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Genau das machten wir an diesem Abend. Anstatt den Feierabend zu genießen, fuhren wir noch einmal nach Stade, unterwegs nahmen wir uns einen Hot Dog mit, damit uns nicht der Magen so sehr knurrte. Zuvor hatte Max Vandersteen für uns ermittelt, ob es irgendwelche Besonderheiten gab, was die Besitzverhältnisse des Blue Lagoon anging. Und die gab es tatsächlich.

Der Betreiber hieß Ricky Johnke. Johnke betrieb noch zwei andere Clubs, beide in Hamburg Mitte. Aber den Ermittlungen unseres Präsidium nach, war Johnke nur ein Strohmann, der für jemand anderen die Geldwäsche besorgte. Mit hoher Wahrscheinlichkeit war das Reinhardt gewesen. Die Millionen, die er im illegalen Kunsthandel erwarb, mussten irgendwo gewaschen werden. Aus Schwarzgeld wurde mit Hilfe von weniger profitablen Lokalen ein blütenweißes, völlig legales Vermögen, das in ganz normale Wirtschaftsunternehmen oder Immobilien investiert werden konnte.

»Ich habe doch gleich gesagt, dass das kein Zufall war!«, meinte ich während der Fahrt.

»Ja, dein untrüglicher Instinkt, ich weiß«, spottete Roy. »Jedenfalls könnte dieser Johnke vielleicht ein Motiv haben, Reinhardt umzubringen. Überleg doch mal! Angenommen, es gab irgendwelchen Ärger. Vielleicht wartete dieser Johnke nur auf eine Gelegenheit, Reinhardt aus dem Geschäft zu drängen...«

»Das ist alles reichlich hypothetisch, Roy.«

»Du siehst ja sogar schon einen Zusammenhang zu Sabrina Kädinger!«

»Die hat gesagt, dass sie Reinhardt nicht kennt – und es könnte sein, dass sie uns angelogen hat!«

»Uwe, da machst du dir jetzt aber entschieden zu weitgehende Hoffnungen.«

»So?«

Wir erreichten die Autobahn Richtung Stade. Ich hatte freie Bahn, hätte mich aber in jedem Fall davor gehütet, die Geschwindigkeitsbegrenzungen zu überschreiten. Schließlich wusste ich besser als die meisten anderen Verkehrsteilnehmer, die im Moment unterwegs waren, wo die Kollegen ihre Blitzgeräte aufgestellt hatte. Und auch als Ermittler genoss ich ja leider keine Immunität, was Verkehrsdelikte anging. Allenfalls wenn eine entsprechende Notlage vorlag.

»Es ist schon seltsam«, meinte ich. »Wir haben noch nicht einmal Reinhardts Leiche und zerbrechen uns schon den Kopf über das Motiv, das zu seiner Ermordung geführt haben könnte!«

»Es sind schon Mörder verurteilt worden, ohne dass es eine Leiche gab, Uwe!«

»Ich weiß. Aber irgendwie hat man dabei immer das Gefühl, dass es so eigentlich nicht sein sollte!«

Der Blue Lagoon Club war in einem mehrstöckigen Gebäude in Stade zu finden. Zu Glück gab es eine Tiefgarage. Wir stellten den Dienst-Porsche dort ab und fuhren mit dem Aufzug ins Erdgeschoss. Zwei Türsteher erwarteten uns am Eingang zum eigentlichen Club Bereich. Wir zeigten unsere Ausweise.

»Ich denke, das gilt hier als Eintrittskarte«, sagte ich.

Die beiden Kerle wechselten einen kurzen Blick miteinander.

»Falls Herr Johnke zufällig da sein sollte, würden wir ihn gerne sprechen«, ergänzte Roy.

»Gehen Sie rein und amüsieren Sie sich«, sagte einer der beiden Männer.

Er fiel mir auf, weil er eine Narbe am Kinn hatte.

Außerdem trug er ein Headset und ich war mir sicher, dass er seinen Boss über unser Auftauchen sofort informieren würde.

Wir gingen an die Bar.

Ich sah Sabrina Kädinger ziemlich knapp kostümiert daher gehen. Sie hatte uns zunächst nicht bemerkt und wohl auch kaum mit uns gerechnet.

