eine weite Reise machen wirst..."
"Wohin?"
"In den Dschungel..." Jim sah mir ins Gesicht und plötzlich verschwand die Heiterkeit aus seinen Zügen. "He, Patti! Was ist los? Du bist ja ganz blass geworden!"
*
"Ist Ihnen der Name Allan Porter ein Begriff, Patricia?", fragte Michael T. Swann, ohne dabei von seinen Unterlagen aufzublicken. Sein Schreibtisch war über und über mit Manuskripten bedeckt und ein großer Aktenstapel drohte jeden Moment umzukippen. Natürlich war Professor Dr. Allan Porter mir ein Begriff. Er hatte die größten populärwissenschaftlichen Bestseller der letzten Jahre geschrieben und wurde schon in einem Atemzug mit Erich von Däniken genannt. Jim Field meldete sich zu Wort, ehe ich etwas sagen konnte.
"Ist das nicht dieser Archäologe, der behauptet, dass es vor den Menschen bereits eine andere intelligente Rasse auf der Erde gegeben hat?"
Swann nickte.
"Sehr richtig. Und zwar eine Rasse intelligenter Reptilien. Reste ihrer Zivilisation sind Professor Porter zu Folge bis in historische Zeit hinein vorhanden gewesen... Jedenfalls glaubt Porter nun, im brasilianischen Urwald den endgültigen Beweis für seine Theorien gefunden zu haben..."
"Einen endgültigen Beweis?", fragte ich zögernd und mit deutlicher Skepsis im Tonfall.
Der Name Allan Porter war mir gut genug bekannt, um zu wissen, dass seine Theorien vom Rest der archäologischen Fachwelt rundweg abgelehnt wurde. Zum Teil hatte sicher die Tatsache dazu beigetragen, dass Porter seine Theorien äußerst geschickt in Büchern und Filmdokumentationen zu vermarkten wusste und schon von daher als unseriös galt.
Michael Swann sah mich an und nickte dann, nachdem er sich kurz die Nasenwurzel gerieben hatte. "Ja, im brasilianischen Regenwald ist ein geheimnisvolles und vermutlich uraltes Gebäude gefunden worden, das Porter mit seinen Theorien in Verbindung bringt..."
"...so wie ein paar Dutzend andere archäologische Fundstätten in aller Welt ebenfalls!", ergänzte Jim nicht ohne Sarkasmus.
"Diesmal scheint aber wirklich etwas dran zu sein. Selbst wenn sich Porters Theorien eines Tages als falsch erweisen sollten - dieses Gebäude im Dschungel ist eine Sensation. Kurz und gut, Sie, Patti und Jim, sollen Porter auf seine nächste Expedition nach Brasilien begleiten..."
Einen Moment musste ich an den Traum denken. An den dampfenden Dschungel und das aus großen Quadern errichtete Bauwerk, das ich gesehen hatte... Und die kalten Facettenaugen, in denen der Tod gelauert hatte... Ich schluckte. Du hattest recht, Tante Elizabeth!, musste ich zugeben. Es war einer jener besonderen Träume gewesen, in denen sich meine hellseherischem Fähigkeiten zeigten. Einen Zweifel konnte es für mich in dieser Frage nicht mehr geben.
"Was ist los, Patti?", fragte Michael T. Swann mit leicht besorgtem Unterton in der Stimme. "Ich dachte, dieses Thema liegt Ihnen! Schließlich haben Sie doch ein Interesse an solchen - wie soll ich sagen? - rätselhaften Dingen."
"Ja. Sie haben schon recht."
"Okay. Dann bringen Sie mir eine gute Reportage."
Ich blickte auf. "Wann geht es los?"
"Sie fliegen morgen nach Rio de Janeiro. Dort treffen Sie Porter, der Sie dann ins Amazonas-Gebiet bringen wird, wo er ein Flussschiff gechartert hat. Den Rest des Tages bekommen Sie beide frei, damit Sie sich auf die Sache vorbereiten können!" Jim und ich wechselten einen ziemlich überraschten Blick. Keiner von uns brauchte in diesem Moment auch nur ein Wort zu sagen, um die Gedanken des anderen lesen zu können und das hatte nun wirklich nichts mit übersinnlichen Kräften zu tun. Sieh an, ging es mir durch den Kopf. Selbst Michael T.Swann konnte hin und wieder großzügig sein. Wer hätte das gedacht...
*
"Nach Brasilien?", fragte mich Elizabeth, als ich wieder zu Hause war. "Und so plötzlich?"
"Ja", nickte ich.
"Du solltest an deinen Traum denken, Kind."
"Tante Elizabeth!"
Sie sah mich sehr ernst an. "Ja, das meine ich wirklich! Können die vom News nicht einen Kollegen nach Brasilien schicken? Mir wäre wohler dabei..."
"Tante Elizabeth! Bisher haben mir die Träume immer geholfen, den Gefahren zu entgehen. Warum sollte ich mich fürchten? Erinnerst du dich noch, als ich nach Südfrankreich fuhr, um wegen dieser ominösen Templer-Sekte zu recherchieren? Auch da hatte ich zuvor einen Alptraum, der sich dann sogar erfüllte, aber..."
"Du hattest einfach Glück, Patti!", unterbrach Elizabeth Vanhelsing mich hart. Und vielleicht hatte sie sogar recht und ich redete mir nur etwas ein, damit ich meiner Furcht Herr werden konnte.
Elizabeth sah mich an und ihr Blick hatte etwas Trauriges.
"Ich werde dich nicht aufhalten können, nicht wahr?" Es war keine Frage, sondern eher eine Feststellung.
Ich nickte.
"Ich glaube, du hast recht, Tante Elizabeth. Ich muss einfach dorthin. Es interessiert mich auch, ob etwas dran ist an den den Theorien von diesem Allan Porter. Er behauptet, es habe eine vormenschliche intelligente Rasse von schlangenartigen Reptilienwesen gegeben, die möglicherweise sogar im Stande gewesen ist, eine Hochzivilisation aufzubauen... Doch selbst wenn das alles nur Scharlatanerie ist und kein Wort aus Porters Büchern stimmt: Das Bauwerk, das jetzt im Dschungel gefunden wurde ist auf alle Fälle Realität - und eine Sensation."
"Wie willst du das beurteilen?", erkundigte sich Elizabeth schwach.
"Wir haben ein paar Foto bekommen. Etwas unscharf zwar, aber irgend etwas ist dort draußen..." Ich beobachtete Tante Elizabeth dabei, wie sie mit einer grazilen Handbewegung ihre Teetasse zum Mund führte. Sie wirkte sehr in sich gekehrt dabei und schien über irgend etwas intensiv nachzudenken.
Dann trafen sich unsere Blicke.
"Rama'ymuh", flüsterte ich. "Dieser Name geht mir einfach nicht aus dem Kopf..."
"Ich habe in meinem Archiv gestöbert, aber nichts darüber gefunden. Selbst in Frederiks Unterlagen nicht. Allerdings ist das auch nicht ganz einfach, wenn man nicht so recht weiß, in welchem Zusammenhang dieses Wort eine Rolle spielt. Du glaubst, dass es ein Name ist, Patti. Und wahrscheinlich hast du recht damit. Aber das reicht nicht, um etwas darüber herauszufinden..."
Ich versuchte ein Lächeln und erwiderte: "Ich danke dir trotzdem für deine rührenden Bemühungen."
Elizabeths Blick ruhte noch immer auf mir und ich begann mich unbehaglich zu fühlen. Sie schien mir noch etwas sagen zu wollen. Schließlich brachte sie heraus: "Ein anderer Name geht mir nicht aus dem Kopf, Patti..."
"Und der wäre?"
"Allan Porter. Er hat früher - bevor er mit seinen abenteuerlichen Theorien an die Öffentlichkeit trat und damit ein Vermögen verdiente - mit Frederik zusammengearbeitet.Auf Frederiks letzter Expedition begleitete Porter ihn..."
Ich wusste nicht viel darüber. Eigentlich nur, dass mein Großonkel Frederik Vanhelsing von seiner letzten Expedition nicht zurückgekehrt war und seitdem als verschollen galt.
"Die Expedition führte ebenfalls ins Amazonas-Gebiet", hörte ich Elizabeth sagen. Und das versetzte mir einen Stich.
*
Die Tatsache, dass Allan Porter irgendwie in einem Zusammenhang mit dem Verschwinden meines Großonkels zu tun hatte, bedeutete einen weiteren Grund für mich, auf jeden Fall an dieser Expedition teilzunehmen. Das Schicksal Onkel Frederiks war immer im Dunkeln geblieben und es war höchst unwahrscheinlich, dass ich auf dieser Reise etwas Licht in sein Schicksal bringen konnte. Und doch hatte ich das Gefühl, ihm auf irgendeine näher zu sein, wenn ich an dieser Expedition in den Regenwald teilnahm. Wir flogen mit einem Linienflug der British Airways nach Rio de Janeiro. Während des Fluges verbrachte ich den größten Teil der Zeit damit, die letzten Bücher von Allan Porter zu lesen. Schließlich wollte ich mitreden können und verstehen, worum es ging.
Jim Field vertrieb sich die Zeit mit einem Game Boy und bedachte mich mit seiner sanften Art des Spottes. "Ob Michael Swann weiß, dass du dich nicht eine einzige Sekunde von deiner Arbeit ablenken lässt?"
"Ha, ha!", machte ich und mein Lächeln hat sicher eine etwas gequälten Eindruck gemacht.
Jim grinste breit. "Jedenfalls wird er es dir kaum danken, Patti. Das tut er nie."
"Vielleicht bist du jetzt doch ein bisschen ungerecht gegenüber Swann."
"Meinst du?"
Ich zuckte die Achseln und erklärte dann: "Jedenfalls möchte ich meinen Job so gut wie möglich machen, Jim! Und das bedeutet, dass ich wissen muss, worüber ich schreibe. Vielleicht hast du es da mit deinen Bildern etwas leichter..."
Jim lachte schallend. "Du glaubst, dass man, um ein Bild zu machen nur einen Finger braucht, um auf den Auslöser zu drücken - aber keinen Verstand."
Ich zuckte die Achseln.
"Das hast du jetzt gesagt, Jim!", lachte ich.
Der Fotograf seufzte. "Ich hatte mir diese Reise als eine Art Urlaub vorgestellt. Wir zwei, unter der heißen Sonne Brasiliens..."
"Ach Jim", unterbrach ich ihn.
"Du weißt, dass ich mich hoffnungslos in dich verliebt habe", erklärte Jim.
"Ich weiß. Aber die Betonung liegt auf hoffnungslos, Jim! Vergiss das nicht!"
Jim seufzte. "Wie könnte ich!"
Wir lachten beide. Es war ein Spaß zwischen uns, der allerdings einen ernsten Kern enthielt. Jims Schwärmerei für mich war nämlich echt, auch wenn er wusste, dass keine Chance bestand, dass wir privat ein Paar werden würden. Beruflich waren wir ein hervorragendes Team, und sicherlich war Jim ein außerordentlich sympathischer junger Mann. Aber er war trotz allem nicht der Typ Mann, bei dem ich weiche Knie bekommen hätte. Und das wusste er und akzeptierte es auch.
Beim Anflug auf den Airport sahen wir unter der Wolkendecke den Zuckerhut. Jim machte natürlich ein paar Bilder, wobei mir fraglich schien, ob die durch die dicken Doppelglasscheiben des Flugzeug gemachten Fotos überhaupt etwas werden konnten.
Aber da wollte ich mich nicht einmischen. Schließlich war Jim auf diesem Gebiet der Fachmann. Am Flughafen holten wir unser Gepäck ab und dann gingen wir zum Schalter einer karibischen Airline. Das war unser Treffpunkt, an dem Allan Porter uns in Empfang nehmen wollte. Ich hatte Fotos von Porter gesehen. Auf den meisten Schutzumschlägen seiner archäologischen Bestseller war ein Bild von ihm. Ich reichte Jim eines der Bücher und meinte: "Hier, wenn du diesen Mann siehst, dann sag sofort Bescheid!" Aber von Allan Porter war nirgends etwas zu sehen. Langsam wurde ich ungeduldig.
"Bist du dir sicher, dass dies der richtige Treffpunkt ist?", fragte Jim etwas süffisant.
"Natürlich bin ich mir sicher."
Wir warteten noch etwas und ließen immer wieder den Blick über die zahllosen Menschen schweifen, die die Schalterhalle bevölkerten.
"Sind Sie die Leute von den London Express News?", fragte plötzlich hinter mir eine Stimme und ich drehte mich herum.
Die Stimme gehörte einer recht gutaussehenden, sehr gepflegten Frau, die auf Ende vierzig schätzte.
"Ja?", sagte ich.
Die Frau reichte mir die Hand. "Ich bin Deborah Porter. Mein Mann konnte leider nicht persönlich erscheinen, um Sie abzuholen. Er kümmert sich gerade darum, dass wir in Manaus ein vernünftiges Schiff bekommen. Sie sind Miss Patricia Vanhelsing?"
Ich nickte und deutete auf Jim. "Ja, die bin ich. Und dies ist mein Kollege Jim Field. Er wird für die Fotos verantwortlich sein."
"Ah, ja." Sie musterte Jim kritisch und gab ihm dann etwas zögernd die Hand. Anstatt diese Geste zu erwidern, machte Jim erst einmal ein Bild von Mrs. Porter, was dieser sichtlich missfiel.
"Angenehm, Sie kennenzulernen", sagte Jim dann. Aber Deborah Porters war ziemlich säuerlich.
"Sie haben Ärger mit dem Schiff?", fragte ich dann. "Ich dachte, es läge bereits im Manaus bereit!"
Deborah nickte und seufzte dabei. "Das hatten wir auch gedacht. Aber dann hat der Schiffseigentümer plötzlich Schwierigkeiten gemacht. Offensichtlich hatte er ein und dasselbe Schiff mehrfach chartern lassen... Wir haben das in die Hände unseres Anwalts gegeben."
"Aber jetzt haben Sie Ersatz?"
Deborah nickte.
"Ja. Wir werden mit der AMAZONAS QUEEN fahren. Sie gehört einem gewissen Mike Silva. Er ist halb Amerikaner." Sie sagte das, als ob das allein schon eine Garantie dafür war, dass es diesmal keinen Ärger gab, was natürlich purer Unsinn war.
*
Deborah Porter hatte für Jim und mich Zimmer in einem Vier-Sterne Hotel gebucht. Unser Weiterflug war erst 24 Stunden später.
Jim wollte die Gelegenheit nutzen und sich Rio ein bisschen ansehen. "Schließlich werde ich nicht so bald wieder die Gelegenheit dazu haben", meinte er.
Ich hatte keine Lust mitzukommen. Ich fühlte mich einfach zu zerschlagen. Außerdem machte mir die Zeitumstellung zu schaffen.
In der Nacht schlief ich schlecht. Immer wieder sah ich die großen Quaderblöcke im Dschungel vor mir und hatte diesen seltsamen Namen auf den Lippen: Rama'ymuh...
Schließlich blieb ich wach und sah mir das Fernsehprogramm an, bis ich in einen traumlosen Schlaf fiel, aus dem mich am Morgen ein heftiges Klopfen an der Tür weckte. Es war Jim.
"Aufstehen, Patti! Wir müssen los! Das Flugzeug wird nicht auf uns warten!"
"Ich komme gleich!", gähnte ich.
Den Großteil des Inlandflugs nach Manaus verschlief ich dann. Diese Großstadt inmitten des Dschungels liegt genau dort, wo der Amazonas und der Rio Negro sich teilen. Der Amazonas wird von hier ab flussaufwärts Solimoes genannt.
Die AMAZONAS QUEEN lag im Hafen, ein schon etwas in die Jahre gekommenes Flussschiff, das zwar mal einen neuen Anstrich hätte vertragen können, aber ansonsten sehr solide wirkte. Zumindest soweit ich das als Laie beurteilen konnte.
Allan Porter begrüßte uns, als wir die Pier erreichten, an der die AMAZONAS QUEEN festgemacht war. Er war ein Mann mit graumelierten Haaren und einem hageren Gesicht, in dessen Mitte zwei blaue Augen hell blitzten. Die hervorspringende Nase gab ihm einen stolzen, fast aristokratischen Zug.
"Ich freue mich sehr, dass Sie zu uns gefunden haben, Miss Vanhelsing!", begrüßte er mich. "Meine Frau hat Ihnen sicher von unseren Problemen erzählt..."
"Ja, das hat Sie."
Er deutete auf den Mann neben sich, den ich auf Anfang dreißig schätzte. Er hatte ein feingeschnittenes, sympathisch wirkendes Gesicht, dessen untere Hälfte allerdings von einem Drei-Tage-Bart bedeckt wurde.
Seine Haut war braungebrannt und bildete einen starken Kontrast zu den hellblonden Haaren.
Der Blick seiner meergrünen Augen musterte mich auf eine fast unverschämte Art und Weise. Um seine Lippen stand ein freundliches Lächeln.
"Das ist Mike Silva, der Kapitän und Eigner der AMAZONAS QUEEN", hörte ich Allan Porters Stimme sagen.
"Guten Tag", sagte ich.
"Nennen Sie mich Mike", sagte der Kapitän der AMAZONAS QUEEN und reichte mir die Hand. Er hielt sie einen Augenblick länger, als eigentlich notwendig gewesen wäre. "Das Schiff wird Ihnen gefallen", erklärte er dann. "Es ist zwar kein Luxusliner, aber die Kabinen sind in Ordnung und es ist für alle genug Platz - trotz der umfangreichen Ausrüstung, die Mister Porter mitnehmen will!"
"Wann brechen wir auf?", erkundigte sich Jim.
Mike Silva lachte. "Sobald Sie an Bord sind!" Und im nächsten Moment hatte Silva mir das Gepäck abgenommen.
*
Das Schiff verfügte über einen erstaunlich großen Innenraum, den man ihm von außen gar nicht ansah.
Mike Silva brachte meine Sachen in jene Kabine, die mir zugedacht war. Jims Kabine befand sich auf der anderen Seite des Schiffs.
"Wenn Sie etwas brauchen, dann sagen Sie mir einfach Bescheid", meinte Mike. Seine Stimme hatte dabei ein tiefes, wohltuendes Timbre.
Er sah genau so aus, wie man sich einen verwegenen Abenteurer vorstellte und irgendwie fühlte ich mich von ihm magisch angezogen.
"Ich habe gehört, Sie seien halb Amerikaner", sagte ich und und er nickte. Als er lächelte zeigte er zwei Reihen makelloser Zähne.
"Das stimmt", bestätigte er. "Ich bin der Sohn einer Amerikanerin und eines Brasilianers."
"Sie haben ein schönes Schiff!"
"Das finde ich auch. Allerdings sah es wesentlich schlechter aus, als ich die AMAZONAS QUEEN kaufte. Sie sollte schon verschrottet werden, aber ich habe sie wieder instand gesetzt und betreibe nun ein Charterunternehmen damit... Ich bin schon ganz schön herumgekommen in der Welt, aber nirgends gefällt es mir so gut, wie auf diesem Strom!"
Er sah mich an und schien meine Gedanken zu lesen und setzte hinzu: "Sie scheinen nicht gerade begeistert zu sein..."
"Ich habe nichts gegen den Amazonas", erklärte ich. "Aber klimatisch bevorzuge ich etwas kühlere Gegenden."
"Manaus ist noch nicht der Regenwald . Aber wenn wir erst einmal im Dschungel sind, dann werden Sie die Schönheit dieses Landes vielleicht auch empfinden. Es ist einzigartige Magie, die mit nichts zu vergleichen ist..."
Eine einzigartige Magie..., so wiederholte ich in Gedanken.
