Читать книгу Tempelritter und Nachtgeschöpfe: 20 Mystery Thriller um Liebe und Geheimnis: Krimi Koffer - Alfred Bekker - Страница 52
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"Nein!"
Ich fühlte den Griff kräftiger Hände um die Schultern, die mich festhielten und schüttelten.
Dann drang erneut ein furchtbarer Schrei an meine Ohren und ich brauchte einige Sekunden, um zu registrieren, dass ich selbst es war, die da schrie.
Ich öffnete die Augen und versuchte mich dem Griff dieser unsichtbaren Hände zu entwinden.
Vergeblich.
Dann sah ich, wie sich vor mir, aus dem Halbdunkel eine Gestalt herausschälte. Es war eine Frau in einem weißen Nachthemd. Ich schluckte, rang nach Atem und wurde dann langsam etwas ruhiger.
"Patricia", sagte die Gestalt. "Patricia!"
Der Klang dieser Stimme war mir vertraut und beruhigte mich tatsächlich ein wenig.
Jemand schüttelte mich.
Es war niemand anderes, als meine Großtante Elizabeth Vanhelsing, die mich wie ihre Tochter aufgezogen hatte und in deren Haus ich nach wie vor wohnte. Meine liebe Tante Elizabeth... Ich war zu Hause und in Sicherheit.
"Du hast geträumt, mein Kind. Du hast nur geträumt", hörte ich sie sagen und langsam begriff ich, dass sie recht hatte.
Ich saß aufrecht in meinem Bett, während von draußen das Mondlicht hereinfiel und alles in ein fahles, gespenstisches Licht tauchte.
Die angsteinflößenden Traumbilder standen mir noch immer lebhaft vor Augen. Ein leichtes Zittern durchfuhr meinen ganzen Körper.
"Es ist vorbei", hörte ich Tante Elizabeth mit beschwörender Stimme sagen. "Hörst du mich, Patti! Es ist vorbei!"
"Ich weiß", flüsterte ich.
Tante Elizabeth musterte mich. In ihren Augen spiegelte sich der Mond.
"Es war einer jener Träume, nicht wahr, Patricia?"
Es war keine wirkliche Frage, was da über Tante Elizabeths Lippen kam, sondern bereits eine halbe Feststellung. Seit ich als Kind den Brand eines Hauses im Traum vorausgesehen hatte, war sie davon überzeugt, dass ich eine leichte seherische Begabung besäße. Und tatsächlich bin ich inzwischen geneigt, nicht mehr ganz auszuschließen, dass sie recht hat.
"Ich weiß nicht", sagte ich."Vielleicht war es einfach nur ein Alptraum."
"Dann hätte er dich kaum derart mitgenommen."
Ich atmete tief durch und erhob mich. Zunächst ging ich dann zum Fenster, blickte kurz in den Garten von Tante Elizabeths Villa und wandte mich dann ein paar Schritte seitwärts, um den Lichtschalter zu betätigen.
Ich kniff die Augen zusammen, als das Licht anging mir grell in die Augen schien. Es schmerzte ein wenig, aber es gut so, denn nun hatte ich das Gefühl, endgültig der furchtbaren Schattenwelt meines Alptraums entronnen zu sein.
"Habe ich sehr laut geschrien?", fragte ich.
Tante Elizabeth nickte.
"Ja."
"Tut mir leid, aber es war alles so..." Ich zögerte und suchte nach dem richtigen Wort. "...so real!", vollendete ich schließlich. "Ich hatte das Gefühl, dass es wirklich geschah!"
Tante Elizabeth hatte sich jetzt ebenfalls erhoben. Sie sah mich mit ihrem freundlichen, milde lächelnden Gesicht an und fragte: "Willst du mir erzählen, was in deinem Traum geschehen ist?"
"Du denkst, dass es eine Bedeutung hat, nicht wahr?"
"Ja, Patti."
"Es war wenig konkret. Wir waren in einem sehr dunklen, unendlich langen Tunnel..."
"Wer noch, außer dir?"
"Jim und eine Frau, die ich nicht kannte. Aber es ist seltsam."
Tante Elizabeths Augenbrauen gingen hoch und sie sah mich fragend an. "Was war seltsam?", wollte sie wissen. Anscheinend wollte sie um jeden Preis verhindern, dass eine Einzelheit dieses Traums verloren ging und in Vergessenheit geriet, bevor ich sie ihr erzählt hatte.
Ich atmete tief durch. "Sie kam mir irgendwie bekannt vor und doch wusste ich nicht, wer sie war. Es war eine junge Frau, aber sie sah nicht sehr gut aus. Sie wirkte unendlich müde und krank und hatte rotgeränderte Augen. Und sie schien große Angst zu haben..."
"Was passierte?"
"Das Licht ging aus. Und dann hast du mich geweckt."
"Hm", machte Tante Elizabeth. Ich ließ mich derweil in einen Sessel fallen. Langsam wurde ich wieder ich selbst. Die Gegenstände meines Zimmers, Tante Elizabeth... Alles war vertraut. Und ich dachte daran, dass ich am nächsten Morgen pünktlich in der Redaktion der London Express News sein musste, wo ich mir als junge Reporterin die ersten Meriten verdient hatte, so dass mein Chefredakteur mir inzwischen auch schon das eine oder andere zutraute.
Ich gähnte.
Irgendwie hatte ich das Gefühl, bislang noch überhaupt nicht geschlafen zu haben. Und wenn ich daran dachte, bereits in zwei Stunden wieder aufstehen zu müssen, lief es mir heiß und kalt den Rücken hinunter. Noch furchtbarer war allerdings die Vorstellung, von Michael T. Swann, meinem etwas grantigen, aber ansonsten eher väterlich-fürsorglichen Chefredakteur eine Standpauke zu bekommen, wenn ich zu spät kommen würde...
"Ich sollte mich jetzt wieder hinlegen", meinte ich schließlich.
Tante Elizabeth wirkte äußerst nachdenklich. Ihr Gesicht war sehr ernst.
"Patti...", begann sie und wenn sie das in diesem Tonfall sagte, dann wusste ich, dass sie mir etwas unangenehmes sagen wollte, aber nicht so recht wusste, wie sie das anfangen sollte.
"Mach dir keine Gedanken, Tante Elizabeth. Es war nur ein Traum. Ganz bestimmt."
Tante Elizabeth wirkte in sich gekehrt. "Ein dunkler Tunnel, das Licht geht aus... Und ein bleiches Frauengesicht mit rotgeränderten Augen..."
Sie sah mich an und in ihren Zügen stand echte Besorgnis.
Auf einmal steckte mir ein dicker Kloß im Hals. Tante Elizabeth brauchte mir nicht zu sagen, was sie dachte, ich wusste es auch so. Die Symbolik des Traums lag auf der Hand. Es war gut möglich, dass es sich um eine Todesahnung handelte...