Jetzt stutzte sie.

Aber sie hatte mich bereits ein paar Sekunden zu lange angestarrt, um noch so tun zu können, als hätte sie mich nicht bemerkt.

Ich ging auf sie zu.

Roy blieb an der Bar.

»Guten Abend. Was für eine Überraschung!«

»Wohl kaum. Haben Sie vergessen, dass ich hier arbeite?«

»Nein, ich sprach eigentlich von Ihrer Überraschung, Frau Kädinger. Sie können übrigens Uwe zu mir sagen, wenn Sie möchten.«

»Ich habe nicht viel Zeit«, sagte sie.

»Ein paar Fragen haben sich neu gestellt. Zum Beispiel haben Sie mir bei unserer letzten Begegnung noch gesagt, dass Sie Daniel Reinhardt nicht kennen und nie gesehen haben.«

Sie verschränkte abweisend die Arme vor der Brust. »Warum sollte das nicht der Fall sein?«

»Weil wir wissen, dass Reinhardt kurz vor seinem Tod noch hier war. Und außerdem haben wir Grund zu der Annahme, dass er in Wahrheit sogar der Kapitalgeber für Herrn Johnke ist.«

»Hören Sie, Herr Jörgensen, das interessiert mich alles nicht. Kaum einer der Gäste schaut mir ins Gesicht. Umgekehrt tue ich das auch aber auch nicht. Das hier ist mein Job und damit fertig! Wer hier ein- und ausgeht, bekomme ich kaum mit und wenn wir jemand von den Gästen irgendwo auf der Straße oder im Supermarkt begegnet, würde ich ihn nicht wieder erkennen. Das will ich auch gar nicht! Sind Sie zufrieden?«

Ich lächelte. »Sie scheinen uns als Ihren Feind zu betrachten, aber das ist nicht der Fall. Ihre Katze hat durch Zufall eine Leiche entdeckt, deren Hinscheiden mit Sicherheit noch nicht bekannt werden durfte. Und gleichzeitig stellt sich heraus, dass sie viel enger mit dem Opfer zu tun hatten, als es auf den ersten Blick schien! Sie müssen schon verstehen, dass sich da bei mir im Hirn ein Mechanismus in Gang setzt.«

»Was für ein Mechanismus soll das denn sein? Einer, der bei Leuten, die irgendwann vor langer Zeit mal etwas mit Drogen zu tun gehabt haben, immer wieder unter Generalverdacht zu stellen? Ist es das, wovon Sie sprechen?«

»Nein, eigentlich nicht«, erwiderte ich kühl. Sie musterte mich auf eine Weise, mit der sie mich ganz offensichtlich zu manipulieren versuchte.

Sie lächelte verhalten und mit einer Freundlichkeit, die aufgesetzt und verkrampft wirkte.

»Ist sonst noch irgendetwas, Herr Jörgensen?«

»Uwe.«

»Herr Jörgensen.«

Sie blieb als ganz betont beim Nachnamen. Das war ein deutliches Signal - zumal in dieser Umgebung.

Wenig später erschien Johnke bei mir.

Sabrina Kädinger nutzte die Gelegenheit und verschwand. Sie rauschte davon und warf mir dabei einen entschuldigenden Blick zu – und ein geschäftsmäßiges Lächeln. Roy gesellte sich unterdessen zu uns.

»Kann ich Ihnen einen Drink anbieten?«, fragte Johnke.

»Wir sind im Dienst«, widersprach ich.

»Sie bedauernswerten Geschöpfe. Anscheinend werden Sie von Ihrem Vorgesetzten rund um die Uhr auf die Jagd nach Kriminellen geschickt. Und dann auch noch an die ganz falschen Orte.«

Ich zeigte ihm meinen Ausweis. »Ich bin Kommissar Uwe Jörgensen, Kriminalpolizei. Dies ist mein Kollege Kommissar Müller. Wir ermitteln im Mordfall Daniel Reinhardt.«

»Ich habe davon gehört, dass deswegen ermittelt wird.« Johnke seufzte schwer. »Schrecklich.«