So etwas schien auch von diesem Mann auszugehen und ich spürte, dass ich mich diesen Empfindungen kaum entziehen konnte. Vielleicht wollte ich es auch gar nicht.
Warum auch? dachte ich.
Dann ertönte auf einmal ein dröhnendes Geräusch, das das ganze Schiff zu durchdringen schien und den Boden zum Vibrieren brachte.
"Was ist das?", fragte ich.
Mike Silva lächelte nachsichtig.
"Sergio, mein Maschinist, hat den Motor angeworfen. Wir fahren los, den Fluss hinauf!" Er legte zwei Finger an den Schirm seiner Mütze und meinte: "Sie entschuldigen mich jetzt bitte. Ich muss auf die Brücke."
"Natürlich."
"Wir werden sicher noch ausführlich Gelegenheit haben, uns zu unterhalten."
Für einen Augenblick sahen wir uns an und der Blick seiner meergrünen Augen war wie ein Versprechen.
*
Die AMAZONAS QUEEN verfügte über eine Art Salon und in den lud Allan Porter uns ein. Eduardo Gomes, einer der Besatzungsmitglieder der AMAZONAS QUEEN stand hinter der Bar und mixte ein paar erfrischende Drinks, während ein Blick durch die Bullaugen zeigte, dass der Hafen von Belem längst hinter uns verschwunden war.
Während Eduardo die Gläser füllte stellte Porter mir eine junge Frau vor, sicher kaum älter als ich. Sie war dunkelhaarig und schlank.
Ihr Gesicht war hübsch, aber in ihren Augen leuchtete eine kalte Entschlossenheit, die nicht zu ihrem Alter passen wollte.
Sie hieß Sandra McKinley und Allan Porter stellte sie mir als seine Assistentin und wichtigste Mitarbeiterin vor.
Sie schenkte mir ein Lächeln, dass in erster Linie Geringschätzung ausdrückte.
"Es freut mich, Sie kennenzulernen, Miss Vanhelsing", erklärte sie, aber der Blick ihrer Augen strafte sie Lügen.
Jemand drückte mir einen Drink in die Hand und einen Augenblick später wurden die Gläser gehoben.
"Auf die Entdeckung des Jahrhunderts!" erklärte Allan Porter. Er sagte das im Brustton der Überzeugung.
"...und darauf, dass sie in aller Welt bekannt wird!", ergänzte Deborah Porter und lächelte dabei mir und Jim zu.
Die ganze Sache war tatsächlich auf Gegenseitigkeit beruhend.
Der News bekam eine Bombenstory und Porter eine kostenlose Werbung für seinen neuen Bestseller. Alle profitierten davon.
"Wir hatten nicht sehr viel Zeit, uns mit der Angelegenheit auseinanderzusetzen", sagte ich, nachdem alle getrunken hatten. "Vielleicht erläutern Sie uns etwas genauer, was uns da draußen im Dschungel erwarten wird..."
Allan Porter lächelte dünn.
"Selbstverständlich. Also vor kurzem wurde irgendwo, an einem der unzähligen Nebenflüsse des Amazonas, mitten im Dschungel die Ruine eines sehr seltsamen Bauwerks entdeckt.
Die Indianer der Gegend nennen es das HAUS DER GÖTTER und glauben, dass es die Heimat ihres schlangenköpfigen Totengottes Rama'ymuh ist. Ein Tempel sozusagen. Ich war bereits einmal dort, obwohl die Indianer es als Tabu-Zone ansehen und ziemlich unangenehm werden können, wenn man das nicht respektiert... Beeindruckend, kann ich Ihnen sagen! Ich habe ein paar Bilder gemacht."
"Die hat man uns in der Redaktion gezeigt", mischte sich Jim ein. "Nicht gerade besonders gute Abzüge."
Porter zuckte die Achseln.
"Auf diesem Gebiet bin ich kein Experte. Außerdem hatte ich nicht viel Zeit. Ich war mit einem windigen Buschpiloten dorthin geflogen und hatte kein Team und kaum Ausrüstung dabei. Aber das hole ich ja jetzt nach!"
"Und wenn sich die Theorie von einem intelligenten Schlangenvolk nicht bestätigt?", hakte ich nach, ehe das Gespräch in irgendwelche Nebensächlichkeiten abgleiten konnte.
Porter sah mich an. Er nippte kurz an seinem Glas, dann schien der Blick seiner stechenden Augen mich geradezu zu durchbohren. Ein fanatisches Feuer brannte in diesen Augen.
Ein Feuer, das ihn vorwärts trieb und ihn nicht ruhen lassen würde, ehe er erreicht hatte, was er wollte. Die freie Hand ballte er unwillkürlich zur Faust. "Sie werden diesen Tempel in Kürze mit eigene Augen sehen und sich selbst überzeugen können! Das ist kein Bauwerk, das von oder für Menschen erschaffen wurde!"
"Könnte das Bauwerk nicht von einer frühen Indio-Kultur stammen?", fragte ich.
Jetzt mischte sich Sandra McKinley, Porters Assistentin ein. "Die mächtigen Steinquader sind bereits mindestens zehntausend Jahre vor dem ersten Indio dagewesen. Jedenfalls hat das die Analyse der Proben gegeben, die Professor Porter genommen hat."
Und dann setzte Allan Porter noch etwas hinzu, was mich wirklich stutzen ließ.
Er sagte: "Außerdem besteht die - wenn auch nicht sehr wahrscheinliche - Möglichkeit, dass sich einzelne, vielleicht degenerierte Exemplare dieser Schlangenwesen vielleicht bis in unsere Zeit erhalten haben... Jedenfalls gibt es in der Gegend immer weder rätselhafte Todesfälle unter den Indios und Legenden über den Schlangengott Rama'ymuh, der seinen Tempel verlässt, um nach Opfern zu suchen..."
Ich runzelte die Stirn. "Ich dachte, Sie hätten den Tempel bereits betreten..."
"Es ist ein riesiges Bauwerk, Miss Porter. Und wahrscheinlich verfügt es sogar über unterirdische Kammern. Ein riesiger großer Irrgarten, wie geschaffen für eine solche Kreatur, um sich zu verstecken..."
Ich wechselte einen Blick mit Jim, in dessen Gesicht ich Skepsis lesen konnte. Er zuckte leicht die Schultern.
Ich dachte an den Traum, den ich gehabt hatte und ein Schauder ging mir über den Rücken. Obwohl es schwülwarm war, fröstelte ich auf einmal und fühlte mich sehr unbehaglich.
"Noch ein Drink, Miss Porter?", hörte ich Eduardos Stimme, der in akzentschwerem Englisch sprach.
Ich schüttelte den Kopf.
"Nein, danke."
Small-talk löste dann das Gespräch über Porters Theorien ab. Jim unterhielt sich mit Eduardo Gomes über die Route, die die AMAZONAS QUEEN nehmen würde, aber so genau schien Eduardo sich auch nicht auszukennen. "Da fragen Sie besser den Kapitän, Senhor Silva!", wimmelte er den Fotografen ab.
Ich bekam mit, wie die Porters sich etwas zur Seite wandten und kurz miteinander sprachen. Sie machten beide einen sehr gereizten Eindruck. Sandra McKinley beobachtete das sehr interessiert. Als sie bemerkte, dass ich sie dabei ansah, zeigte sie mir ein flüchtiges Lächeln.
"Sind Sie das erste Mal in Südamerika?", erkundigte sich die junge Frau, aber ich hatte das Gefühl, dass sie das nur fragte, um überhaupt etwas zu sagen.
Ich nickte.
"Ja. Aber mein Großonkel war schon einmal hier. Frederik Vanhelsing. Er hat Professor Porter auf einer Expedition begleitet. Leider ist Onkel Frederik seitdem verschollen..."
Sandra sah mich an und hob die Augenbrauen. Dann schluckte sie. "Davon wusste ich nichts", sagte sie. "Ich meine, ich wusste nicht, dass der berühmte Frederik Vanhelsing Ihr Onkel ist."
"Großonkel", korrigierte ich.
Sandra warf dann noch einen Blick zu den Porters hinüber, die ihren kleinen Disput inzwischen beigelegt zu haben schienen. Sie versuchte entspannt zu wirken, was ihr gründlich misslang. Ein seltsames Dreieck, die Porters und Sandra, so ging es mir durch den Kopf.
*
An den nächsten Tagen geschah nicht viel. Die AMAZONAS QUEEN fuhr flussaufwärts. Ich hielt mich oft an Deck auf, vor allem in den frühen Abendstunden. Der Hitze konnte man nirgends entkommen, schon gar nicht in den Kabinen. Zwar war auf jeder Kabine ein Ventilator, aber der konnte gegen eine derart hohe Luftfeuchtigkeit auch nicht viel ausrichten. Jim hatte schon ein paar Filme verknipst. Alle fürs Privatalbum, wie er meinte. Ich hoffte nur, dass er Profi genug war, um noch genügend Bilder für die seltsame Ruine übrig zu haben.
Mike Silva wechselte sich mit einem hochgewachsenen Mulatten namens Sergio Cunhal auf der Brücke ab. Mit Sergio war die Unterhaltung ziemlich schwierig. Er sprach nur sehr schlechtes Englisch und ich leider überhaupt kein Portugiesisch.
Einmal winkte Mike mir aus der Brücke heraus zu und so ging ich zu ihm hinauf.
"Kommen Sie ruhig herein", hörte ich ich Mike sagen, als ich die Leiter hinaufgeklettert war und die Tür zur Brücke geöffnet hatte.
"Von hier oben hat man eine herrliche Aussicht", staunte ich.
Mike lachte. "Genießen Sie sie ruhig."
Er stand am Ruder und hielt es mit sicherem festen Griff, während irgendwo unter uns der Motor monoton vor sich hin brummte.
Ich stellte mich neben ihn. "Womit habe ich diese Ehre verdient, hier oben auf der Brücke sein zu dürfen?"
"Ehre?" Er zwinkerte mir zu. Dann meinte er: "Ich kann Sie einfach gut leiden, Patricia." Er sah mich an und lächelte.
"Überrascht Sie meine Offenheit?"
"Ein bisschen schon."
Er zuckte die Achseln.
"So bin ich eben. Ich rede nicht lange um den heißen Brei herum. Jedenfalls würde ich diesen Mister Porter nicht auf mein Schiff lassen, wenn er mich nicht sehr gut dafür bezahlen würde."
"Kennen Sie das Gebiet, in dem unser Ziel liegt?"
Mike nickte. "Den Fluss in der Gegend kenne ich. An Land bin ich nie gegangen. Indios leben dort und eine Handvoll Goldgräber, die eigentlich gar nicht dort sein dürften. Ansonsten ist da nur der Urwald. Aber ich muss zugeben, dass ich schon lange nicht mehr in jener Gegend war..."
Er zeigte mir eine Karte, auf der die unzähligen Windungen und Abzweigungen des riesigen Amazonas-Stroms zu sehen waren. Mike zeigte auf einen bestimmten Punkt. "Dort geht es hin", meinte er. "Aber diese Karte ist natürlich mit Vorsicht zu genießen..."
"Was meinen Sie damit, Mike?"
Er verzog das Gesicht. "Amazonien ist eines der wenigen Gebiete auf der Welt, in dem es wirklich noch weiße Flecken gibt - Orte, an denen noch kein Mensch gewesen ist. Zumindest kein Weißer. Ab und zu liest man mal in der Presse davon, dass irgendwo im Dschungel ein Steinzeitvolk entdeckt wurde, das zuvor noch keinen Kontakt zur sogenannten Zivilisation hatte."
"Professor Porter glaubt, dass sich auch Angehörige eines uralten Schlangenvolkes hier hätten verbergen können. Auch über Jahrzehntausende hinweg."
Mike grinste.
"Vorausgesetzt man geht davon aus, dass es solche Wesen je gegeben hat, dann wäre das natürlich möglich!"
"Sie glauben nicht daran?", hakte ich nach und der Blick seiner meergrünen Augen ließ mir einen wohligen Schauer über den Rücken laufen. Gesteh es dir doch endlich ein!, ging es mir durch den Kopf. Du hast dich verliebt!
Wir standen ziemlich nah beieinander und sahen uns an.
Dann ging ein Ruck durch das Schiff. Die Motoren machten ein merkwürdiges Geräusch, das nichts Gutes verhieß und ich stolperte einen Schritt nach vorn - genau in seine Arme.
Er hielt mich fest. Seine Arme waren stark und sanft.
"Was war das?", fragte ich, nachdem ich wieder fest auf den Beinen stand und mir das Haar aus dem Gesicht strich.
Mike machte eine wegwerfende Handbewegung. "Ich weiß nicht, aber das klingt so, als wäre irgend etwas in die Schraube gekommen... Ich hoffe nicht, dass wir festsitzen..." Er sah mein erschrockenes Gesicht und fügte dann noch hinzu: "Keine Sorge, selbst wenn es so wäre, wäre das kein Beinbruch. Mit so etwas muss man hier rechnen."
Die Tür zur Brücke ging auf. Ich wirbelte herum und sah in Jims erstauntes Gesicht.
Ich atmete tief durch, während Jims Blick zwischen mir und dem Kapitän der AMAZONAS QUEEN hin und her pendelte. Man konnte förmlich die Gedanken meines Kollegen lesen.
"Also... störe ich?", stotterte er herum.
Mike grinste und schüttelte den Kopf. "Ich muss sowieso runter", erklärte er. "Mich um die Schraube kümmern. Im Moment kommen wir ohnehin nicht weiter..."
"Glauben Sie, dass es etwas Ernstes ist?"
Mike schüttelte den Kopf und lachte.
"Das kann man jetzt noch nicht so genau sagen", antwortete er und warf mir dabei einen kurzen Blick zu. Dann stellte er die Maschinen mit einem blubbernden Geräusch ab und ging von der Brücke.
*
Je weiter wir flussaufwärts kamen, desto langsamer ging es vorwärts. Jim hatte sich zwischenzeitlich den Magen verdorben. Außerdem machte ihm die Hitze ziemlich zu schaffen. Zwei Tage lang wirkte er ziemlich apathisch.
"Irgendwie bin ich wohl doch eher für ein nördlicheres Klima geschaffen", meinte er dazu, als ich ihn in seiner Kabine besuchte.
Er sah elend aus und ich riet ihm, sich hinzulegen, was er auch tat.
"Noch passiert ja nichts, wovon sich ein Bild lohnen würde!", erklärte ich ihm, woraufhin Jim den Mund verzog.
"Du meinst, weil wir noch nicht bei dieser Ruine sind..."
"So ist es."
"Aber die Ehe der Porters hat es auch ganz schön in sich!"
Ich sah ihn an und fragte: "Wie meinst du das?"
"Na, das ist eine Dreiecksgeschichte. Sag bloß, dass hast du noch nicht gemerkt! Ich habe Porter und seine Assistentin, diese Sandra abends an Deck gesehen! Eng umschlungen erst und dann haben sie sich gestritten. Ich konnte leider nicht mitkriegen, worum es ging und als sie mich bemerkten, schwiegen sie sofort."
Ich zuckte die Achseln.
"So berühmt sind die Porters nun auch wieder nicht, als dass irgend jemand an ihren Eheproblemen interessiert wäre!", gab ich zu bedenken.
Jim Fields Lächeln war ziemlich matt, als er erwiderte: "Keine Sorge, Patti! Ich vergesse schon nicht, dass wir wegen dieser ominösen Ruine hier sind..."
"Na, dann bin ich ja beruhigt!"
Einen Tag später ging es Jim schon wieder viel besser und er konnte sogar an Deck gehen. Die AMMAZONAS QUEEN kam gut voran. Wenn Mike Silva oben auf der Brücke stand, dann suchte ich ihn oft auf und wir unterhielten uns. Die meiste Zeit über redete er über sein Schiff und den Amazonas und eigentlich interessierte mich das nicht sonderlich. Aber ich hörte ihm trotzdem wie gebannt zu.
Irgendwann durchschnitt dann ein ratterndes Geräusch die schwüle Dschungelluft und ich fragte: "Was ist das?"
"Ein Boot mit Außenborder!", stellte Mike fest.
Wir sahen ein Boot herankommen. Drei Mann waren an Bord.
Zwei davon schienen indianischer Abstammung zu sein. Der dritte war schwer bewaffnet, trug ein Gewehr und eine Revolvertasche am Gürtel. Ich sah seine harten, kantigen Gesichtszüge und erschauderte.
Dann hörte ich Schritte.
Es war Porter, der sich zur Brücke hinaufbemüht hatte.
"Stoppen Sie die Maschinen und lassen Sie die Leute vom Boot an Bord kommen", forderte er.
"Warum?", knurrte Mike, dem der Gedanke nicht zu gefallen schien. "Sehen Sie sich den Kerl doch mal an! Es würde mich nicht wundern, wenn er uns einfach nur ausrauben will!"
"Ich kenne ihn", erwiderte Porter kalt.
Mike war überrascht und zog die Augenbrauen in die Höhe.
"Ach, ja?", fragte er nicht ohne Ironie.
"Er heißt Balboa und ist Goldsucher. Ich traf ihn, als ich das erste Mal hier in der Gegend war. Man kann ihm vertrauen."
"Wenn Sie das sagen..."
"Vielleicht weiß er Neuigkeiten, die wichtig für uns sind!"
Mike bedachte Professor Porter mit einem skeptischen Blick, hielt sich aber zurück. "Sie bezahlen und deshalb sind Sie der Boss, Professor!", knurrte er.
Und Porter nickte mit einem breit verzogenen Gesicht.
"Richtig", murmelte der Wissenschaftler. "Und ich möchte Ihnen raten, das niemals zu vergessen!"
"Keine Sorge!"
Porter musterte erst Mike, dann mich mit einem nachdenklichen Blick, dann verließ er die Brücke. Ich folgte ihm. Diesen Balboa wollte ich mir nicht entgehen lassen.
Vielleicht konnte ich ihn irgendwie in meine Story einbauen.
Ein paar Minuten später kam Balboa zusammen mit einem seiner beiden indianischen Begleiter an Bord. Porter ging auf ihn zu und reichte ihm die Hand. Sie wechselten ein paar Worte auf Portugiesisch, dann wandte Balboa sich mit einem fragenden Blick an mich.
Sein hartes Gesicht verzog sich zur schwachen Ahnung eines Lächelns. Es war mehr eine Grimasse. "Mit wem habe ich das Vergnügen?", fragte er.
"Patricia Vanhelsing", stellte ich mich etwas widerwillig vor. "Ich bin von den London Express News..."
"Ah, dann wollen Sie wohl über diese Ruine berichten...", schloss Balboa messerscharf. Sein Englisch war akzentbeladen.
"So ist es."
Er grinste. "Strenggenommen habe ich sie entdeckt!", tönte er.
Ich lächelte dünn.
"Was Sie nicht sagen..."
Inzwischen kam auch Mike von der Brücke herunter. Einer seiner Leute hatte ihn dort offenbar abgelöst. Er blieb etwas abseits stehen und bedachte Balboa mit einem misstrauischen Blick. Dieser Goldsucher schien ihm nicht zu gefallen. Und mir ging es ebenso. Auf den ersten Blick hatte er auf mich unsympathisch gewirkt. Und das kalte Glitzern in seinen Augen jagte mir einen Schauder über den Rücken.
"Kommen Sie mit mir, Mister Balboa!", wandte sich jetzt Professor Porter an den Gast. Balboa nickte kurz und folgte Porter unter Deck. Ich hörte noch, wie der Goldsucher etwas von den Indio-Stämmen der Umgebung raunte. "Die sind ziemlich in Aufruhr. Sie sollten sich also in Acht nehmen, Mister Porter! Zumal diese Wilden es als Frevel betrachten werden, wenn Sie die Ruine betreten, die sie das HAUS DER GÖTTER nennen..."
