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DIE AMBIVALENZ VON ELTERN
ОглавлениеEltern werden normalerweise von zwei Grundtendenzen in Bezug auf ihre Kinder bewegt: dem Wunsch, dass ihre Kinder selbstständig werden und lernen, im Leben zurechtzukommen, ohne die Eltern zu brauchen. Darin liegt ja auch eine der Hauptaufgaben der Eltern im biologischen Sinne: die eigenen Kinder auf das Leben vorzubereiten, um sie guten Gewissens in die Welt zu entlassen und sicher zu sein, dass diese auch dann die Dinge auf die Reihe bringen, wenn die Eltern einmal nicht mehr sind.
Vielen Eltern fällt es schwer, ihre erwachsenen Kinder nicht mehr wie die abhängigen Kinder zu behandeln, die sie einst waren. Die Rollen haben sich fest eingeschliffen und sind so vertraut, dass sie schwer zu überwinden sind. Die Eltern brauchen es, gebraucht zu werden.
Daneben existiert in allen Eltern normalerweise ebenso der Wunsch, dass ihre Kinder möglichst ein Leben lang auf sie bezogen bleiben. Obwohl es dabei eigentlich darum geht, dass die Beziehung zu den Kindern lebenslang aufrechterhalten bleiben soll, ist es für viele Eltern schwer vorstellbar, dass sich die Qualität der Beziehung zu ihren Kindern mit den Jahren ändern kann und muss.
Schließlich kann es Eltern ein Gefühl der Sicherheit geben, wenn ihre Kinder auch als Erwachsene weiterhin in der einen oder anderen Form von ihnen abhängig bleiben. Je größer die Angst, die Kinder zu verlieren und von ihnen nicht mehr gebraucht zu werden, desto stärker können die Tendenzen sein, das eigene Kind in einer nicht altersgerechten Abhängigkeit zu halten.
Auf Seiten der Kinder gibt es umgekehrt ähnliche Tendenzen, denn die Eltern sind die erste und im eigenen Leben am tiefsten verwurzelte Quelle für Zuneigung, Nestwärme und Sicherheit, die Kinder kennen. Sie war schon immer da, auch wenn sie nicht unbedingt gut funktioniert hat. Was vertraut ist, gibt Sicherheit. Zumindest subjektiv.