»Für Sie wahrscheinlich auch geschäftlich«, gab ich zurück. »Schließlich soll Reinhardt doch die finanzielle Kraft hinter den drei Clubs sein, die Sie betreiben!«

»Ah, Sie wollen mir ans Bein pinkeln«, erwiderte Johnke, der die Sache ziemlich leicht nahm. Wenn sich jemand wie er sich so sicher fühlte, dann konnte das eigentlich nur bedeuten, dass er sich juristisch gut abgesichert hatte und für die Justiz wahrscheinlich nichts zu holen war. Er lächelte breit. »Gut, dass Sie mir das gleich zu Anfang sagen, dann weiß ich, wie ich bei Ihnen dran bin, Kommissar Jörgensen.«

»Es geht uns ehrlich gesagt im Augenblick nicht um Sie, sondern darum, herauszufinden, wer Daniel Reinhardt ermordet hat!«, erwiderte sich sachlich.

Er führte uns zur Bar und ließ sich vom Barkeeper einen Drink mixen. »Und Sie wollen wirklich nichts?«

Ich zeigte ihm eines der Katzenfotos. »Wann war Herr Reinhardt das letzte Mal hier in diesem Club?«

»Wer sagt Ihnen, dass er überhaupt hier war?«

»Frank Schachmann. Es geht uns eigentlich nur darum, seine Angaben zu bestätigen oder zu widerlegen.«

»Hat Schachmann etwas mit der Sache zu tun?« Er zuckte mit den Schultern. »Würde mich nicht wundern...«

»Ist das eine Angewohnheit von Ihnen?«

»Was?«

»Auf Fragen immer mit Gegenfragen zu antworten.«

»Machen Sie das nicht auch so?«

»Bei mir gehört es zum Job.«

»Ah, ja...«

Er sah mich einen Augenblick lang etwas unschlüssig an. Seine dunklen Augen wirkten unruhig. Er warf einen Blick zur Seite.

Dort stand Sabrina Kädinger, die uns beobachtete. Von Schachmanns Tod schien Ricky Johnke noch nichts gehört zu haben. »Er war am Dienstag hier.«

»Kennt er Sabrina Kädinger?«, hakte ich nach.

»Er kennt sie schon. Jeder kennt sie, der den Club besucht. Sie sieht doch einfach von allen Girls hier am besten aus, das müssen Sie zugeben. Aber ob sie ihn kennt, diese Frage kann nur sie selbst Ihnen beantworten.«

»Das hat sie schon.«

»Na, dann müssten Sie doch zufrieden sein.« Er setzte sein Glas an die Lippen und kippte den Drink hinunter, als würde es sich um Mineralwasser oder Milch handeln. Dann stellte er das Glas zurück auf die Bar. Johnke schickte sich an zu gehen. »Ich habe leider noch eine Menge zu tun. So ein Laden wie dieser hier führt sich nicht von selbst, wenn Sie verstehen, was ich meine. Und wenn man drei davon betreibt, zwischen denen dann auch noch ein paar sehr stark befahrene Autobahnkilometer liegen, dann gilt das eben dreifach...«

»Es wäre nett, wenn Sie uns noch Ihre Bemerkung über Herr Schachmann erläutern«, mischte sich Roy ein.

»Besser nicht. Dieser Kerl zerlegt einem den halben Laden in einer Nacht, wenn er übel drauf ist.«

»Hat er das hier getan?«, fragte ich.

Er schüttelte den Kopf. »In einem meiner anderen Clubs.«

»Welchem?«

»Heißt auch Blue Lagoon, liegt aber in Hamburg Mitte.«

»Herr Schachmann ist deswegen nie angezeigt worden!«

Johnke lachte laut auf. »Meinen Sie, ich will, wegen so etwas großes Aufhebens machen? Wir haben uns privat geeinigt. Aber ich bin ehrlich gesagt nicht erpicht darauf, noch mal Ärger mit ihm zu haben, deswegen stellen Sie mir besser keine weiteren Fragen über ihn. Ende gut alles gut, so sehe ich das.«

»Interessant, dass Sie das so sagen«, meinte Roy.