Mike sah ihm nach und meinte: "Irgendwie gefallen mir die Bekannten des Professors nicht..."
*
Balboa blieb nicht länger als eine halbe Stunde an Bord. Ich hatte keine Ahnung, weshalb Porter sich mit ihm zurückzog.
Ich folgte den beiden unter Deck, in der Hoffnung, sie vielleicht im Salon anzutreffen. Unter irgendeinem Vorwand hätte ich mich dann zu ihnen gesellen können. Aber im Salon der AMAZONAS QUEEN waren sie nicht. Dann kam Balboa wieder an Deck. Allein. Porter war nicht bei ihm. Ein paar Augenblicke später fuhr der Goldsucher mit seinem Boot und den beiden Indios wieder davon. Ich wandte mich an Mike, der an der Reling stand.
"Was glauben Sie, hat das zu bedeuten?", fragte ich den Kapitän der AMAZONAS QUEEN.
Mike zuckte die Achseln und sah mich an. Seine meergrünen Augen wirkten ruhig und nachdenklich. "Keine Ahnung. Aber ich könnte mir vorstellen, dass Professor Porter an diesen Kerl irgend eine Art von Schutzgeld zahlt..." Er lächelte. "Schauen Sie nicht so erstaunt, Patricia! Ich habe mich übrigens ein bisschen mit den beiden Indios unterhalten..."
"Ach, ja?"
"Ich kann nicht sagen, dass mir gefällt, was ich da gehört habe! In der Gegend, in die wir kommen, hat es tatsächlich einige merkwürdige Todesfälle gegeben... Die Menschen starben an den Bisswunden einer Schlange, deren Kiefer größer ist als der aller bekannten Arten!"
Ich stand jetzt sehr dicht bei ihm und ertappte meine Hand dabei, wie sie leicht über Mikes Oberkörper strich. Er legte seinen Arm um mich und wir sahen uns an.
"Sie haben doch nicht etwa Angst, oder?", fragte ich ihn etwas neckisch.
Sein Gesicht blieb ernst.
"Nein", sagte er und seine Stimme hatte dabei ein sehr tiefes, vibrierendes Timbre. Dann setzte er hinzu: "Aber ich bin vorsichtig..."
Im nächsten Moment trafen sich unsere Lippen zu einem ersten, etwas schüchternen Kuss, der bald leidenschaftlich wurde. Für einen Moment vergaß ich alles um mich herum, hörte weder das Brummen der Maschinen, die die AMAZONAS QUEEN vorwärts trieben noch die tierischen Schreie aus dem vor unheimlichen Leben nur so wimmelnden Regenwald...
*
Es war finsterste Nacht, als die nur schattenhaft wahrnehmbare Gestalt mit schweren Schritten über den Waldboden lief.
Der Mond spiegelte sich in kalten Facettenaugen. Die Gestalt blieb stehen und wandte den Kopf. Stimmen waren zu hören und Fackeln erleuchteten den Dschungel. Es waren die Indios.
Nicht mehr lange und die ersten von ihnen würden aus dem Unterholz des Dschungels heraustreten.
Die Gestalt zögerte nicht länger und rannte weiter. Sie stolperte über eine Wurzel, doch mit schlangenhafter Gewandtheit war sie schon einen Augenaufschlag später wieder auf den Beinen und stolperte vorwärts.
Die Gestalt keuchte.
Die Verfolger kamen näher.
Und dann tauchten aus dem Gewimmel des Dschungels heraus die zyklopischen Steinblöcke auf, halb von Schlingpflanzen und rankenden Gewächsen bedeckt. Der Mond stand hell und bleich über ihnen und das Geschrei der Verfolger mischte sich mit den gespenstischen Lauten des Waldes.
Die Gestalt blickte kurz zurück.
Nein, hierher werden sie mir nicht folgen, dachte sie.
Nicht hierher...
Denn dies war für die Indios das HAUS DER GÖTTER, die Wohnung des Totengottes Rama'ymuh, der nachts auszog, um sich seine Opfer zu holen. Opfer, deren Seelen auf ewig dazu verdammt waren, an der Seite Rama'ymuhs in diesen düsteren Gemäuern zu hausen, eingeschlossen in überdimensionale, glattpolierte Steinblöcke, von denen die Aura unvorstellbaren Alters ausging. Die Gestalt ging auf einen dunklen Gang zu, der ins Innere dieses Bauwerks führte. Als der Schatten sie verschluckt hatte, blieb sie stehen und wandte den kalten, unmenschlichen Blick. Das Geschrei aus dem Dschungel war verstummt. Scheu näherten sich die Indios. Ihre Haltung war gebeugt. Sie vermieden es, den Blick zu heben. Manche von ihnen schienen vor Angst zu zittern.Sie wussten, wo sie sich befanden, und dass das das HAUS DER GÖTTER für sie tabu war. Um keinen Preis der Welt würden sie dieses Tabu verletzen. Die Gestalt konnte sich darauf verlassen. Die Indios führten etwas mit sich, was die Gestalt aus ihrem Versteck heraus interessiert beobachtete. Ein mit Lianen und Blättern verschnürtes Bündel, dass die Form eines menschlichen Körpers hatte. Ein Leichnam.
Die Indios legten ihn auf einen großen Stein, der sich in einer Entfernung von ungefähr zwanzig bis dreißig Metern vom Eingang des HAUSES DER GÖTTER befand.
Dann entfernten sie sich mit einem Singsang, von dem nicht alle Wörter verständlich waren. Aber ein paar Bruchstücke verstand die Gestalt.
"Rama'ymuh! Rama'ymuh!"
Der Name kehrte immer wieder. Und dann war da noch ein anderes Wort, das in der Indio-Sprache die Entsprechung für HAUS DER GÖTTER war.
Mein Haus!, ging es der Gestalt durch den Kopf, während die Indios in scheuer Ergebenheit wieder im Regenwald verschwanden.
*
Einen halben Tag, nachdem Balboa uns verlassen hatte, erreichten wir das Zielgebiet. Die AMAZONAS QUEEN wurde in Strommitte verankert und lag ruhig in der Fließrichtung. Um ans Ufer zu kommen, musste man eines der Beiboote nehmen, die die AMAZONAS QUEEN an Bord hatte. Porter hätte es lieber gehabt, wenn die AMAZONAS QUEEN direkt am Ufer festgemacht hätte, aber Mike hatte das abgelehnt. In der Uferregion gab es Untiefen und der Kapitän der AMAZONAS QUEEN wollte auf keinen Fall riskieren, dass sein Schiff in dieser Gegend womöglich auf Grund lief.
In der Nähe befand sich ein Indio-Dorf und Porter meinte, dass man bei den Bewohnern mit Geschenken Gutwetter machen müsse. "Um zu diesem geheimnisvollen HAUS DER GÖTTER
aufzubrechen, ist es ohnehin schon zu spät", erklärte er. "Wenn es dunkel ist, dann möchte lieber nicht im Dschungel sein... Und außerdem brauchen wir das Wohlwollen der Indios..."
Ich verstand, was er meinte. Die Dorfbewohner konnten uns sicher alle möglichen Steine in den Weg legen.
Ein Boot wurde zu Wasser gelassen. Porter trug einen Revolver in einer Gürteltasche. Jim und ich kamen natürlich mit, obwohl der Professor erst ein sehr skeptisches Gesicht machte. Sandra McKinley begleitete uns ebenfalls und Mike bediente den Außenborder und lenkte das Boot ein Stück flussaufwärts.
"Es gibt mehrere Dörfer hier in der Gegend", meinte Porter.
"Und warum fahren wir gerade zu diesem?", fragte ich.
Porter lächelte nachsichtig.
"Weil die AMAZONAS QUEEN in einem Gebiet liegt, das von den Bewohnern beansprucht wird."
Ich zögerte etwas, lauschte einen Moment lang dem Brummen des Außenborders und den Geräuschen des Dschungels. Dann entschloss ich mich, Professor Porter nach meinem Onkel zu fragen.
"Sie begleiteten meinen Großonkel Frederik Vanhelsing auf seiner letzten Expedition", erklärte ich. Er wandte den Blick zur Seite und schien sich auf die Uferregion zu konzentrieren. Seine Mundwinkel bogen sich leicht nach unten.
"Miss Vanhelsing, vielleicht könnten wir ein anderes mal..."
"Führte diese Expedition nicht auch in den südamerikanischen Regenwald?", hakte ich sofort nach. Ich hatte während unserer Reise schon mehrfach versucht, ihn mehr oder weniger zaghaft auf meinen Großonkel anzusprechen. Aus irgend einem Grund war er mir immer elegant ausgewichen und ich fragte mich langsam, ob das wirklich nur daran lag, dass vor dem Professor eine wichtige Aufgabe lag, die seine volle Konzentration forderte.
"Miss Vanhelsing..."
Er sah mich nicht an.
"Sie würden mir sehr helfen, wenn Sie mir irgend etwas über Onkel Frederiks Verschwinden sagen könnten. Und nicht nur mir. Elizabeth, meinte Großtante, lebt seitdem in Ungewissheit..."
Porter wandte jetzt das Gesicht zu mir und ich war erschrocken über die Wandlung, die sich in seinen Zügen ausdrückte. Seine Augen funkelten mich ärgerlich an und seine Stimme klang abweisend, fast eisig.
"Hören Sie! Ihr Onkel ist im Regenwald verschwunden und aller Wahrscheinlichkeit nach tot. Und alles, was ich dazu zu sagen habe, habe ich den entsprechenden Stellen vor Jahren zu Protokoll gegeben. Und was Ihre Tante Elizabeth angeht, die weiß genau das, was ich auch weiß. Nicht mehr und nicht weniger!" Er atmete tief durch.
"Ich verstehe", sagte ich, obwohl ich nichts verstand.
Aber was diese Angelegenheit anging, hatte ich bei Allan Porter wohl endgültig auf Granit gebissen.
Er schien indessen selbst zu merken, dass seine Reaktion vielleicht etwas zu heftig ausgefallen war. So versuchte er, ein entspanntes Gesicht zu machen und einen versöhnlichen Tonfall anzuschlagen.
"Es tut mir leid, ich wollte Ihnen keinesfalls zu nahe treten, Miss Vanhelsing. Aber wissen Sie, diese Expedition damals ist auch für mich ein traumatisches Ereignis gewesen, an das ich nicht gerne erinnert werde... Frederik und ich haben schließlich sehr eng zusammengearbeitet. Uns hat dabei mehr verbunden, als nur die gemeinsame Arbeit. Ich verlor damals einen Freund..."
Irgendwie fand ich, dass seine Stimme einen merkwürdigen, wenig überzeugenden Klang hatte, als er das sagte. Aber das war nichts weiter, als ein Gefühl.
Es dauerte nicht lange, bis wir das Dorf erreichten.
Unser Erscheinen löste einen mittleren Menschenauflauf aus.
Die Indios strömten zum Uferstrand, an dem ein Dutzend Einbaum-Kanus lagen, und starrten uns an wie exotische Tiere. Abwartend standen sie da und beobachteten intensiv alles, was wir taten.
Porter ging als erster an Land und grüßte die Indios.
Einige schienen ihnen wiederzuerkennen und kamen zögernd etwas näher.
Jim machte Bilder. Einer der Indios trat vor. Er war zu jung, um Häuptling oder Dorfältester zu sein. Aber er schien einige Bruchstücke Portugiesisch zu sprechen.
Er ging auf Porter zu. Dabei gestikulierte er ausladend mit den Armen. Mein Blick glitt kurz über die umstehenden Dorfbewohner. In ihren Augen glaubte ich so etwas wie Furcht zu sehen. Furcht, die nicht durch die Ankunft eines fremden Bootes verursacht sein konnte...
Der junge Mann schien ziemlich erregt zu sein. Aus seinen Augen leuchtete das Entsetzen. Porter schien das zu spüren.
Er stand wie gebannt da. Und dann malte der junge Indio etwas in den dunklen Sand der Uferregion.
Es war der Kopf einer Schlange. Die Giftzähne und die kalten Facettenaugen waren deutlich erkennbar. Das Maul war gierig geöffnet.
"Rama'ymuh!", kam es dann über die Lippen des Indios. Erst flüsternd, dann lauter. Und andere Dorfbewohner begannen ebenfalls, diesen gespenstischen Namen auszusprechen, so dass ein unheimlicher Singsang daraus wurde.
"Rama'ymuh!", dieser unheimliche Name ließ mir trotz der Schwüle einen kalten Schauer über den Rücken laufen. Es war der Name aus meinem Traum. Der Name eines unbarmherzigen Schlangengottes.
*
Ich wandte mich an Mike Silva, der ja des Portugiesischen mächtig war. "Was sagt der Indio?"
"Schwer zu verstehen. Er spricht nicht gut..." Mike runzelte die Stirn. Sein Gesicht war ziemlich nachdenklich geworden. "Die Dorfbewohner wollen, dass wir wieder verschwinden", erklärte der Kapitän der AMAZONAS QUEEN dann. "Unsere Geschenke wollen sie nicht. Ich höre immer wieder das Wort Frevel..." Mike sah mich an. "Diese Leute scheinen zu glauben, dass wir diesen Schlangengott erzürnt haben, der in der Ruine hausen soll..."
Die Feindseligkeit, die uns entgegen geschlagen war, war unübersehbar. Einige der Dorfbewohner hatten inzwischen zu ihren Jagdwaffen gegriffen und so waren wir gezwungen, den Rückzug anzutreten. Die Dorfbewohner sahen uns nach, während das Boot flussabwärts über das Wasser glitt. Sie schienen sichergehen zu wollen, dass wir uns auch wirklich davonmachten.
"Was werden Sie tun, Professor?", wandte ich mich an Porter.
Der Wissenschaftler zuckte trotzig mit den Schultern.
"Dann wird unsere Expedition eben ohne das Wohlwollen der Indios durchgeführt!"
"Glauben Sie denn, dass die so einfach zusehen werden, wenn wir das HAUS DER GÖTTER betreten?"
Porter hob die Hände. "Ich denke, dass sie zu klug sind, um uns anzugreifen!" Ich spürte, dass Porter zu allem entschlossen war. Nein, dieser Mann glaubte hier die Entdeckung seines Lebens zu machen und da würde er sich von den religiösen Skrupeln einiger Indios nicht abhalten lassen...
"Der Indio sprach von einem Schlangenwesen, das des nachts durch den Dschungel schleicht und seine Wohnung in jener Ruine hat, die wir untersuchen wollen...", murmelte Porter mit vibrierender Stimme.
"Sie sind überzeugt davon, dass hinter diesen Geschichten ein wahrer Kern steckt und wir auf einen Vertreter des verlorenen Schlangenvolkes treffen?", fragte ich.
Er blickte mich an. Seine Augen schienen mich geradezu zu durchbohren. "Wäre das nicht naheliegend?"
Da konnte ich nur mit den Schultern zucken. Ich dachte an meinen Traum. Andererseits - es konnte auch alles nur Aberglaube der Indios sein.
Sandra McKinley saß hinter mir im Boot. Sie schien unserem Gespräch intensiv zugehört zu haben. Also fragte ich sie: "Was ist Ihre Meinung dazu?"
Ihr Blick wechselte flüchtig zwischen mir und Allan Porter.
Dann verzog sie ihren volllippigen Mund zu einem gezwungenen Lächeln. "Ich warte einfach ab, was wir da draußen vorfinden werden!"
*
Wir kehrten zurück zur AMAZONAS QUEEN. Die Stimmung war etwas gedrückt und es herrschte Schweigen.
Die Hitze hatte ein übriges dazu getan, dass ich todmüde ins Bett fiel. Ich weiß nicht weshalb, aber ich fand nicht wirklich Ruhe. Und so war ich kaum anderthalb Stunden später schon wieder wach. An einem Traum konnte ich mich nicht erinnern, aber das Nachthemd, das ich trug, war schweißnass. Ich blickte durch eins der Bullaugen hinaus in die Dunkelheit.
Eine Fülle von Lauten kam aus dem Regenwald herüber. Laute, die davon zeugten, dass in diesem vor Leben pulsierenden Pflanzengewimmel keineswegs Ruhe und Frieden eingekehrt waren. Ich stand auf, strich mir die Haarsträhnen aus dem Gesicht und atmete tief durch. Bei dieser Schwüle würde ich nicht wieder einschlafen können, aber morgen musste ich ausgeruht sein. So entschloss ich mich, noch einmal an Deck zu gehen, um frische Luft zu schnappen.
Im Flur war es dunkel. Ich ging die knarrende Treppe hinauf und sah über mir den sternklaren Himmel. Der Mond stand über den hohen Urwaldriesen am Ufer und wirkte wie ein großes Auge. Ich hörte Stimmen und erstarrte.
Am Heck der AMAZONAS QUEEN sah ich zwei Gestalten. Die eine konnte ich im Mondlicht erkennen. Es war Sandra McKinley. Die andere Gestalt konnte ich nur durch die Stimme erkennen. Es war der Professor.
"Nun beruhige dich, Sandra!", hörte ich Porter sagen.
"Ich will mich nicht beruhigen!"
"Wir können doch über alles reden, Sandra!"
"Das müssen wir auch, Allan! Sonst gehe ich an die Öffentlichkeit und dann bricht dein schöner Ruhm wie ein wackeliges Kartenhaus in sich zusammen! Du wirst schon sehen!"
"Warte!"
Sandra wollte gehen, aber Professor Porter trat einen Schritt vor und hielt die junge Frau mit hartem Griff am Arm.
"Du tust mir weh!", stellte Sandra kühl fest.
"Ich möchte nicht, dass du eine Dummheit begehst, Sandra!"
Porters Tonfall klang sehr eindringlich. Und dann zerschnitt ein knarrendes Geräusch die Luft. Zu meinem Entsetzen bemerkte ich, dass ich es verursacht hatte, als ich versuchte, die nächste Stufe zu besteigen. Sie blickten beide in meine Richtung und hatten mich vermutlich erkannt.
Zumindest wussten sie jetzt, dass sie nicht allein waren und so gab es nur die Flucht nach vorn. Ich nahm auch noch die letzte Stufe und dann war ich an Deck auf den rutschigen Planken der AMAZONAS QUEEN.
Sandra nutzte die Verwirrung, in der Porter für den Bruchteil eines Augenblicks gefangen war, um sich loszureißen.
Sie beeilte sich sichtlich, ein paar Schritte zwischen sich und den Wissenschaftler zu legen. Sandra kam auf mich zu, sah mich kurz an und blickte dann noch einmal kurz zu Porter hinüber. Einen Moment später ging sie wortlos an mir vorbei und verschwand unter Deck.
Porter kam jetzt auf mich zu, lehnte sich dann an die Reling und blickte gedankenverloren in die Dunkelheit des Dschungels.
Er seufzte.
"Ich wollte nicht stören", sagte ich. "Aber unter Deck ist die Luft so furchtbar stickig..."
"Sie haben nicht gestört." Es war eine schwache Lüge, das lag auf der Hand. Unsere Blicke trafen sich und Porter versuchte ein schwaches Lächeln. Porter zuckte die Achseln.
"Es war ein kleiner Disput, ohne Bedeutung, wie er unter Wissenschaftlern ab und zu vorkommt... Die Anspannung wegen Morgen..."
Ich wusste, dass er log. Und ich fragte mich, weshalb er glaubte, mir etwas vormachen zu müssen.
