Читать книгу Ich geh dann mal meinen eigenen Weg - Andreas Gauger - Страница 31
Angepasster Kind-Ich-Zustand
ОглавлениеHier wirst du deinen Eltern die Grenzüberschreitung mit einiger Sicherheit durchgehen lassen. Vielleicht wirst du dabei die Mundwinkel verziehen, seufzen oder sonst irgendwelche, hauptsächlich nonverbale Botschaften senden. Wahrscheinlich ignorieren deine Eltern deine missmutigen Signale oder sie nehmen sie gar nicht erst wahr. Oder sie erkennen zwar die Ambivalenz zwischen deinen Worten und deinem Verhalten, schreiben sie jedoch einer anderen Ursache zu.
In einem mir bekannten Fall wurden der Tochter aufgrund ständig hängender Mundwinkel, wenn die Eltern mal wieder zu einem Spontanbesuch vorbeikamen und von der Tochter mit vorgespielter Freundlichkeit hereingebeten wurden, Eheprobleme unterstellt. »Sie wirkt immer so unglücklich, da stimmt doch was nicht.« Auf die Idee, dass sich diese missmutige Reaktion auf ihre Spontanbesuche bezog und die Tochter sich einfach nicht traute, sie direkt damit zu konfrontieren, kamen die Eltern nicht.
Vielleicht versuchst du es mit Vorwänden, die eine direkte Konfrontation verhindern und dir dennoch Gelegenheit geben, die Situation möglichst schnell zu beenden. Dann erfindest du Ausreden. »Mir geht es heute nicht so gut, diese doofe Migräne, ihr wisst ja.« Oder: »Kommt gerne kurz rein, aber ich muss gleich noch los, ich habe einen Werkstatttermin mit dem Auto, den ich nicht verschieben kann.« Derartiges Verhalten ist im angepassten Kind-Ich-Zustand sehr beliebt.
Auf diese Weise findet keine Entwicklung statt, das Spiel kann ewig so weitergehen. Wahrscheinlich ist auch, dass so auf Dauer neue Vorwürfe von den Eltern hinzukommen, etwa: »Nie hast du Zeit für uns, immer ist irgendetwas anderes wichtiger.« Oder, wie im Beispiel oben, eine vollkommene Fehleinschätzung der Situation.
Das Problem ist, dass solche Manöver zwar kurzfristig helfen, deinen Bedürfnissen Geltung zu verschaffen, doch auf lange Sicht kommen keine neuen Impulse hinzu, die eine Auseinandersetzung mit dem Thema, auch seitens deiner Eltern, nötig und möglich machen würden.