Er runzelte die Stirn. »Wieso?«

»Weil Schachmann sein Ende heute gefunden hast. Man hat ihn erschossen, und wir denken, dass das irgendwie mit der Reinhardt Sache zusammenhängt.«

»Und da Sie ja nun von Schachmann nichts mehr zu befürchten haben, wäre es vielleicht an der Zeit auszupacken, Herr Johnke.«

Ricky Johnke schluckte. Er sah zuerst mich, dann Roy prüfend an und man konnte das Misstrauen in seinen Zügen so deutlich sehen, als hätte ihm jemand dieses Wort auf die Stirn geschrieben. »Schachmann war ein übler Finger. Ich habe nie verstanden, wieso sich Herr Reinhardt mit so jemandem abgegeben hat.«

»Hatten die beiden Streit?«

»Mehr als einmal!«

»Worum ging es da?«

»Keine Ahnung. Geschäftliche Dinge.«

»Dann kam Schachmann auch öfter hier her – ins Blue Lagoon Stade?«

Er zögerte mit der Antwort. »Worauf wollen Sie eigentlich hinaus?«

Ich kam nicht mehr dazu, meine nächste Frage zu stellen, denn in diesem Moment klingelte Johnkes Handy. Sein Gesicht wirkte plötzlich ziemlich angestrengt. Er nahm das Gerät ans Ohr und sagte zweimal kurz und knapp »Ja!« und schloss dann mit einem »Okay, ich bin schon unterwegs!« ab.

»Sie entschuldigen mich. Ich muss mich zwischendurch mal um mein Geschäft kümmern. Wenn Sie noch ‚ne Weile hier bleiben, können wir uns nachher gerne weiter unterhalten.«

»Gerne, Herr Johnke«, antwortete ich.

»Sie entschuldigen mich...«

Er ging davon. Ich sah ihn eine Freitreppe hinaufgehen, die zu einer Balustrade hinaufführte. Er drehte sich noch mal zu uns um, als er beinahe oben angekommen war.

»Was hältst du von ihm?«, fragte Roy.

Ich zuckte mit den Schultern. »Ein Mann, der versucht, seine geschäftlichen Interessen nicht zu gefährden und jetzt wohl abwarten muss, wer Reinhardts Organisation übernimmt und die Clubs von Ricky Johnke künftig für die Geldwäsche benutzt – denn nach allem was wir wissen, ist keiner der Blue Lagoon-Etablissements ansonsten profitabel.«

»Scheint allerdings auch so, als müssten wir unser Bild von Frank Schachmann revidieren«, glaubte Roy. »Könnte es nicht sein, dass einer wie er die Geschäfte seines Bosses endlich selbst übernehmen wollte?«

»Aber die Nummer zwei in der Organisation war Mehmet Daryas«, stellte ich fest.

»Richtig! Und da war es doch sehr praktisch, dass wir ihm den unwissentlich aus dem Verkehr gezogen haben!«

»Und wie passt die Sache mit Jamal ‚White Jacket Kalif’ Rahmani da hinein?«

»Vielleicht wollte Schachmann mit ‚White Jacket Kalif’ in Zukunft gar nicht mehr zusammenarbeiten.«

»Das bedeutet, er müsste für zukünftige Deals ein besseres Angebot gehabt haben! Ein so gutes, dass es rechtfertigt, diesen Mega-Deal in den Sand zu setzen!«

Der ganze Reinhardt-Fall blieb undurchsichtig. Und das eigentliche Problem war, dass wir nach Schachmanns Tod niemanden in der Szene drin hatten, der uns über irgendwelche Entwicklungen frühzeitig informieren konnte. Sich anbahnende Machtkämpfe, Verschiebungen in der Hierarchie der Organisation - das alles bekamen wir jetzt erst mit, wenn irgendwo ein Toter gefunden wurde und man sich zusammenreimen musste, wem er vermutlich im Weg gestanden hatte. So fragwürdig Schachmann auch gewesen sein mochte – seine Mitarbeit war für uns von unschätzbarem Wert gewesen und wir hatten derzeit nicht die Möglichkeit, ihn gleichwertig zu ersetzen.

Mit anderen Worten: Wir bewegten uns wie Blinde in der Szene und sahen mögliche Gefahren nicht rechtzeitig kommen.

Phantom-Mörder - 12 Strand Krimis

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