*
Am nächsten Morgen brachen wir auf, um das geheimnisvolle HAUS DER GÖTTER zu besuchen. Nur Mrs. Porter und Sergio, der Maschinist, blieben an Bord der AMAZONAS QUEEN. Paulo Balboa, der zwielichtige Goldsucher tauchte mit seinem Boot und seinen beiden Begleitern auf, die er nie mit Namen anredete und sie immer nur "Meine Leute" nannte. Er schien nicht gerade Hochachtung vor den beiden Indios zu haben. "Was will der denn schon wieder hier?", fragte ich Mike. Er wusste die Antwort.
"Balboa wird uns führen. Er kennt sich besten hier in der Gegend aus."
"Und was ist mit den beiden Indios in seiner Begleitung? Ich dachte die Indianer hätten uns gestern deutlich zu verstehen gegeben, dass wir hier unerwünscht sind!"
"Die beiden kommen nicht von hier", erklärte Mike.
Wenig später saßen wir alle in zwei Beibooten der AMAZONAS QUEEN und fuhren flussabwärts. Wir mussten einen Umweg machen, um nicht das Misstrauen der Bewohner des Indio-Dorfs zu erregen. An einer geschützten Stelle gingen wir an Land. Balboa ging voran und hackte mit seiner Machete die wuchernden Pflanzen des Unterholzes zur Seite. Es war ein beschwerlicher Weg. Das Schlimmste waren die unsäglichen Moskitos, gegen die es einfach kein Mittel zu geben schien. Bald hatten wir den Fluss weit hinter uns gelassen und von allen Seiten umgab uns nur noch das dichte Grün des Dschungels, das voller Leben war. Doch die tierischen Schreie, das Knacken morscher Äste und das Rascheln von Blättern - an all das gewöhnte ich mich schneller, als ich erwartet hätte. Einmal stolperte ich über eine Schlingpflanze, in der sich mein Fuß verfangen hatte.
Aber Mikes starke Arme hoben mich auf.
"Alles in Ordnung?", fragte er.
Ich nickte. "Ja, ich denke schon."
Aus irgend einem Grund waren wir die letzten in der Gruppe. Die anderen gingen weiter und drohten bereits hinter der grünen Pflanzenwand zu verschwinden...
Er hielt mich fest und sah mir in die Augen.
"Du bist eine schöne Frau, Patricia!", stellte er fest. "Seit ich dich zum ersten Mal gesehen habe, gehen mir deine Augen einfach nicht mehr aus dem Kopf."
"Oh, Mike..." Ich dachte daran, dass wir die anderen nicht verlieren durften. Aber schon im nächsten Moment hatte unsere Lippen sich zu einem leidenschaftlichen Kuss gefunden. Unsere Körper schmiegten sich sehnsuchtsvoll aneinander. Als wir uns dann voneinander lösten, war mir etwas schwindelig, aber das lag wohl nicht nur an der schwülen Hitze des Regenwaldes.
Mike nahm meine Hand. "Komm", sagte er. "So gerne ich auch mit dir allein bin - es muss ja nicht gerade hier, mitten im Dschungel sein..."
Ich nickte und legte einen Arm und seine Hüfte.
"Du hast recht..."
Arm in Arm gingen wir weiter und folgten dem Trampelpfad der anderen, die wir rasch einholten. Sandra McKinley hob bedeutungsvoll die Augenbrauen, als sie sich nach uns umdrehte.
Aber sie sagte nichts. Wir hatten einen anstrengenden Marsch hinter uns gebracht, als wir das Bauwerk erreichten, dessentwegen wir alle hier waren. Für einige Augenblicke waren wir alle wie gebannt, als wir die riesigen Steinquader gewahrten, die aus dem wuchernden Grün des Regenwaldes auftauchten. Es war ein gewaltiges Bauwerk, das nur an einem Ort wie diesem äonenlang hatte überdauern können, ohne entdeckt zu werden.
Es war ein faszinierender Anblick.
Eine seltsame Aura ging von diesem Bauwerk aus, die Aura vergangener Zeitalter und unsagbar hohen Alters...
Dann fiel mein Blick auf einen quaderförmigen Block, der zwischen uns und dem düsteren Eingang lag, der ins Innere des Bauwerks führte. Dort lag ein Bündel, das wie ein menschlicher Körper aussah. Porter hatte das natürlich auch gesehen.
Er ging auf den Steinblock zu und wir alle folgten ihm.
"Was hat das zu bedeuten?", fragte Jim.
Aber der Professor machte nur eine wegwerfende Handbewegung, so als wäre ihm die Fragerei des Fotografen mehr oder weniger lästig. Auf dem Steinblock lag ein toter Indio. Porter untersuchte das Bündel mit geschickten, schnellen Bewegungen. Und dann war es für uns alle deutlich zu sehen!
"Dieser Mann starb vermutlich an einem Schlangenbiss!", stellte Porter sachlich fest. "Aber es gibt keine Schlange, deren Giftzähne derart weit auseinanderliegen, wie es die Bisswunde nahelegt!" Porter atmete tief durch. Die Erregung, die ihn ergriffen hatte, war dem Wissenschaftler anzumerken.
"Das Wesen, das diesen Mann getötet hat, muss irgendwo hier in der Umgebung sein!" Sein Blick ging in Richtung des finsteren Eingangs, der ins Innere des HAUSES DER GÖTTER führte.
"An Ihren Theorien scheint etwas dran zu sein, Professor", hörte ich Jim sagen.
"Natürlich ist da etwas dran, Mister Field! Oder glauben Sie vielleicht, Sie hätten es mit einem Dilettanten zu tun?"
Jim wurde kleinlaut. "Nein, natürlich nicht..."
"Und die Geschichten der Indios sollte der eine oder andere unter uns in Zukunft vielleicht doch ein bisschen ernster nehmen!"
Eine Bewegung ließ meinen Blick herumfahren. Es waren Balboas Begleiter, die mit angstgeweiteten Augen davonrannten und im nahen Dschungel verschwanden. Balboa rief ihnen etwas in einer Mischung aus Portugiesisch und einem Indio-Dialekt nach, aber die beiden Männer waren wie von Sinnen. Sie waren nicht zu halten. Der Goldsucher rannte ein paar Schritte hinter ihnen her, gab aber dann auf und atmete tief durch.
Dann fluchte er unbeherrscht vor sich hin. "Diese verdammten Angsthasen!", schimpfte er und sein Gesicht sah in diesem Moment genau so verknittert aus wie der Hut, den er mit beiden Händen zusammengepresst hatte.
"Was ist mit Ihren Leuten los?", fragte Porter.
"Die Sache ist ihnen nicht mehr geheuer", meinte Balboa akzentschwer. "Klar, dass die Indios aus der Gegend ihnen ihre Geschichten erzählt haben. Die Geschichten von Rama'ymuh, dem Totengott, der hier wohnen soll und sich des Nachts seine Opfer holt..." Er deutete auf den Toten. "Nachdem sie das hier gesehen hatten, hielten sie natürlich alles für wahr!"
Porter lachte heiser und verzog das Gesicht.
"Es ist wahr, Mister Balboa! Vergessen Sie das nicht!"
Und dann ließ uns alle ein Geräusch herumfahren, das direkt aus dem schwarzen Schlund kam, der der Eingang dieser Ruine war... Es war ein kratzender, schabender Laut, der uns allen das Blut in den Adern gefrieren ließ. Balboa griff nach dem Revolver an seiner Seite und ich krallte mich instinktiv an Mike fest.
*
Wir warteten einen Moment, dann schien alles ruhig. Das Geräusch trat nicht mehr auf. Vorsichtig näherten wir uns dem Eingang des Bauwerks. Sandra McKinley holte eine Taschenlampe hervor und leuchtete in den dunklen Gang. Es war nichts zu sehen. Keine Bewegung, kein Lebewesen.
"Vielleicht war es nur ein Tier", meinte Mike.
Keiner sagte etwas darauf. Vorsichtig und nacheinander drangen wir in das Bauwerk ein, das von innen wie ein riesenhaftes Labyrinth aufgebaut zu sein schien. Von dem breiten Hauptgang, der einer exakt kreisrunden Röhre glich, gingen weitere Gänge in alle Richtungen ab. Diese waren ebenfalls kreisrund. Manche waren groß genug, damit ein Mensch aufrecht in ihnen gehen konnte. Andere waren so niedrig, dass sie eher wie Kanalröhre wirkten.
"Sehen Sie, was ich meine, Miss Vanhelsing?", wandte sich Professor Porter an mich. "Dies ist ein Bauwerk, das wohl kaum von oder für Menschen errichtet wurde, sondern für Wesen mit einer ganz anderen Anatomie..."
Wir durchschritten den düsteren Gang und kamen dann in eine Art Innenhof. Als wir ins Freie traten, schmerzte das Sonnenlicht fast etwas, so grell schien es. Dieser Innenhof war ringsum von den großen Steinquadern dieses Bauwerks umgeben. An manchen Stellen rankten Pflanzen empor. Eine Reihe von weiteren Eingängen führten von diesem Mittelplatz aus in andere Bereiche dieses Tempels.
"Es dürfte nicht leicht sein, hier irgendein Wesen zu finden", gab Mike zu bedenken. "Vielleicht ist es ja auch nur Tier gewesen, was wir gehört haben..."
Auf jeden Fall war dies ein idealer Ort, um sich versteckt zu halten, das musste ich zugeben.
"Beginnen wir mit unserer Arbeit", brummte Porter.
*
Die ganze Zeit über, die wir im HAUS DER GÖTTER verbrachten, hatte ich das Gefühl, beobachtet zu werden.
Es gab keinen wirklichen Grund für dieses Gefühl. Es war eben eine dieser Ahnungen, die mich manchmal heimsuchten, mehr nicht. Aber diese Ahnung sorgte dafür, dass ich mich irgendwie unbehaglich fühlte und in manchen Momenten trotz der Hitze eine Gänsehaut meine Unterarme überzog.
Wir blieben bis zum späten Nachmittag in der Ruine, aber von einem übriggebliebenen Exemplar eines Schlangenwesens war nirgends etwas zu sehen.
Beeindruckend war dieses Bauwerk, das für die Indios ein Tempel war, allerdings auch so. Es strahlte eine Mischung aus Fremdartigkeit und Kälte aus. Ich erinnerte mich an meinen Traum und war mir sicher, darin dieses Bauwerk gesehen zu haben - das HAUS DER GÖTTER. Ich begann mich verzweifelt zu fragen, welche Bedeutung dieser Traum wohl gehabt haben konnte. Aber so sehr ich mir auch das Hirn zermarterte, ich kam in dieser Frage einfach kein Stück weiter, Wir verteilten uns etwas in den Ruinen, wobei Porter darauf bestand, dass bei jeder Gruppe auch jemand war, der eine Waffe hatte. Porter selbst hatte einen Revolver, ebenso Mike Silva.
Eduardo Gomes hatte ein Gewehr über der Schulter. Sicher war schließlich sicher. Ich ging mit Mike und Jim. Bewundernd ließ ich die Hand über die unglaublich glatten Steine gleiten. Was mochte das nur für eine geheimnisvolle, hochstehende Kultur gewesen sein, die dies erschaffen hatte. Selbst wenn Professor Porters Theorie von einem Schlangenvolk nicht stimmte - faszinierend war es auf jeden Fall.
"Ich bin skeptisch", meinte Mike hingegen. "Ich bin ein nüchterner Mensch und frage mich, ob es nicht einfachere, näherliegendere Erklärungen gibt als die, die dieser Porter vorschlägt!"
"Hast du die Bisswunden nicht gesehen?", fragte ich zurück.
Mike nickte. "Das ist natürlich ein Argument. Derart gewaltige Riesenschlangen gibt es nicht. Da braucht man nicht einmal Zoologe zu sein, um das zu wissen. Andererseits war es zweifellos ein Schlangenbiss - so etwas sehe ich nun wirklich nicht zum ersten Mal." Er grinste. "Ich habe sogar selbst schon einmal einen abbekommen..."
"Ach!"
"...und ziemlich viel Glück dabei gehabt! Sonst stünde ich jetzt nicht mehr hier."
Wir passierten einen der dunklen Gänge und ich fragte mich, ob wir uns nicht irrten, und diesen Gang längst abgelaufen hatten.
Jim hatte die Taschenlampe. Er fuchtelte ziemlich nervös damit herum, so dass ich mich fragte, ob man nicht sogar besser sehen konnte, wenn er sie abstellte.
Dann blieb Jim plötzlich stehen.
"Heh...", murmelte er.
"Was ist los?", fragte ich.
Die Schein der Lampe war auf einen Punkt auf dem glatten, gewölbten Boden gerichtet.
Dort lag etwas, das aussah wie ein verschrumpeltes, pergamentartiges Stück Haut.
"Schlangenhaut!", murmelte Mike. "Schlangen häuten sich in regelmäßigen Abständen und dann bleibt immer so etwas zurück..." Er machte einen Schritt nach vorn und hob das Hautstück auf. "Es muss eine sehr große Schlange gewesen sein", setzte er dann nachdenklich hinzu und runzelte dabei die Stirn.
Und Jim sagte: "Das wird den Professor sicher sehr interessieren!"
*
Rechtzeitig vor Einbruch der Dunkelheit waren wir wieder an Bord der AMAZONAS QUEEN.
Am Abend gab es ein kleines Fest an Bord. Professor Porter hatte das vorgeschlagen, schließlich wäre dies ein bedeutender Tag in der Geschichte der Archäologie.
Der Salon der AMAZONAS QUEEN war so festlich wie möglich hergerichtet worden. Eduardo stand hinter der Bar und mixte Drinks. Außer Balboa, dem grobschlächtigen Goldsucher, hatten sich sogar alle ein bisschen in Schale geworfen, soweit die Verhältnisse das zuließen. Mike trug einen hellen Leinenanzug, der ihm sehr gut stand. Ich war überrascht, dass er so etwas überhaupt besaß. Er wirkte sehr elegant und stilvoll damit. Ich trug ein einfaches blaues Kleid. Jim machte ein paar Fotos, vor allem von Professor Porter. Immer nur Urwald und Ruinen, da würde sich in meiner Reportage ein bisschen Abwechslung ganz gut machen. Ich sah kurz zu Mike hinüber, der dem ganzen Treiben etwas gelangweilt zusah.
Sandra McKinley stand etwas abseits. Als Jim ein Bild von ihr machte, verzog sie das Gesicht zu einem gekünstelten Lächeln, das fast genau so gefroren wirkte wie das von Deborah Porter. Der Professor ergriff dann das Wort.
"Alle in diesem Raum sollten sich darüber klar sein, an welcher großen Sache sie teilhaben. Wir werden in den kommenden Tagen mit einer äonenalten Kultur in Verbindung treten und vielleicht einen letzten Vertreter dieses geheimnisvollen Volkes aufspüren können..." Porter hob das Glas. Seine Stimme vibrierte ein wenig, als er fortfuhr: "Wir waren heute bereits sehr nahe dran... Wir haben bereits Beweise für die Existenz eines solchen Lebewesens gefunden! Nicht nur die Bisswunde des toten Indios, sondern auch ein ungewöhnlich großes Stück Schlangenhaut, das Mister Field gefunden hat..."
Der Professor sandte ein Lächeln in Richtung des Fotografen, das diesen etwas verlegen machte. Jim hob etwas ungeschickt sein Glas.
"Darauf, dass unsere Expedition auch künftig Erfolg beschieden sein wird!", meinte Porter beschwörend und nahm dann einen tiefen Schluck aus seinem Glas.
Ich wandte mich an Mike, der neben mir stand. Unsere Gläser klirrten leicht aneinander.
"Immer noch skeptisch?", erkundigte ich mich.
Er zuckte die Achseln.
"Du bist die Journalistin, Patricia! Eigentlich wäre es deine Aufgabe, misstrauisch zu bleiben..."
"Ich weiß..."
"...aber ein bisschen Schlangenhaut hat die junge Lady restlos überzeugt, nicht wahr?" Das war nicht Mike, sondern Sandra McKinley, die jetzt zu uns getreten war. Ihr Gesicht wirkte nur oberflächlich freundlich. Ihr Lächeln war halb gezwungen halb geschäftsmäßig. Sandras Aussehen entsprach sicher den gängigen Vorstellungen von einer hübschen jungen Frau - aber ihre Ausstrahlung war bemerkenswert kühl und reserviert. Sie trug ein rotes Kleid und ihre Haare waren hochtoupiert. Sie war bei weitem die eleganteste von uns allen.
Ich sah sie etwas erstaunt an.
"Was ist denn Ihre Meinung zu dieser Sache? Teilen Sie den Enthusiasmus Ihres Professors?"
Sandras Lächeln wurde leicht säuerlich. "Sollte ich nicht?"
"Ist das die Spezialität von Wissenschaftlern? Jede Frage mit einer Gegenfrage zu beantworten?"
Sandra lachte kurz und etwas zu schrill.
"Vielleicht, Miss Vanhelsing."
"Im Ernst, ich bin an Ihrer Meinung sehr interessiert."
"Freut mich zu hören."
Aus dem Hintergrund heraus drang die Stimme des Professors an unser Ohr. Porter schien blendender Laune zu sein. Er unterhielt sich gerade mit Balboa. Außerdem standen Eduardo und Sergio in der Nähe und hingen wie gebannt an den Lippen dieses Mannes. Mit hektisch gestikulierenden Händen sprach er über das, was am nächsten Tag geschehen sollte.
Sandra McKinley atmete tief durch und meinte: "Gehen Sie mit Ihren Fragen doch zum Professor, Miss Porter! Wie Sie sehen, hört er sich gerne reden!" Sie stellte das Glas auf einen der nahen Tische und setzte dann noch knapp hinzu: "Ich werde inzwischen mal ein bisschen an Deck gehen, um etwas frische Luft zu schnappen. Hier unten ist es mir einfach zu stickig."
Und damit ging sie die Treppe hinauf. Mit dem engen Kleid, das sie trug, war das gar nicht so einfach.
"Eine merkwürdige Frau", hörte ich Mike sagen. "Irgendwie werde ich aus dieser Miss McKinley nicht schlau..."
Die Gespräche plätscherten so dahin. Wir waren alle ziemlich müde von den Strapazen des Tages und so leerte sich der Salon schon recht bald.
Mike legte den Arm um meine Schulter.
"Ich möchte heute Nacht nicht allein sein", hauchte ich ihm entgegen, bevor unsere Lippen sich fanden.
"Komm", sagte er.
Und ich nahm mir vor, in dieser Nacht an alles mögliche zu denken, nur nicht an Überlebende eines äonenalten Schlangenvolkes oder den finsteren Totenkult eines Indio-Volkes.
*
Sandra McKinley war nicht in den Salon zurückgekehrt. Sie stand an Deck und sah hinaus in die Dunkelheit. Die Sterne funkelten und der Mond tauchte ihr Gesicht in einen bleichen Schein. Im Salon ging das Licht aus, was auch an Deck bewirkte, dass es sehr viel dunkler wurde, denn nun drang kein Licht mehr durch die Bullaugen hinaus. Sandra bemerkte das kaum.
Sie war allein mit sich und ihren Gedanken. Ihre Hände hatten die Reling umklammert. Das Gesicht wirkte hart und entschlossen. Schritte ließen sie dann aus ihren Gedanken aufschrecken. Sie drehte sich herum. Eine dunkle,schattenhafte Gestalt tauchte vor ihr auf. Als das Mondlicht in das Gesicht fiel, atmete sie auf. Es war Eduardo Gomes.
"Ich wusste gar nicht, dass Sie auch zur Wache eingeteilt wurden, Miss McKinley", sagte er akzentschwer und mit einem breiten Grinsen.
"Gehen Sie auf die Brücke?"
"Ja. Von da aus hat man den besten Überblick. Wenn ich Sie wäre, würde ich jetzt ins Bett gehen. Das ganze Schiff schläft schon..."
Sandra lächelte matt.
"Ob Sie's glauben oder nicht: Ich bin schon erwachsen, Mister Gomes!"
Eduardo lachte schallend. Dann wünschte er ihr eine gute Nacht und ging weiter. Nach kurzem war er auf der anderen Seite des Schiffes hinter den Aufbauten verschwunden.
Offenbar machte er noch eine letzte Runde, um nachzuschauen, ob alles in Ordnung war.
Sandra wandte sich wieder dem Wasser zu. Dann hörte sie auf der anderen Seite der AMAZONAS QUEEN ein Geräusch. Es klang, als ob jemand einen Kartoffelsack auf die Planken geschleudert hätte. Das war sicher Eduardo. Also kein Grund zur Besorgnis. Sandra atmete tief durch. Ein merkwürdiges, unbehagliches Gefühl hatte sich auf einmal in ihre Seele geschlichen. Es war das Gefühl, beobachtet zu werden. Jemand - oder etwas - war in der Nähe... Eine Bewegung, ein schneller Schritt, ein dunkler Schatten... Alles war so leicht und rasch, dass es kaum wahrnehmbar war. Sandra drehte sich herum.
Ein kaltes Augenpaar blickte auf sie herab und in der nächsten Sekunde schrie sie aus Leibeskräften. "Nein!"
*
Dieser gellende Schrei war überall im Schiff zu hören und es dauerte nur ein paar Augenblicke, bis sich alle oben an Deck versammelt hatten, um nachzusehen, was geschehen war.
Allan Porter hielt seinen Revolver in der Hand. Wir fanden Sandra auf den Planken liegend, den Blick starr in den Himmel gerichtet. Der Mund war weit aufgerissen. Uns allen stockte der Atem, als wir die Bisswunde im Hals-Schulter-Bereich sahen, den der Ausschnitt des roten Kleides freiließ.
"Das sieht aus wie bei dem Indio, den wir gefunden haben!", stellte Mike fest, der sich sogleich über die Tote gebeugt und nachgesehen hatte,
"Ein...Schlangenbiss", sagte er zögernd und erhob sich wieder. Wenig später fanden wir Eduardo, der auf der anderen Seite des Schiffes lag. Niedergeschlagen. Jemand hätte ihm von hinten mit einem harten Gegenstand auf den Kopf geschlagen und danach hatte er keine Erinnerung mehr.
"Wir brauchen einen Arzt, um die Todesursache genau festzustellen", stellte ich fest, während der kalte, gefühllose Blick auffiel, mit dem Deborah Porter die Tote bedachte.
Nein, die Frau des Professors schien alles andere als unglücklich über das zu sein, was geschehen war.
"Sie sind gut, Miss Vanhelsing! Ein Arzt für eine Tote!" Ihr Mann schüttelte energisch den Kopf und ging dann mit einer fahrigen Handbewegung durch sein bereits etwas schütteres Haar. Seine Hände zitterten leicht. "Sie sind hier nicht in London, Miss Vanhelsing, wo Sie an jeder Straßenecke einen Facharzt für jedes nur erdenkliche Gebiet bekommen..."
"Es gibt einen Arzt in der Gegend!", mischte sich jetzt Balboa, der Goldsucher ein.
Porter warf ihm einen etwas ärgerlichen Blick zu.
"Ach, ja?"
"Eine Ärztin, um genau zu sein. Sie heißt Dr. Pinto und kümmert sich um die Dörfer in diesem Gebiet. Innerhalb eines halben Tages kann sie hier sein!"
"Eine Ärztin?" Porter machte ein zweifelndes Gesicht. "Sie zu finden dürfte der berühmten Suche nach der Nadel im Heuhaufen gleichen..."
Doch Balboa schüttelte den Kopf. "Sie hat ein Funkgerät!", stellte er trocken fest.
*
Am nächsten Morgen brach Professor Porter schon in aller Frühe wieder auf, um seine Forschungen an der Ruine fortzusetzen. "Ich muss jeden Augenblick nutzen, den die Indios uns noch in Frieden lassen", erklärte er dazu.
Jim Field begleitete ihn. Schließlich sollte alles im Bild festgehalten werden.
Deborah Porter nahm diesmal auch an der Fahrt teil.
Mike und Eduardo blieben mit mir an Bord der AMAZONAS QUEEN. Der Schlag, den Eduardo abbekommen hatte, schien ziemlich übel gewesen zu sein. Jedenfalls hatte er immer noch starke Kopfschmerzen.
Mike hatte Dr. Pinto noch in der Nacht über Funk erreicht und der Ärztin die ungefähre Position der AMAZONAS QUEEN durchgegeben. Sie versprach, so schnell wie möglich zu kommen. Mikes Gesicht war düster.
"Mir gefällt diese Expedition immer weniger!", gab er zu.
"Diese Ärztin wird uns vielleicht näheres zum Tod von Sandra McKinley sagen können", erwiderte ich.
Er zuckte die Achseln.
"Eine gerichtsmedizinische Obduktion wird sie auch kaum durchführen können..."
Ich atmete tief durch.
"Ich frage mich, was das für ein Wesen ist, das das getan hat... Ich meine, die Bisse der beiden Giftzähne sind ja eindeutig zu sehen."
"Ja."
"Aber warum ist dieses Wesen dann hier her, zur AMAZONAS QUEEN gekommen?"
Mike sah mich an. "Du sprichst von den Hirngespinsten des Professors schon, als wären sie Realität, Patricia..."
"Sind sie das nicht?"
Die Worte kamen mir leicht über die Lippen, aber kaum, dass ich sie ausgesprochen hatte, wurde mir klar, dass wir eigentlich noch gar nichts wussten.
Ich rieb mir die Schläfe und schloss für einen kurzen Moment die Augen. Im Geiste erschienen mir wieder die Bilder meines Traums... Und eine innere Stimme flüsterte diesen geheimnisvollen Namen, der inzwischen auch für die Menschen an Bord der AMAZONAS QUEEN zu einem anderen Wort für blankes Entsetzen geworden war.
Rama'ymuh!
*
Die Ärztin kam gegen Mittag. Sie fuhr in einem kleinen Boot mit Außenborder und war eine mittelgroße Frau mit sportlicher Figur und aschblonden Haaren, die sie zu einer praktischen Frisur zusammengefasst hatte.
Ich schätzte sie auf Mitte dreißig.
Sie machte ihr Boot an der AMAZONAS QUEEN fest und kletterte dann die Strickleiter hinauf, die Mike ihr hinuntergelassen hatte.
Nacheinander reichte sie uns die Hand und stellte sich vor.
"Ich bin Dr. Rosaria Pinto", erklärte sie. "Was soll ich tun?"
"Kommen Sie", forderte ich. Die Ärztin folgte mir in den Laderaum, wo wir die Tote aufgebahrt hatten.
Ich deutete auf die Bisswunden.
"Mein Gott!", flüsterte sie leise vor sich hin.
"Haben Sie so etwas schon einmal gesehen?", erkundigte ich mich.
Sie schüttelte den Kopf.
"Nein. Jedenfalls nicht in der Größe. Solche riesigen Schlangen gibt es nicht einmal hier, im Regenwald Amazoniens. Und da leben ja bekanntlich schon die größten der Welt!"
"Ich möchte wissen, woran diese Frau gestorben ist", forderte ich.
"Meine Ausrüstung ist bescheiden", bekannte Dr. Pinto. "Aber wenn Sie mir helfen..."
Ich schluckte. Eine Leichenschau war nun wirklich alles andere als das, wofür ich ausgebildet war oder was ich mir als Tätigkeit erträumte. Aber in diesem speziellen Fall hatte ich wohl keine andere Wahl, als mich zu überwinden. Und so nickte ich etwas zögernd.
"Gut, Dr. Pinto. Sagen Sie mir einfach, was ich zu tun habe!"
Es dauerte nicht lange und Dr. Pinto hatte etwas sehr Merkwürdiges festgestellt. "Es scheint, als wäre Miss McKinley an dem Schlangebiss gestorben, auch wenn ich ein so großes Tier noch nie gesehen habe. Andererseits..."
"Ja?", hakte ich nach.
Dr. Pinto wirkte nachdenklich, als sie fortfuhr.
"Andererseits hat man ihr eine Injektion in den Rücken gegeben - und zwar ziemlich gewaltsam. Es muss kurz vor ihrem Tod passiert sein. Zuvor hat sie einen Schlag gegen die Schläfe bekommen, der sie offenbar betäubt hat..."
"Also Mord", flüsterte ich.
Dr. Rosaria Pinto zuckte die Achseln.
"Das kann man nicht mit Gewissheit sagen. Es ist aber eine Möglichkeit, die ich nicht ganz ausschließen kann... Genauere Untersuchungen kann ich hier leider nicht anstellen.
Schließlich habe ich hier nicht die Möglichkeiten eines gerichtsmedizinischen Instituts - von der Tatsache mal abgesehen, dass das auch gar nicht mein Fachgebiet ist."
"Ich danke Ihnen trotzdem, dass Sie sich herbemüht haben. Sie sind die einzige Ärztin in der Gegend?"
Sie nickte und berichtete mir, dass sie sich im Auftrag einer Wohltätigkeitsorganisation hier aufhielt. "Hier gibt es ansonsten so gut wie gar keine medizinische Versorgung. Die Menschen sterben buchstäblich an Kinderkrankheiten, nur weil der nächste Arzt viele Tagesreisen entfernt ist."
Ich bewunderte diese Frau. Sie hätte in den großen Städten in einem Krankenhaus Karriere machen und dann eine eigene Praxis aufmachen können. Stattdessen arbeitete sie hier, mitten im Regenwald unter abenteuerlichen, äußerst behelfsmäßigen Bedingungen.
"Ich werde dann mal wieder fahren", sagte sie. "Es gibt jede Menge Arbeit für mich. Und wenn ich ganz ehrlich sein soll, dann kümmere ich mich lieber um Patienten, die noch eine Überlebenschance haben..."
Ich konnte sie gut verstehen. Wir gingen hinauf an Deck.
"Haben Sie solche Fälle wirklich noch nie gesehen?", vergewisserte ich mich dann noch einmal. "Ich meine, bei den Indios. Tote, die derartige Bisswunden aufwiesen."
Sie schüttelte den Kopf "Nein, ich habe nur davon gehört."
"Gehört?"
"Von Rama'ymuh, der zornig auf die Menschen und ihren Frevel geworden sein soll. Aber das sind Legenden. Nichts als Legenden..."
Ich war mir da nicht ganz so sicher.
Einen Augenblick lang sah ich ihr noch nach, während sie ihr Boot flussaufwärts lenkte.
Schließlich war die Ärztin hinter einer Flussbiegung verschwunden.
Mike trat neben mich und ich fasste ihm kurz zusammen, was die Untersuchung durch die Ärztin ergeben hatte. Das meiste davon waren nur neue Fragen. Fragen, die nach Antworten verlangten, die nicht so einfach zu geben waren.
"Mord?", fragte Mike und hob dabei die Augenbrauen.
"Es ist nur eine Vermutung. Aber Tatsache ist, dass Sandra McKinley sich die Injektion in den Rücken nicht selber geben konnte, während der Schlag gegen die Schläfe natürlich auch beim Kampf mit diesem Schlangenwesen geschehen sein kann..."
"Vorausgesetzt, es gibt dieses Wesen", stellte Mike fest.
"Es könnte natürlich sein, dass uns jemand das nur glauben lassen will... Jedenfalls gibt es hier in der Gegend natürlich keinen Polizeikommissar, der die Sache sofort unter die Lupe nimmt. Und bis wir wieder in der nächsten Stadt sind, sind wahrscheinlich alle Spuren wertlos geworden..."
Ich atmete tief durch.
"Man muss logisch an die Sache herangehen. Gut, vielleicht läuft uns ja noch eines dieser geheimnisvollen Reptilienwesen über den Weg. Aber wenn nicht, dann muss man sich doch mal fragen, wer einen Vorteil von Sandras Tod hat."
"Mrs. Porter hätte mit Sicherheit ein Motiv", erklärte Mike. "Und zwar Eifersucht."
Ich sah ihn an.
"Und was ist mit dem Professor?"
"Wie kommst du auf den?"
"Ich habe einen Streit zwischen ihm und Sandra McKinley beobachtet. Sandra drohte damit, irgend etwas an die Öffentlichkeit zu bringen. Aber ich habe keine Ahnung, was das sein könnte... Und dann ist da noch dieser seltsame Balboa, der mir von Anfang an nicht gefallen hat."
"Aber für den würde mir kein Motiv einfallen..."
Ich lehnte mich gegen seine starke Schulter und er legte sanft den Arm um mich. In meinen Gedanken wirbelte alles durcheinander. Ich konnte mir auf diese Sache keinen Reim machen. Noch nicht. Es war alles sehr rätselhaft. Vielleicht lag der Schlüssel zu allem doch da draußen, bei der seltsamen Ruine...
Es war eine Ahnung, nicht mehr. Aber ich hatte auf einmal das Gefühl, dass ich vielleicht weiterkam, wenn ich dort nachforschte. Auf welche Weise auch immer, denn einerseits waren alle gegenwärtig Verdächtigen jetzt dort. Und andererseits vielleicht auch ein geheimnisvolles, mörderisches Wesen mit dem düsteren Namen Rama'ymuh, das außer seinem unheimlichen Hunger nach den Lebenden wohl kein Motiv brauchte, um zu töten.
Ich sah Mike an und versank für einen Moment im Blick seiner meergrünen Augen.
"Begleitest du mich?", fragte ich leise.
"Wohin?"
"Zum HAUS DER GÖTTER."
*
Mike war zunächst etwas verwundert, aber ich beschwor ihn, mir zu vertrauen. Ich redete wild auf ihn ein und manches davon war vielleicht nicht gerade logisch und zusammenhängend. Aber er verstand, wie wichtig das für mich war und so nickte er schließlich.
Wir bestiegen ein Beiboot und fuhren flussabwärts. Die Stelle zu finden, an der wir das letzte Mal an Land gegangen waren, war nicht schwer, denn das Boot von Professor Porter lag bereits am Ufer.
Wir folgten dem Trampelpfad, den wir selbst geschaffen hatten. Ich allein hätte mich wahrscheinlich verlaufen, aber Mike konnte sich in dem verwirrenden Irrgarten dieses Dschungels erstaunlich gut orientieren.
Wir erreichten schließlich das geheimnisvolle Bauwerk und unwillkürlich erfasste mich ein kalter Schauder, als die großen, glatten Steinquader sich vor mir erhoben.
Mir fiel auf, dass der tote Indio sich nicht mehr auf dem Steinblock befand.
Wir gingen durch den finsteren Gang, der in den Innenhof führte.
Dort war Jim bei der Arbeit zu sehen. Er fotografierte sehr sorgfältig die kalten, glatten Mauern.
In einiger Entfernung befanden sich die Porters. Sie hatten verschiedene Werkzeuge und Messgeräte ausgepackt. Mir fiel auf, dass Balboa nirgends zu sehen war.
"Der ist auf und davon", meinte Porter etwas missmutig. "Keine Ahnung, warum. Aber er kennt sich hier in der Gegend aus, als wäre es seine Westentasche. Und im Dschungel lebt er auch schon seit Jahren. Um ihn werden wir uns also keine Sorgen machen müssen..."
Porters Gesicht sah dabei ziemlich nachdenklich aus.
Deborah trat auch zu uns und ich berichtete knapp, was die Untersuchung durch Dr. Pinto ergeben hatte.
Porters Gesicht wirkte auf einmal sehr gelöst. "Also gar nichts", stellte er fest.
"Es könnte Mord gewesen sein", gab ich zu bedenken.
Deborah sah mich daraufhin sehr ernst an. "Keiner von uns hätte dazu ein Motiv!", behauptete sie.
Ich hatte darauf eine Erwiderung auf den Lippen, behielt sie aber für mich. Es hatte keinen Sinn, jetzt die Unterhaltung fortzusetzen. Ich würde auf diese Weise der Wahrheit nicht einen Zoll näherkommen.
"Es war Mord", stellte Porter fest und legte dabei einen Arm um seine Frau. Eine Geste, die ich noch nie bei ihm gesehen hatte und die mich daher verwunderte. "Mord durch ein äonenaltes, intelligentes Wesen, das nichts Menschliches an sich hat..."
"Rama'ymuh", murmelte ich.
"So nennen es die Indios", nickte Porter.
"Ich weiß nicht, ob es nicht eine näherliegende Erklärung gibt", stellte ich fest und meine Stimme hatte dabei einen fast eisigen Unterton, der seine Wirkung auf den Professor nicht verfehlte.
"Haben Sie den toten Indio vergessen, den Sie und ich gesehen haben?", fragte er ärgerlich und raufte sich dann mit einer fahrigen Geste die Haare. Der Schweiß stand ihm auf der Stirn. Die Hitze setzte ihm sichtlich zu. Aber seine Augen hatten wieder diesen fanatischen, zu allem entschlossenen Glanz, der mir schon ganz zu Anfang bei ihm aufgefallen war.
"Die Leiche ist nicht mehr da", stellte ich fest. "Und deswegen kann auch niemand nachprüfen, ob dieser Mann vielleicht auch eine Injektion bekommen hat, wie Sandra McKinley."
"Warum hat man mir nur so eine Ignorantin auf diese Expedition mitgegeben!", schimpfte Porter und hob die Hände zu einer beschwörenden Geste. "Was spukt denn in Ihrem hübschen Köpfchen für ein Vorschlag herum, Miss Vanhelsing? Vielleicht, dass wir nach Manaus zurückkehren und erst einmal den Tod von Sandra von der dortigen Polizei untersuchen lassen? Wissen Sie wie langsam die Mühlen der Justiz hier mahlen? Sie sind ja auch anderswo nicht gerade schnell, aber hier brechen sie in dieser Hinsicht alle Rekorde!" Er schüttelte energisch den Kopf. "Nein, für mich steht fest, wer Sandra getötet hat. Vielleicht beobachtet uns dieses Wesen jetzt sogar mit seinen kalten Facettenaugen..."
"Und was ist mit der Leiche des Indios?"
"Sie denken, ich habe Sie verschwinden lassen."
"Nicht unbedingt Sie."
"Fragen Sie Ihren Mitarbeiter, Mister Field. Der tote Indio war schon nicht mehr an seinem Platz, als wir hier ankamen. Und irgendwie ist das doch auch logisch, oder?"
Ich begriff nicht. "Wie meinen Sie das?"
Porter trat nahe an mich heran.
"Ganz einfach, Miss Vanhelsing. Der Tote gehörte Rama'ymuh - und zwar sowohl der Körper als auch die Seele. Sie sollten endlich begreifen, dass die Legenden der Indios auf etwas Realem beruhen und nicht nur aus Aberglauben bestehen!"
Ich sah ihn an und war mir nicht darüber schlüssig, was ich davon halten sollte.
"Vielleicht haben Sie recht", murmelte ich dann und versuchte zu lächeln. "Vielleicht sehe ich Gespenster."
Und genau in diesem Moment hatte ich wieder diese Ahnung.
Eine Ahnung, die besagte, dass wir alle, die wir hier her, in diese monströse Ruine gekommen waren, beobachtet wurden.
Im Geiste hörte ich die Stimme von Tante Elizabeth, die mich beschwor, meinen Eingebungen zu trauen.
Jim nahm mich für einen Moment zur Seite. "Du bist wirklich der Meinung, dass einer der Porters Miss McKinley umgebracht hat?"
"Ich weiß es nicht, Jim. Ich weiß gar nichts mehr. Glaubst du denn an diesen Schlangenmenschen oder wie immer man das bezeichnen soll? Und selbst wenn er existiert, vielleicht wollte man ihm diesen Mord nur in die Schuhe schieben. Möglicherweise bekam Sandra erst einen Schlag, der sie bewusstlos machte. Alles andere geschah vermutlich danach..."
Jim zuckte die Achseln und strich sich das ungebändigte blonde Haar zurück. "Irgendwie ist das schon eine sehr merkwürdige Story, an der wir hier arbeiten."
"Das kannst du laut sagen." Mein Blick ging an Jim vorbei und glitt an den uralten Mauern entlang. Ich wusste selbst nicht, was ich da suchte. Was ich tat geschah unbewusst, aber ich entschloss mich, diesen Impulsen zu folgen. Denn was hatte ich in diesem Fall außer meinen Eingebungen, von denen Tante Elizabeth meinte, es handele sich um eine hellseherische Begabung? Jedenfalls war ich mit dem Versuch einer logischen Erklärung auch nicht gerade sehr erfolgreich gewesen.
Jim runzelte die Stirn. "Reden wir noch miteinander oder bist du in eine andere Welt entrückt..."
"Entschuldige, Jim."
"Ich weiß nicht, ob das wichtig ist, aber zwischen Balboa und dem Professor hat es einen ziemlich heftigen Streit gegeben, bevor dieser zwielichtige Goldsucher dann abgezogen ist..."
"Hm", hörte ich mich selbst brummen. Ich konnte mir noch keinen Reim daraus machen und die einzelnen Teile des Puzzles noch nicht zusammenbringen.
*
Die Sonne wurde milchig. Der Professor hatte die Probenreihe abgeschlossen, wie er mir erläuterte und wollte zurück zur AMAZONAS QUEEN. "Mister Silva und ich werden Ihnen bald folgen", erklärte ich, als er mich fragend ansah.
Der Professor nickte langsam. Irgendwie schien ihm der Gedanke nicht zu gefallen, ich könnte mich ohne seine Anwesenheit hier im HAUS DER GÖTTER umsehen. Aber ich hatte das untrügliche Gefühl, dass hier der Schlüssel zu allem lag, auch wenn ich das nicht logisch begründen konnte.
"Warten Sie damit nicht zu lange, Miss Vanhelsing. Es wird bald dunkel. Und nachts im Dschungel zu sein, das ist kein Vergnügen."
"Ich werde schon auf sie acht geben", versprach Mike mit einem dünnen Lächeln. Ich hatte mit Jim besprochen, dass er mit zum Schiff zurückging. So konnte er die Porters beobachten. Wir sahen den anderen zu, wie sie sich auf den Weg zurück zu den Booten machten. Eduardo und Sergio trugen die schweren Taschen mit der Ausrüstung. Es dauerte nicht lange und sie waren im wuchernden Grün des Dschungels verschwunden.
Ich nahm Mikes Hand und war in diesem Augenblick froh, nicht ganz allein in diesen gespenstischen Ruinen zu sein.
"Was suchst du eigentlich hier?", fragte Mike dann.
Ich konnte nur mit der Schultern zucken und legte den Kopf an seine Schulter. "Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht so recht", musste ich gestehen. Sollte ich ihm davon erzählen, dass meine Großtante glaubte, ich hätte leichte hellseherische Kräfte? Wahrscheinlich hätte Mike mich für komplett verrückt gehalten. Ich nahm ihn bei der Hand und zog ihn mit mir. "Sehen wir uns etwas um."
"Wie du meinst." Ich stockte und blieb stehen.
"Was ist los?", fragte Mike, der mich musterte.
Ich hatte das unbestimmte Gefühl, beobachtet zu werden und fühlte einen Kloß im Hals, als ich schluckte. Und dann sah ich die Bewegung eines Schattens bei einem der vielen Eingänge, der von diesem Innenhof aus ins Innere des Schlangentempels führte. Einen Augenblick lang dachte ich schon an eine Halluzination, aber glücklicherweise war ich nicht allein mit dem, was ich gesehen hatte. Mike hatte dasselbe wahrgenommen und sein Griff ging unwillkürlich zu dem Revolver, den er hinter dem Gürtel stecken hatte.
"Da ist jemand", flüsterte er.
Mein Gefühl, beobachtet zu werden, hatte mich also nicht getrogen. Einen Augenaufschlag lang starrten wir beide noch in Richtung des finsteren Ganges, dann näherten wir uns.
Aus der Dunkelheit des Ganges waren Schritte zu hören, die dann verhallten und immer leiser wurden.
"Hinterher", murmelte ich. Es dauerte nicht lange und wir hatten den düsteren, kreisrunden Gang erreicht. Mike hatte eine Taschenlampe dabei und mit deren Licht drangen wir ins Innere des HAUSES DER GÖTTER vor. Wir eilten den Korridor entlang und kamen dann an eine Abzweigung, an der wir innehielten. Wir lauschten und vernahmen tatsächlich die Schritte, die wir zuvor schon bemerkt hatten. Jetzt waren sie sehr leise.
"Dorthin", sagte Mike und deutete auf eine der Abzweigungen. "Jedenfalls kommen daher die Schritte."
Ich atmete tief durch.
"Ich hoffe nur, dass wir uns in diesem Labyrinth nicht verlaufen!" Die Gefahr war tatsächlich gegeben. Aber andererseits wollte ich unbedingt wissen, wer uns da beobachtet hatte. Wir folgten den Schritten und beeilten uns dabei sehr. So schnell es ging hetzten wir hinter dem Unbekannten her, folgten ihm in einen weiteren, diesmal sehr niedrigen Gang, in dem wir nur gebückt laufen konnten, um schließlich wieder einen der Hauptkorridore zu erreichen.
Dann befanden wir uns plötzlich wieder im Freien.
Wir hatten den Ausgang des Tempels erreicht. Die Helligkeit blendete uns für einem Augenblick regelrecht.
Wir hatten gegenüber dem davoneilenden Schatten ziemlich gut aufgeholt und doch kamen wir nicht rechtzeitig ins Freie, um noch sehen zu können, um wen es sich handelte.
Ein dunkles Etwas verschwand zwischen den massiven Urwaldriesen, die von dichtem Unterholz umgeben waren.
Mike und ich wechselten einen kurzen Blick. Wir brauchten keine Worte, um zu wissen, was der andere dachte. Diese Gelegenheit durften wir nicht verstreichen lassen. Wir mussten dieser geheimnisvollen Gestalt folgen. Wer mochte schon voraussagen, wann wir je wieder eine Chance erhalten würden, ihr so nahe zu kommen. Und so liefen wir los.
*
So gut es ohne Machete möglich war, kämpften wir uns durch das Unterholz des Dschungels. Die Gestalt, die wir verfolgten, hinterließ zunächst unübersehbare Spuren. Abgeknickte Äste und Sträucher, niedergetrampelte Farne.
Aber irgendwann verloren sich diese Anzeichen und wir waren uns plötzlich nicht mehr sicher, dem Unbekannten noch auf den Fersen zu sein. Wir hielten inne, atmeten tief durch und lauschten dem vielstimmigen Konzert des Regenwaldes.
Nichtmenschliche Schreie drangen an meine Ohren und ließen mich unwillkürlich zusammenfahren. Mike hatte den Revolver längst wieder eingesteckt.
"Irgend etwas war da", meinte er. "Aber wir haben keine Chance, dieses Etwas hier im Dschungel aufzuspüren. Das ist wie die berühmte Suche nach der Nadel im Heuhaufen."
Es fiel mir schwer, das einzusehen, aber ich musste zugeben, dass Mike recht hatte. "Was glaubst du, wer oder was wir da gesehen haben?", fragte er.
Ich zuckte die Achseln. "Ich weiß es nicht", bekannte ich wahrheitsgemäß.
"Es könnte dieser Balboa gewesen sein", vermutete Mike.
"Jedenfalls keiner der Indios, denn für die ist dieses Bauwerk ja tabu."
"Ja", murmelte ich. Ich sah Mike an. "Und wenn es dieses Schlangenwesen ist - Rama'ymuh?"
"Das glaube ich erst, nachdem ich es gesehen habe. Gehen wir zurück, Patricia. Was immer es auch war, wir werden es jetzt unmöglich finden."
"Also gut."
Wir machten uns auf den Weg. Und ein Blick über die Wipfel der Urwaldriesen sagte uns, dass wir uns damit beeilen mussten.
Wie graue Spinnweben hatte sich die Dämmerung über das Gewimmel des Dschungels gelegt. Es wurde rasch dunkler und wir beide wussten, dass es kein Vergnügen war, bei Nacht hier draußen zu sein. So schnell wir konnten gingen wir vorwärts und obwohl es gegen Abend etwas kühler wurde, stand uns der Schweiß auf der Stirn. Mike nahm mich bei der Hand und zog mich mit sich. Ich verlor langsam das Gefühl für Zeit. Wir schienen immer wieder an denselben Bäumen vorbeizukommen, aber ich redete mir ein, dass das Einbildung war.
Wir redeten uns beide etwas ein und als wir schließlich innehielten, war es bereits fast dunkel.
"Ich habe nicht die geringste Ahnung, wo wir uns befinden", hörte ich Mikes Stimme. Das war ein Keulenschlag, aber er sprach nichts weiter als das aus, was ich tief im Inneren schon seit geraumer Zeit gewusst hatte.
Wir hatten uns verirrt und waren nun allein in der Finsternis des nächtlichen Dschungels.
"Am besten, wir versuchen, den Fluss zu erreichen", schlug Mike vor. "Dann können wir uns orientieren."
"Jetzt, in der Nacht?"
"Hast du vielleicht Lust, hier zu übernachten?"
"Nein."
Wir gingen schweigend durch den Urwald und lauschten dem Chor der gespenstischen Tierstimmen. Manchmal erhoben sich dunkle Schwingen mit einem flatternden Geräusch in die Luft.
Ich weiß nicht, wie lange es dauerte, bis wir eine Lichtung erreichten, die vermutlich von Menschenhand angelegt worden war. Mike deutete zu den Sternen.
"An ihrer Position lässt sich die Himmelsrichtung erkennen", erklärte er und deutete schließlich in eine bestimmte Richtung. "Der Fluss müsste dort irgendwo liegen!"
Offenbar waren wir in einem ziemlich großen Bogen gelaufen, denn der Fluss kam nicht so bald. Müdigkeit und Entkräftung begannen uns mehr und mehr zuzusetzen. Aber Mike beschwor mich, wachzubleiben.
Eine Weile ruhten wir uns dann auf der knorrigen Wurzel eines riesigen Baumes aus. Ich lehnte mich an ihn und ehe ich mich versah, war ich ein bisschen eingenickt.
Es war das Geräusch stampfender Schritte, das mich wieder hellwach werden ließ. Mike sprang auf und riss mich hoch. Die stampfenden Schritte kamen irgendwo aus dem nahen Unterholz, das im dunklen Schatten der Bäume lag. Wir standen wie erstarrt da, meine Hand krampfte sich um Mikes Arm. Etwas Dunkles, Schattenhaftes lief auf uns zu. Durch die Baumkronen der Urwaldriesen fiel das Mondlicht und beleuchtete für den Bruchteil eines Augenblicks etwas Entsetzliches. Ich sah den Kopf einer riesigen Schlange mit kalten Facettenaugen auf einem Körper, der aussah, wie der Körper eines Menschen.
"Nein...", flüsterte ich, als dieses Wesen mich berührte und ich das Gleichgewicht verlor. Ich taumelte und alles begann sich vor meinen Augen zu drehen. Ein dumpfer, ächzender Laut ging von der Gestalt aus und ließ mich erschaudern. Alles, was dann geschah, ging sehr schnell vor sich.
*
Ich kam hart auf dem Boden auf. Als ich mich wieder aufrappelte, sah ich, wie Mike sich mit der dunklen Gestalt am Boden wälzte. Dann löste sich das Wesen, das halb Schlange halb Mensch zu sein schien von dem am Boden liegenden und rannte weiter in den Dschungel hinein. Ich sah dem davoneilenden Monstrum nach und wandte dann den Blick zu Mike. Er schien etwas benommen. Offenbar hatte er einen Schlag abbekommen. Mit wenigen Schritten war ich bei ihm.
"Alles in Ordnung, Mike?"
"Mein Kopf hat was abgekriegt", meinte er. "Ist aber halb so schlimm." Er sah sich suchend um, aber das geheimnisvolle Schlangenwesen war natürlich längst verschwunden. Stattdessen näherten sich erneut Schritte. Ein Mann kam aus dem Unterholz heraus. Mike nahm seine Taschenlampe und leuchtete in ein vollbärtiges Gesicht unter einem breitkrempigen Hut. Der Mann hob den Arm, um sich vor der Helligkeit zu schützen.
"Wer sind Sie?", fragte ich zögernd. "Und was suchen Sie hier?" Der Mann blieb stehen und blinzelte. Ich konnte sehen, dass er bewaffnet war.
"Dasselbe könnte ich Sie beide fragen", knurrte der Mann mit dem Hut. "Ist hier gerade jemand vorbeigelaufen?"
"Ja", erklärte Mike. "Wer immer das war, wir hatten eine etwas unsanfte Begegnung mit diesem... Wesen."
"Wesen?" Der Mann lachte heiser. Dann zuckte er die breiten Schultern. "Aber Sie haben recht, es ist schwer zu beschreiben..." Er trat ein paar Schritte vor und reichte erst mir, dann Mike die Hand. "Mein Name ist Harry Blane", sagte er. "Ich bin Ethnologe."
"Dann kennen Sie sich in der Gegend aus?" fragte ich und erläuterte ihm dann, wer wir waren.
Er nickte. "Ganz in der Nähe ist ein Indio-Dorf, in dem es in dieser Nacht einen Todesfall gab. Das Opfer hatte Bisswunden einer riesigen Giftschlange. Aber für euch Presseleute ist der Tod eines Indios sicher keine Meldung wert!"
Sein Tonfall war ziemlich bitter.
Und ich wunderte mich. "Sie scheinen zu wissen, wer wir sind", stellte ich etwas überrascht fest.
Er nickte.
"Ich nehme an, Sie sind die Reporterin, von der Dr. Pinto mir erzählt hat", stellte er fest. "Und im Moment scheinen Sie nicht so recht zu wissen, wo Sie sich befinden!"
Damit hatte er den Nagel auf den Kopf getroffen!
*
Wir folgten Harry Blane. Im Grunde genommen hatten wir auch kaum eine andere Wahl, als mit ihm zu gehen, schließlich hatten wir wirklich keine Ahnung mehr, wo wir uns aufhielten.
"Ich bringe Sie in das Indio-Dorf, das sich hier in der Nähe befindet. Von dort kann ich Sie mit einem Kanu zurück zu Ihrem Schiff bringen. AMAZONAS QUEEN heißt es, nicht wahr?"
"Neuigkeiten scheinen sich hier schnell herumzusprechen", hörte ich Mike sagen.
Blane nickte.
"Allerdings." Er berichtete uns von seiner Arbeit. Offenbar lebte er seit Monaten bei Indios, um ihre Lebensgewohnheiten zu studieren. "Alles ist nur eine Frage der Zeit", meinte er. "Dann wird die Kultur dieser Menschen verschwunden sein. Sie werden in Turnschuhen und T-Shirts herumlaufen und ihre Dörfer werden aussehen wie Slums... Und das alles nur, weil Leute hier herkommen, die glauben, dass es irgend etwas Wertvolles in diesem Urwald gibt. Gold zum Beispiel, oder eine alte Ruine, die für die Indios tabu ist."
"Hat man schon Gold gefunden in dieser Gegend?", fragte Mike.
Blane nickte. "Ja. Noch sind es vereinzelte Funde, aber die reichen schon aus, um Scharen von Abenteurern hier her zu locken. Männer wie..."
"Balboa?", warf ich ein.
Er sah mich an und nickte dann sehr langsam und nachdenklich. "Den kennen Sie also auch."
"Sie haben keine besonders gute Meinung von ihm?"
"Er verachtet die Indios. Für ihn sind sie kaum menschliche Wesen. Wenn er könnte, würde er sie auf der Stelle vertreiben, aber das ist ihm bislang noch nicht gelungen. Er ist ein gewissenloser, skrupelloser Hund..." Aus seiner Stimme klang tiefe Bitterkeit.
Ich wartete einige Augenblicke lang, ehe ich mich erneut an ihn wandte. "Was war das eigentlich für ein Wesen, hinter dem Sie her waren, Mister Blane?"
"Wesen?" Blane hob die Augenbrauen und strich sich mit einer fahrigen Geste über das Kinn. Er lachte kurz auf. "Ich habe Ihnen doch von den Todesfällen erzählt..."
"Ja", nickte ich.
"Die Indios glauben an die Existenz eines schlangenköpfigen Totengottes Rama'ymuh. Sie haben geradezu panische Furcht vor diesem Wesen und mir scheint, dass sich das jemand zu Nutze machen will, dem daran gelegen ist, die Indios zu vertreiben."
"Sie meinen, hier läuft jemand mit einer Schlangenmaske herum und tötet Indios?"
"Ja. Bei der Herstellung dieser Masken verwenden die Indios Zähne von Giftschlangen..." Ich verstand was, Blane meinte.
Wer immer eine solche Indio-Maske an sich brachte, konnte sie dazu benutzen, einen Toten so aussehen zu lassen, als wäre er von einer gigantischen Schlange gebissen worden...
"Und wer meinen Sie, steckt dahinter?", fragte ich.
Blane zuckte die Achseln. "Balboa, schätze ich. Wer sonst? Er will die Indios verjagen und dazu ist ihm jedes Mittel recht."
Jetzt mischte sich Mike ein und raunte mir zu: "Ich frage mich nur, weshalb dieser Balboa die Assistentin von Professor Porter umbringen sollte! Ich mag ihn auch nicht, aber zumindest dieser Mord ergibt keinen Sinn!"
Eine Weile gingen wir schweigend. Dann fragte ich Blane: "Haben Sie mal erwogen, ob es ein Wesen wie Rama'ymuh vielleicht wirklich geben könnte?"
Blane blieb stehen und atmete tief durch. "Daran würde ich an Ihrer Stelle nicht einmal zu denken wagen!", knurrte er.
*
Wir erreichten das Indio-Dorf, bei dem es sich offenbar nicht um jenes handelte, das wir bereits besucht hatten.
Anscheinend waren wir in einem großen Bogen noch weiter flussaufwärts gekommen, als wir gedacht hatten. Im Dorf herrschte Aufruhr. Feuer brannten und die Nacht wurde durch den Schein zahlloser Fackeln erhellt.
"Sie betrauern den Toten dieser Nacht", erklärte Blane.
Ich fragte: "Haben Sie den Toten gesehen?"
"Ja."
"Hat er vielleicht eine Injektion bekommen? So wie Sandra McKinley, die Assistentin von Professor Porter?"
Blane sah mich erstaunt an. Dann meinte er: "Ich habe den Toten natürlich nicht untersuchen können. Und wenn ich es jetzt versuchen würde, dann würde der ganze Stamm uns auf den Leib rücken! Ich sah nur diese merkwürdige Gestalt, der auch Sie begegnet sind, und bin ihr in den Dschungel gefolgt. Die Indios waren ja völlig von Sinnen vor Furcht..."
Wir gingen zum Flussufer, wo die Kanus lagen. Die Indios, die uns bemerkten, sahen uns scheu und etwas misstrauisch an.
Blane kannten sie und da wir in seiner Begleitung waren, unternahmen sie nichts gegen uns und sprachen uns auch nicht an. Mein Blick glitt über die Boote. Es war keines mit Motor dabei. "Kommen Sie!", forderte Blane, während er eines der Boote bereitmachte. "Ich werde Sie flussabwärts bringen..."
"Jetzt, in der Nacht?", fragte ich.
"Ja. Ich weiß nicht, ob die Situation hier im Dorf nicht außer Kontrolle gerät!"
Wenig später saßen wir in einem der Boote und ließen uns flussabwärts treiben. Zu beiden Uferseiten befand sich dichter Dschungel, voll von unheimlichem Leben. Das Schlagen von Flügeln, die Laute uns unbekannter Tiere und das Surren von Insekten mischten sich mit den plätschernden Geräuschen, die entstanden, wenn die Paddel ins Wasser eintauchten.
Wir kamen nicht sehr schnell vorwärts und als vor uns der Bug der AMAZONAS QUEEN auftauchte, graute bereits der Morgen.
Eduardo stand in der Spitze des Flussschiffs und sah uns kommen. Als wir die AMAZONAS QUEEN erreicht hatten, warf er uns eine Strickleiter herab. "Ich habe mir schon Sorgen um Sie gemacht, Captain!", rief er Mike zu.
Ich wandte mich an Harry Blane. "Wollen Sie nicht an Bord kommen?"
Aber Blane schüttelte den Kopf. "Ich hatte bereits einmal eine unerfreuliche Begegnung mit Professor Porter. Meiner Meinung nach ist er ein Mann, der lediglich an Profit und Ruhm interessiert ist. Dafür würde er alles tun."
"Und worum geht es Ihnen?", fragte ich.
"Um die Indios. Um sonst nichts."
"Und um die zu schützen - wäre Ihnen da auch jedes Mittel recht?" Darauf blieb er mir die Antwort schuldig. Blane sah mich einen Augenblick lang finster an, dann ging sein Blick an mir vorbei,hinauf zum Schiff. Über die Reling beugte sich jetzt die Gestalt von Professor Porter.
*
Während Harry Blane mit seinem Kanu wieder flussaufwärts fuhr, berichtete Mike in knappen Worten, was geschehen war.
"Sie haben dieses Wesen gesehen - und mit ihm gerungen?", erkundigte sich Professor Porter mit vibrierender Stimme. "Dann stimmt meine Theorie also... Irgendwo da draußen, in der Gegend um die Ruine herum lebt dieser Abkömmling einer uralten, vormenschlichen Zivilisation ..." Ein Grinsen erschien auf seinem Gesicht. Das Triumphgefühl konnte er nicht verhehlen.
"Nun mal langsam, Professor", erwiderte Mike jedoch. "Ich habe gar nichts gesehen, nur eine schemenhafte Gestalt..."
"...mit einem Schlangenkopf!"
"Und wenn es eine Maske der Eingeborenen war? In dem Dorf, in dem dieser Ethnologe namens Blane tätig ist, habe ich so etwas gesehen."
Porter machte eine wegwerfende Handbewegung. "Trauen Sie Ihren Sinnen, Mister Silva. Und nicht den Vorurteilen, die man Ihnen gegen alles Ungewöhnliche eingeimpft hat!"
Mike Silva lachte.
"Nicht Vorurteile, Professor! Nur eine gesunde Skepsis!"
Porter blickte hinaus auf den Fluss, dorthin, wo Blane verschwunden war. Dann sah er erst Mike und dann mich an.
"Ich hoffe, Sie glauben nicht alles, was dieser Blane so erzählt, Miss Vanhelsing."
"Was könnte er mir denn erzählt haben?"
"Was weiß ich? Aber bedenken Sie, dass dieser Mann auf seine Art ein Fanatiker ist. Jemand, der die Wirklichkeit nicht mehr richtig wahrzunehmen weiß..."
"Ach, ja?", erwiderte ich kühl.
Allan Porter trat etwas näher an mich heran und sagte dann in gedämpften Tonfall: "Überlegen Sie doch einmal. Angenommen, Sandra ist nicht das Opfer dieses geheimnisvollen Wesens geworden, das wir suchen..."
"...und das ja wohl kaum Injektionen verabreicht, so wie Dr. Pinto sie an Sandras Körper gefunden hat!", ergänzte ich.
Porter nickte. Und damit hatte er zum ersten Mal zugegeben, dass er die Möglichkeit in Betracht zog, seine Assistentin sei vielleicht ermordet worden. Und zwar durch einen durch und durch menschlichen Täter.
Porters Augen durchbohrten mich schier, während er weitersprach und es war nicht leicht, dem Blick dieser fast hypnotische Augen standzuhalten. Doch ich schaffte es.
"Ein Mord braucht ein Motiv, nicht wahr?", hörte ich ihn sagen.
Ich nickte. "So ist es."
"Und dieser Blane hätte eins. Er hat nichts als diese Indios im Kopf und würde alles dafür tun, um zu verhindern, dass in Zukunft Scharen von Forschern hier her Pilgern, um die Ergebnisse meiner Forschungen zu überprüfen."
Ich war erstaunt. "Sie glauben, Blane hat Sandra getötet?"
"Es wäre für ihn ein Leichtes gewesen, an Bord zu gelangen. Und vielleicht hoffte er, dass wir uns erst einmal gegenseitig verdächtigen. Auf jeden Fall musste ihm klar sein, dass diese Expedition erheblich geschwächt würde..."
"Ich weiß nicht", murmelte ich.
"Denken Sie darüber mal nach", empfahl Porter mir und ich versprach ihm, das zu tun.
Mike hatte genug auf dem Schiff zu tun und ich suchte nach einer Gelegenheit, allein mit Jim zu sprechen. Eins war mir inzwischen klar: Die Frage, ob es eine Art Schlangenmenschen gab, den die Indios als Totengott Rama'ymuh verehrten, war nicht das einzige Geheimnis, das es hier zu lüften gab.
Ich nahm Jim mit in meine Kabine.
"Hast du schon etwas herausgefunden?", fragte ich ihn.
Er zuckte die Achseln.
"Ich weiß es nicht. Das Ganze scheint sehr verworren zu sein. Aber eins steht für mich fest: Weder der Professor noch seine Frau scheinen Miss McKinley sehr zu vermissen."
"Den Eindruck habe ich auch", gestand ich.
"Ich habe versucht, mal einen Blick in Sandra McKinleys Kabine zu werfen..."
"Und?"
"Es scheint, als ob Mister Porter mir zuvorgekommen ist. Jedenfalls sah ich ihn aus Sandras Kabine kommen. In der Hand hielt er einige Kassetten, wie man sie für Diktiergeräte benutzt. Mir gegenüber hat er dann irgendeine Ausrede dahergestottert..."
Mir fiel der Streit wieder ein, den ich zwischen Porter und seiner Assistentin beobachtet hatte. Sandra McKinley hatte damit gedroht irgend etwas an die Öffentlichkeit zu bringen.
Ob das der Schlüssel zu diesem Rätsel war? In diesem Moment wäre ich für jeden Hinweis dankbar gewesen, selbst für eine dieser Eingebungen, die meine Großtante Elizabeth immer als hellseherische Gabe bezeichnete?
Plötzlich sah Jim mich ernst an und fragte: "Sag mal, was hast du wirklich da draußen im Dschungel gesehen, Patti?"
Ich blickte auf.
Was sollte ich darauf sagen? Ich war mir ja selbst nicht im Klaren darüber. Die Bilder aus der Erinnerung erschienen noch einmal vor meinem geistigen Auge, aber ich war mir auf einmal nicht mehr sicher, ob sich diese Bilder nicht mit denen vermischt hatten, die ich im Traum gesehen hatte.
Ich strich mir das Haar zurück und schüttelte bedauernd den Kopf. "Ich weiß es nicht", bekannte ich. "Ich weiß es wirklich nicht, Jim!"
*
Es dauerte nicht lange und Professor Porter trieb die anderen zum Aufbruch an. Er wollte erneut zum HAUS DER GÖTTER aufbrechen und seine Untersuchungen fortsetzen. Das, was ich ihm über die seltsame, schlangenköpfige Gestalt im Dschungel berichtet hatte, schien ihn noch mehr anzustacheln.
Natürlich hatte er Verständnis dafür, dass Mike und ich nicht mitkommen wollten. Schließlich hatten wir die Nacht über nicht schlafen können.
"Sie werden es bereuen, Miss Vanhelsing!", gab er mir zu verstehen.
Ich versuchte ein Lächeln. "Mister Field ist ja dabei und wird alles im Bild festhalten", erwiderte ich. "Im übrigen bin ich auch kein Übermensch! Mir mir fallen die Augen zu. Und jene Stelle, an der Mister Silva und ich das geheimnisvolle Wesen getroffen haben - wer immer das nun auch sein mag würde ich ohnehin nicht wiederfinden."
"Und dasselbe gilt für Captain Silva, wie ich annehme?"
"So ist es."
"Zu schade!" Der Professor verzog das Gesicht und atmete dann tief durch. Wenige Minuten später setzten sich zwei Beiboote der AMAZONAS QUEEN in Bewegung, vollgeladen mit wissenschaftlicher Ausrüstung und Proviant für den Tag. Ich sah ihnen von der Reling aus nach. Jim winkte mir kurz zu, bevor die Boote hinter der nächsten Flussbiegung verschwanden.
Bis zum frühen Nachmittag hatte ich jetzt Zeit, wenn alles gutging. Aber diese Zeit würde ich auch dringend brauchen.
Doch ich war nicht allein. Ein starker Arm legte sich um meine Schulter. Mikes Arm. Ich legte den Kopf zur Seite und umfasste seine Hüfte. "Ich hoffe, daß dieser Alptraum bald ein Ende hat", murmelte ich vor mich hin und meine Stimme klang in diesem Moment in meinen Ohren fast wie die Stimme einer Fremden.
Mike strich mir über das Haar. "Keine Sorge. Ich bin bei dir."
"Ich weiß."
"Ich liebe dich, Patricia!"
Wir küssten uns und als unsere Lippen sich voller Leidenschaft und Zärtlichkeit aufeinander pressten, vergaß ich für ein paar Augenblicke die bleierne Müdigkeit, die gerade noch auf mir gelastet hatte. Auch die düsteren Geheimnisse, die wie schwere schwarze Schatten auf dieser Reise zu liegen schienen, waren auf einmal so fern...
Schließlich löste ich mich von ihm. Ich wollte mir die Kabinen von Sandra McKinley und Professor Porter ansehen. Wie ich erwartet hatte, waren beide abgeschlossen, aber Mike hatte als Kapitän und Eigner der AMAZONAS QUEEN selbstverständlich Zweitschlüssel. Sandras Kabine war offenbar gründlich durchwühlt worden. Und so, wie es aussah, konnte dafür nur Allan Porter verantwortlich sein. Ich wandte mich also der Kabine des Professors zu.
"Ich würde das für niemand anderen tun", sagte Mike, der mir auch diese Tür geöffnet hatte. "Schließlich hast du nichts weiter in der Hand, als einen ziemlich vagen Verdacht. Und wenn sich herumspricht, dass ich ich die Kabinen meiner Chartergäste von der Presse durchsuchen lasse..."
"Es geht um einen Mord", sagte ich ernst. "Und wahrscheinlich um irgend eine Art von Erpressung..."
Ich brauchte nicht lange, um die Tonbänder und das dazugehörige Diktiergerät zu finden, die Porter aus Sandras Kabine geholt hatte. Ungewöhnlich war das eigentlich nicht.
Schließlich war Sandra Professor Porters Assistentin gewesen und hatte mit Sicherheit ab und zu auch Tätigkeiten auszuführen gehabt, die denen einer Sekretärin ähnelten.
Auf den Tonbändern waren offenbar Teile eines Buches, das Porter demnächst herausbringen würde. Allerdings hatte nicht er den Text diktiert, sondern Sandra McKinley.
*
Langsam setzte sich ein Bild zusammen. Offenbar hatte Professor Porter nicht die Zeit oder die Lust, seine Bestseller selbst zu schreiben. Die Autorin des neuesten Allan Porter-Buches war Sandra McKinley. Ich hörte mir die Bänder nach und nach an, während Mike mir zu verstehen gab, dass das noch kein Mordmotiv sei. "Selbst wenn Miss McKinley dem Professor damit gedroht hat, der Öffenlichkeit preiszugeben, dass nicht er der Autor seiner Bücher ist..."
"...so hätte das ihn in der Fachwelt unmöglich gemacht!", gab ich zu bedenken.
"War er das nicht schon, Patricia? Außerdem ist es doch gar nicht so unüblich, dass Wissenschaftlicher sich von ihren Assistenten zuarbeiten lassen, ohne dass diese als Mitautoren genannt werden."
Ich hörte weiter den Bändern zu. Sandra hatte eine monotone Stimme. Es ging gerade um den mysteriösen Fund, den wir bei unserem ersten Besuch in den Ruinen gemacht hatten: jene Schlangenhaut, die unmöglich bei der Häutung irgendeiner bekannten Schlangenart entstanden sein konnte, weil sie dafür einfach zu groß war. Ich spulte das Band zurück.
"Was hast du?", fragte Mike mit erstauntem Gesicht.
"Hör doch!", forderte ich.
Und dann hörten wir es beide. Es waren nicht die Worte, die über Sandra McKinleys Lippen kamen, die so erstaunlich waren, sondern das, was im Hintergrund zu hören war.
Mike sprach es aus. "Hafengeräusche!", stellte er sachlich fest, nachdem ich die Stelle ein weiteres Mal zurückgespult und abgespielt hatte. "Dieses Band ist in Manaus aufgenommen worden! Wie konnte Miss McKinley dort bereits wissen, dass wir eine gewaltige Schlangenhaut finden?"
Dafür gab es natürlich nur eine mögliche Erklärung.
"Der Fund war gefälscht", erklärte ich. "Und vielleicht ist das nicht das einzige, was an Professor Porters Theorien nicht stimmt!"
Mike nickte langsam. "Der Professor ist also allem Anschein nach ein Betrüger! Wenn Miss McKinley damit an die Öffentlichkeit gegangen wäre, das hätte Porter wirklich ruiniert!"
*
Die Tonbänder nahm ich mit auf meine Kabine. Bis zu Professor Porters Rückkehr hatte ich noch Zeit, mich etwas hinzulegen.
Ich schlief wie ein Stein und erwachte erst, als ich Schritte über mir auf den Planken der AMAZONAS QUEEN hörte. Und dann vernahm ich auch Stimmen. Die des Professors zum Beispiel und auch die seiner Frau. Ich konnte zwar nicht verstehen, was gesagt wurde, aber offenbar war der Wissenschaftler guter Laune. Ich machte mich etwas frisch, steckte mir die Haare zu einer praktischen Frisur hoch und traf Professor Porter dann wenige Augenblicke später im Salon. Der Professor redete überschwänglich davon, um welch großes Stück seine Arbeit an diesem Tag vorangekommen war.
"Heißt das, dass Sie diesen Schlangenmenschen gefunden haben?", fragte ich kühl in eine der wenigen Pausen hinein.
Porter sah mich stirnrunzelnd an.
"Nein, das nicht. Aber das wäre auch ein außerordentlicher Glücksfall gewesen..."
"Nur ein Glücksfall?", fragte ich zweifelnd. "Oder haben Sie vielleicht gar nicht damit gerechnet, dieses Wesen zu finden, weil Sie wissen, dass es nicht existiert?"
Porter sah mich streng an. Seine Augenbrauen waren hochgezogen. "Wovon reden Sie, Miss Vanhelsing?"
"Ich glaube, dass Sie das sehr genau wissen, Professor! Es geht um den Grund dafür, dass Miss McKinley, Ihre Assistentin, sterben musste. Sie war nämlich nicht nur die Autorin Ihres nächsten Buches und vermutlich auch einiger der vorhergehenden Bestseller..."
"Was...?"
"Sie wusste bereits im Voraus davon, dass wir im HAUS DER GÖTTER eine überdimensionale Schlangenhaut finden würden. Die Tonbänder ihres Diktiergerätes beweisen es, denn im Hintergrund sind die Hafengeräusche von Manaus zu hören. Ich war so frei, die Bänder an mich zu nehmen... Ich nehme an, dass Sandra Ihnen gedroht hat, diese Sache an die Öffentlichkeit zu bringen. Was wollte sie dafür? Geld? Oder dass Sie sich von Ihrer Frau trennen, um mit ihr zu leben? Vielleicht verraten Sie es mir..."
Porters Gesicht war aschfahl geworden. Er blickte sich unter den Umstehenden um. Dann versuchte er, einen etwas entspannteren Gesichtsausdruck aufzusetzen.
"Das sind schwere Anschuldigungen...", murmelte er dann.
"Entsprechen sie vielleicht nicht der Wahrheit?"
"Ich habe Sandra nicht getötet", erklärte Porter. "Gut, sie hat die Vorarbeiten für mein nächstes Buch begonnen..."
"Fertig formulierte Kapitel! Das nennen Sie Vorabeiten!"
"Was glauben Sie denn, wie ich mein immenses Arbeitspensum sonst schaffen könnte, Miss Vanhelsing! Ich bin es, der die Forschungsergebnisse dem Schleier der Vergangenheit entreißt!
Ich kann mich nicht damit aufhalten, dies auch noch in schöne, wohlgesetzte Worte zu kleiden! Und dennoch sind es meine Bücher, denn es sind meine Gedanken darin! Und was die Schlangenhaut angeht..." Jetzt war ich auf seine Antwort gespannt. Er atmete tief durch.
"Ja, Professor?"
"Wahrscheinlich haben Sie den Wortlaut nicht richtig verstanden. Sehen Sie, es ist sehr heiß und schwül hier und nicht jeder ist für dieses Klima geboren. Sie wären nicht die erste, die glaubt, etwas zu hören, was nicht gesagt wurde..."
"Wir können das gerne nachprüfen", erwiderte ich eisig.
"Gut", nickte Professor Porter überraschenderweise.
Wir gingen gemeinsam zu meiner Kabine. Ich schloss die Tür auf und blickte auf den Nachttisch, wo ich die Kassetten abgelegt hatte. Sie waren nicht mehr da.
"Nun, Miss Vanhelsing?", hörte ich Allan Porters Stimme wie durch einen Nebel hindurch. "Wo sind Ihre Beweise? Oder wird jetzt aus Ihrer Story von einem Betrüger und Mörder namens Allan Porter doch nichts?"
*
Ich durchsuchte meine Kabine sehr gründlich, aber die Kassetten fanden sich einfach nicht mehr. Dann fiel mir auf, dass Deborah Porter während unseres Gesprächs im Salon den Raum verlassen hatte. Ob sie dafür verantwortlich war, dass die Kassetten verschwunden waren? Bei all ihrer Eifersucht, die sie gegenüber ihrem Mann empfunden hatte, schien sie doch im entscheidenden Moment immer zu ihm zu halten. Die Schlösser an Bord der AMAZONAS QUEEN waren mit einem einfachen Dietrich leicht zu überwinden. Und wenn am Ende gar Mike für das Verschwinden der Beweisstücke verantwortlich war? Kaltes Grauen stieg bei diesem Gedanken in mir auf. Nein, das konnte nicht sein... Etwas später sprach ich mit Jim darüber.
"Vielleicht war es nicht besonders klug, Porter gleich so anzugreifen", meinte er.
Ich zuckte die Achseln. "Was hätte ich sonst tun sollen? Ich wollte wissen, wie er reagiert. Er spielt ein falsches Spiel, dieser ehrenwerte Professor..."
Dann hatte Jim noch eine interessante Neuigkeit für mich.
"Heute ist übrigens dieser Goldsucher wieder aufgetaucht", berichtete er.
"Balboa?"
"Ja. Er tauchte plötzlich bei der Ruine auf, um mit dem Professor zu reden. Leider konnte ich nicht verstehen, worum es ging, aber es war mit Sicherheit keine freundliche Unterhaltung..."
Ich zuckte die Achseln. Ob dieser Balboa auch seine Rolle in diesem undurchsichtigen Spiel hatte, war mir noch nicht klar. Aber ich hatte das Gefühl, dass es nicht mehr lange dauern konnte, bis die volle Wahrheit ans Licht kam.
*
Es war mitten in der Nacht, als ich aus tiefem, traumlosen Schlaf hochschreckte und eine Sekunde später kerzengerade im Bett saß. Ein Geräusch hatte mich geweckt. Schritte waren vor der Tür zu meiner Kabine zu hören. Jemand machte sich an der Tür zu schaffen und ich war froh, dass ich sie abgeschlossen hatte. Wie erstarrt saß ich im Bett und wagte es kaum zu atmen. Dann bewegten sich die Schritte fort und verhallten schließlich. Ich zog mir rasch etwas über und ging zur Tür.
Das fahle Mondlicht, das durch das Bullauge hereinfiel, beleuchtete ein Stück Papier, das auf dem Fußboden lag. Jemand hatte es offenbar unter der Tür hindurchgeschoben. Ich nahm das Papier, faltete es auseinander und machte dann Licht.
Mit zitternden Händen las ich die wenigen Zeilen, die mit ungelenker Handschrift geschrieben worden waren: WENN SIE MEHR ÜBER DAS SCHICKSAL IHRES ONKELS ERFAHREN WOLLEN, KOMMEN SIE IN EINER STUNDE IN DIE TEMPELRUINE. KOMMEN SIE UNTER ALLEN UMSTÄNDEN ALLEIN UND SAGEN SIE AUF KEINEN FALL MISTER PORTER ETWAS DAVON!
Ich schloss die Tür auf und blickte in den Flur. Aber da war auf den ersten Blick nur namenlose Dunkelheit. Ich wollte hinauf, an Deck. Zwei Schritte brachte ich hinter mich, da erblickte ich vor mir einen dunklen Schatten, ungefähr einen Kopf größer als ich. Ein fremder Atem blies mich an und in der Welle des ersten Entsetzens wollte ich schreien. Doch kein Laut kam über meinen Mund. Eine große, kräftige Hand presste sich auf meinen Mund.
"Still, Patti!" Ich brauchte ein paar Sekunden, um zu begreifen, dass es Jim war. Er ließ mich los.
"Es war jemand hier, um mir eine Botschaft zu bringen!", erklärte ich.
"Ich habe Geräusche gehört", erklärte Jim.
Und dann hörten wir oben auf Deck etwas.
Jim zögerte nicht und rannte den Gang entlang. Mit wenigen Schritten hetzte er die Treppe hinauf. Und ich folgte ihm.
Ein dumpfes Geräusch drang an mein Ohr und als ich an Deck kam sah ich Jims taumelnde Gestalt. Er sank, offenbar von einem Schlag getroffen zu Boden und blieb reglos liegen., während eine dunkle Gestalt sich die Strickleiter hinabließ und mit einem Boot in die Nacht hinausfuhr. Der Motor des Bootes heulte laut auf und weckte binnen weniger Augenblicke alle, die sich zur Zeit an Bord der AMAZONAS QUEEN befanden.
Doch von der Gestalt, die das Boot lenkte, konnte ich nichts erkennen, so sehr ich mich auch bemühte. Nur Augenblicke später war das Boot verschwunden.
"Alles in Ordnung, Patricia?"
Das war Mike, mit einem Revolver in der Hand. Und auch Professor Porter war an Deck gekommen.
"Mit mir ist alles okay", sagte ich beiläufig und wandte mich Jim zu, der reglos auf den Planken der AMAZONAS QUEEN lag. Mike schaute mir über die Schulter.
"Dein Kollege hat wohl einen ziemlich üblen Schlag gegen den Kopf abbekommen", stellte er fest. "Der ist erst einmal außer Gefecht gesetzt..."
Wir trugen Jim in seine Kabine. Mike bestimmte, dass für den Rest der Nacht Wachen eingeteilt werden sollten und er wollte die erste Wache übernehmen. Auf Jims Unterstützung konnte ich im Moment nicht rechnen, aber ich war dennoch entschlossen, das Rendezvous mit dem geheimnisvollen Besucher nicht zu versäumen. Und das allein schon wegen Tante Elizabeth, die in all den Jahren so viel für mich getan hatte. Wie hätte ich ihr je wieder in die Augen blicken können, wenn ich diese Gelegenheit, etwas über das mysteriöse Schicksal ihres Mannes zu erfahren, nicht ergriffen hätte?
*
Ein Laut, der nicht hier her, in diese monströsen Ruinen gehörte, ließ die Gestalt aufhorchen. Sie stand als dunkler Schemen da und hielt sich in einer Nische verborgen. Von hier aus konnte die Gestalt den gesamten Innenhof jenes uralten Tempels überblicken, den die Indios das HAUS DER
GÖTTER nannten.
Die Gestalt wartete.
Sie war geduldig.
Und in einem Paar kalt und durchdringend dreinblickender Augen spiegelte sich das fahle Mondlicht.
Jede noch so winzige Bewegung würden diese Augen registrieren. Es gab nichts, das ihnen entgehen konnte.
Die Gestalt wirkte reglos, wie erstarrt.
Ein geduldiger Jäger der Nacht...
*
Als ich die Ruine erreichte, wusste ich, dass ich etwas zu spät dran war. Ich konnte nur hoffen, dass mein geheimnisvoller Besucher dieser Nacht auf mich wartete. Aber ich hatte erst abwarten müssen, ehe sich auf der AMAZONAS QUEEN wieder alles beruhigt hatte. Natürlich war es unmöglich gewesen, gleich den Motor des Bootes anzuwerfen, mit dem ich mich flussabwärts treiben ließ. Auch das hatte Zeit gekostet. Und nicht zuletzt war es nicht so einfach gewesen, den Trampelpfad nicht zu verlieren, der zur Ruine führte.
Ich betrat den Innenhof des HAUSES DER GÖTTER und ein kalter Schauder erfasste mich, während mein Blick über die hoch aufragenden Steinquader glitt.
Plötzlich wurde ich durch den hellen Schein einer Taschenlampe geblendet.
"Miss Vanhelsing?"
Ich kannte die Stimme irgendwoher, wusste sie aber nicht sofort einzuordnen. "Was wollen Sie von mir? Warum haben Sie mich hier hergelockt? Was wissen Sie über Frederik Vanhelsing?"
Der Schein der Lampe senkte sich. Eine Gestalt kam auf mich zu und das blanke Entsetzen packte mich, als ich die Umrisse eines riesigen Schlangenkopfes sah. Ich hatte diesen Kopf bereits einmal für wenige Sekunden gesehen, oder glaubte es zumindest...
"Haben Sie keine Angst, Miss Vanhelsing!"
Die Stimme! Der Akzent war schwer und obgleich die Stimme sehr dumpf klang, glaubte ich sie jetzt zu erkennen.
Die Gestalt griff sich mit beiden Händen an den Schlangenkopf. Es war eine Maske.
"Balboa!", entfuhr es mir. "Dann sind Sie für all die Morde verantwortlich?"
Balboa kam näher und grinste schief. "Für die Indios – ja. Übrigens wird sich hierzulande kein Polizist die Mühe machen, die Todesfälle unter den Indios aufzuklären..."
"Vermutlich haben Sie da sogar recht", musste ich zugeben.
Balboa fuhr fort: "Ihr ehrenwerter Professor Porter hat mich dafür bezahlt, unter den Indios Angst und Schrecken zu verbreiten, damit sie die Gegend hier verließen. Wir hatten beide ein Interesse daran. Ich wegen dem Gold und der Professor, weil die Indios auf die Dauer sicher nicht zugelassen hätten, dass jemand ihren Tempel entweiht. Aber was die Assistentin des Professors angeht - damit habe ich nichts zu tun."
"Ach, nein?"
"Ich habe gegen diese Miss McKinley nichts gehabt. Warum hätte ich sie umbringen sollen?"
"Vielleicht auch für Geld."
Aber Balboa schüttelte den Kopf. "Wie gesagt, das mit den Indios wird nicht viel Aufhebens machen. Aber bei jemandem wie Miss McKinley ist das etwas anderes. In so etwas möchte ich nicht verwickelt werden, wenn Sie verstehen, was ich meine. Deswegen auch dieses Treffen!"
Ich verstand es sehr gut. "Und was wollten Sie mir über das Schicksal meines Onkels sagen?"
"Das war ein Vorwand, um Sie herzulocken, Miss Vanhelsing. Ich hoffe, Sie verzeihen mir!"
Die Wahrheit war, dass ich wütend auf ihn war.
Er trat einen Schritt näher. Sein Tonfall war gedämpft, als er weitersprach. "Porter ist der Mörder dieser jungen Frau. Er hat es mir gegenüber sogar zugegeben, als ich mich mit ihm gestern deswegen gestritten hatte. Weswegen er das getan hat, kann ich auch nicht sagen. Ich weiß nur, dass..."
In diesem Moment durchschnitt ein Schuss die nächtliche Stille. Balboa sank getroffen zu Boden und blieb reglos liegen. Und aus der Dunkelheit trat niemand anderes als Professor Allan Porter. Ich erkannte ihn im Mondlicht. In der Hand hielt er einen Revolver.
"Es tut mir leid, Miss Vanhelsing! Aber mit diesem Wissen kann ich Sie unmöglich zurück in Ihre Londoner Redaktion lassen!" Und damit hob er die Waffe und ich blickte dem Tod ins Antlitz...
*
Porter schien zu allem entschlossen. Er musste bemerkt haben, wie ich mitten in der Nacht mit einem Beiboot der AMAZONAS QUEEN aufgebrochen war. Und dann war er mir gefolgt.
Irgendwann hätte er mich ohnehin aus dem Weg räumen müssen - warum also nicht hier, in dieser gottverlassenen Ruine?
Aber ganz so allein, wie der Professor vielleicht gedacht hatte, waren wir nicht. Ich war nämlich nicht so naiv gewesen, mich allein mit einem Unbekannten zu treffen. Mike war mit mir gekommen und hatte sich in der Nähe versteckt gehalten. Aus einem der vielen Eingänge heraus, die das HAUS
DER GÖTTER besaß, hatte er alles beobachtet und wäre im Notfall eingeschritten.
"Keine Bewegung, Mister Porter!", rief er jetzt mit einer Waffe in der Hand. Mike kam langsam aus seinem Versteck und der Professor schien einen Moment lang unschlüssig.
Dann drehte er sich halb herum und feuerte zweimal kurz hintereinander erst auf Mike, dann in meine Richtung. Doch ich hatte mich bereits zu Boden geworfen und hinter einem kleinen Steinblock Deckung gefunden. Ich hörte wie Mike kurz aufschrie. Offenbar war er getroffen worden. Jetzt erst schoss der Kapitän der AMAZONAS QUEEN. Porter feuerte in heller Panik um sich, bis er seine Waffe leergeschossen hatte. Dann rannte er davon.
"Mike!"
Ich rappelte mich auf und lief zu ihm hin. Er kniete halb auf dem Boden. Porters Schuss hatte ihn offenbar an der Schulter verletzt.
"Es ist nicht so schlimm, wie es aussieht!", behauptete er, während sein Blick nach dem Professor suchte...
In diesem Labyrinth würden wir ihn kaum finden können.
Ein unmenschlicher Schrei ließ uns beide zusammenfahren.
Das Mondlicht beleuchtete kurz zwei schattenhafte Gestalten, die miteinander rangen, von der die eine einen sehr großen, langgezogenen Kopf zu besitzen schien. Ein zischendes, nichtmenschliches Geräusch drang an unsere Ohren und ließ uns das Blut in den Adern gefrieren.
Ich half Mike auf und dann näherten wir uns zögernd. Wir sahen noch, dass eine nur schattenhaft zu sehende Gestalt auf einen der unzähligen Eingänge der Ruine zustrebte und dann verschwand. Ich holte die Taschenlampe des toten Balboa. Als wir wenig später den Ort des Geschehens erreicht hatten, fanden wir den Professor tot am Boden liegen.
"Mein Gott", flüsterte Mike. "Wer war das?"
"Ich weiß es nicht", bekannte ich. Und dann leuchtete ich mit der Lampe auf den Hals des Professors. Porter schien erwürgt worden zu sein. Und um seinen Hals herum war der Abdruck einer schuppigen Struktur zu sehen - der Abdruck von Schlangenhaut...
*
Die Gestalt wartete aus ihrem Versteck heraus geduldig ab und beobachtete, wie der Mann und die Frau sich umsahen.
Sie suchten.
Einmal strahlte der Schein einer Lampe bedrohlich in ihre Nähe. Die Gestalt drückte sich so eng sie konnte gegen die glatten Wände dieses düsteren Labyrinths.
Der Schatten und die Dunkelheit waren ihre Verbündeten.
Sie verharrte reglos.
Nur ein einziges Mal schlossen sich kurz die Pupillen.
Die Gestalt wartete so lange, bis der Mann und die Frau schließlich das HAUS DER GÖTTER verlassen hatten. Dann erst wagte sie es wieder, sich zu bewegen. Endlich!, durchzuckte sie ein einziger Gedanke der Erleichterung. Endlich!
*
An den folgenden Tagen durchsuchten wir die Ruine so gut es ging, aber wir konnten keine näheren Hinweise finden, die uns irgendeine Erklärung dafür gegeben hätte, was mit Professor Porter geschehen war. Wir fanden keinerlei Spuren.
Mikes Verletzung war zum Glück nicht so schlimm. Dr. Pinto kam und versorgte sie. Auch Jim ging es bald wieder besser, auch wenn sein Kopf noch brummte, als wir bereits in London waren. Er hatte wohl eine Gehirnerschütterung.
Ich nehme an, dass die Nachricht von Professor Porters Tod sich durch die junge Ärztin in den umliegenden Indio-Dörfern verbreitete. Jedenfalls trafen wir kurz vor unserer Abreise noch einmal mit Harry Blane zusammen, dem Ethnologen. "Die Indios glauben, dass Rama'ymuh jetzt befriedigt ist", erklärte er uns. "Jetzt, nachdem Balboa, dieser Frevler tot ist..."
"Und Porter?", fragte ich.
"Für den gilt dasselbe. In den Augen der Indios jedenfalls."
Ich sah ihn an und fragte dann: "Sagen Sie mir bitte Ihre ehrliche Meinung. Glauben Sie, dass es ein Wesen wie Rama'ymuh wirklich gibt? Das es da draußen in der Ruine haust?"
"Ich weiß es nicht, Miss Vanhelsing."
Ich fragte ihn nicht nur auf Grund dessen, was Mike und ich gesehen hatten. Zunächst hatte ich geglaubt, dass vielleicht der Ethnologe für den Tod des Professors verantwortlich war.
Aber von Dr. Pinto wusste ich, dass er der Ärztin gerade in jener Nacht bei der Geburt eines Kindes geholfen hatte...
Ich fragte Blane noch aus einem anderen Grund.
Ich hatte in Porters Kabine nämlich etwas sehr Seltsames gefunden: Es war eine dicke Kladde mit vergilbtem Papier, bei der es sich offenbar um das Tagebuch meines Großonkels Frederik Vanhelsing handelte. Und daraus ging hervor, dass die Theorien, mit denen Porter später berühmt geworden war, eigentlich von Onkel Frederik stammten. Er schrieb immer wieder darüber, Hinweise auf eine vormenschliche Zivilisation von Schlangenwesen gefunden zu haben, weigerte sich aber, diese Erkenntnisse kommerziell auszuschlachten. Onkel Frederik war es um die Erkenntnis gegangen, nicht um die Sensation. Und das hatte ihn von Porter unterschieden.
'Allan würde mich vermutlich umbringen', schrieb er an einer Stelle, die mich frösteln ließ. Offenbar hatte es während der letzten Expedition meines Großonkels eine Reihe merkwürdiger Unfälle gegeben... Ich traute Porter alles zu, auch einen Mord. Allerdings waren die letzten zwanzig Seiten des Tagebuchs herausgerissen. Was ihm wirklich zugestoßen war, würde also weiter im Dunkeln bleiben.
Genau wie die Antwort auf die Frage, ob vielleicht doch ein Vertreter jener vormenschlichen Zivilisation bis in unsere Tage überlebt hatte und sich nun von den Indios als Totengott verehren ließ... Ich dachte an die Dinge, die ich gesehen hatte - und nicht nur ich! Und ich fragte mich, ob ich wirklich für unmöglich halten sollte, was ein kühl denkender Wissenschaftler wie Onkel Frederik als plausibel erachtete.
*
Als wir das Gefühl hatten, nichts mehr zur Aufklärung der ganzen Angelegenheit beitragen zu können, ließ Mike den Anker lichten.
Die AMAZONAS QUEEN fuhr flussabwärts, Richtung Manaus.
Ich fragte mich, in wie weit Deborah Porter wohl in die Machenschaften ihres Mannes verwickelt war. Aber die Witwe des Professors schwieg eisern dazu. Irgendwann würde diese Frage wohl ein Gericht klären müssen.
Mike schien es nicht eilig zu haben, den großen Flusshafen Manaus möglichst schnell zu erreichen. Und mir ging es ähnlich. Die Tage unseres gemeinsamen Glücks gingen ohnehin viel zu schnell dahin und schienen wie im Fluge zu vergehen. Eng umschlungen standen wir oft oben auf der Brücke der AMAZONAS QUEEN.
"Ist doch seltsam, dass zwei Menschen sich finden können, die aus ganz verschiedenen Welten kommen", sagte Mike einmal. "Du aus dem Großraum-Büro einer Londoner Boulevard-Zeitung und ich von der Brücke eines Flussschiffs auf dem Amazonas."
Ich strich ihm sanft über den breiten, muskulösen Rücken und nickte seufzend. "Ja, das ist wahr."
"Hast du schon eine Ahnung, wie du deine Story aufbauen wirst?"
Ich schüttelte den Kopf. "Nein, ich weiß noch nicht einmal, was ich überhaupt hineinschreiben soll..." Und eigentlich hatte ich auch gar keine Lust, daran im Moment auch nur einen einzigen Gedanken zu verschwenden.
Mike lachte.
"Es war mit Sicherheit meine seltsamste Reise auf diesem Strom, Patricia! Und so etwas wie in den letzten Tagen möchte ich eigentlich nicht noch einmal erleben müssen. Aber dass ich dich getroffen habe, empfinde ich als Glücksfall..."
Unsere Lippen trafen sich zu einem erst zärtlichen, dann sehr leidenschaftlichen Kuss. Ich schlang meine Arme um seinen Nacken und fühlte seinen festen Griff um meine Taille.
"Ich liebe dich, Mike!", flüsterte ich ihm ins Ohr.
"Und ich liebe dich, Patricia!"
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ENDE
Das Spukhaus
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Ein Patricia Vanhelsing Roman
von Alfred Bekker
Mein Name ist Patricia Vanhelsing und – ja, ich bin tatsächlich mit dem berühmten Vampirjäger gleichen Namens verwandt. Weshalb unser Zweig der Familie seine Schreibweise von „van Helsing“ in „Vanhelsing“ änderte, kann ich Ihnen allerdings auch nicht genau sagen. Es existieren da innerhalb meiner Verwandtschaft die unterschiedlichsten Theorien. Um ehrlich zu sein, besonders einleuchtend erscheint mir keine davon. Aber muss es nicht auch Geheimnisse geben, die sich letztlich nicht erklären lassen? Eins können Sie mir jedenfalls glauben: Das Übernatürliche spielte bei uns schon immer eine besondere Rolle.
In meinem Fall war es Fluch und Gabe zugleich.