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»FALLE MIR NICHT ZUR LAST!« – WENN KINDER ZU FRÜH SELBSTSTÄNDIG WERDEN MÜSSEN

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Wenn Eltern ihrem Kind die Botschaft vermitteln, dass es eine Belastung ist oder, im Extremfall, dass es besser gewesen wäre, es wäre gar nicht erst geboren worden, lernt das Kind früh, selbstständig zu werden. Es weiß genau, was es tun muss, um möglichst angenehm für die Eltern zu sein und nicht deren Unmut zu erregen. Ähnliches gilt, wenn Kinder spüren, dass ihre Eltern sehr mit ihren eigenen Themen belastet sind, und sie ihnen nicht zusätzlich zur Last fallen wollen.

Gleichwohl bleibt auch in den Kindern der Wunsch danach erhalten, Anerkennung durch die Eltern zu bekommen, was jedoch bei solchen Eltern fast unmöglich ist. Die Kinder versuchen sich dann meist genau so zu verhalten, wie es von den Eltern gebraucht wird, stellen ihre Bedürfnisse zurück, verzichten auf ein Leben nach ihren eigenen Maßstäben und hoffen, so ein wenig Zustimmung seitens ihrer Eltern zu bekommen.

Sitzen die Kinder solcher Eltern später als Erwachsene in einer psychotherapeutischen Praxis, dann haben sie oft große Schwierigkeiten zu formulieren, was ihnen im Leben wichtig ist, was ihnen Spaß macht und welche Wünsche sie für sich haben. Früh haben sie gelernt, dass andere glücklich zu machen wichtiger ist, als den eigenen Bedürfnissen und Strebungen nachzugehen.

Diese Menschen müssen dann erst mühsam wieder spüren lernen, wie sie selbst über eine Sache denken und was sie empfinden. Sich für die eigenen Belange zu interessieren und einzusetzen, geht dabei häufig mit massiven Schuldgefühlen einher. Selbst dann, wenn gar kein Gegenüber davon betroffen ist oder erfahren wird. Außerdem fehlt ihnen die Übung, ihre eigenen Wünsche und Bedürfnisse wahrzunehmen.

Es ist »ein Leben für den anderen«, jedoch nicht aus freien Stücken oder höheren Motiven, sondern aus einer inneren Gebundenheit heraus, die alles andere als frei ist.

Was Eltern, die die Botschaft »Es wäre besser, wenn es dich gar nicht gäbe« vermitteln, ihren Kindern damit fürs restliche Leben antun, lässt sich kaum in Worte fassen. Diese gleichen auch als Erwachsene in ihrer emotionalen Bezogenheit auf andere eher Erfüllungsgehilfen für die Bedürfnisse der anderen, als dass sie sich trauen würden, sich selbst wichtig genug zu nehmen, um auch eigene Bedürfnisse in der Beziehung mit anderen anzumelden. Auch hier lässt sich häufig beobachten, dass spätere Partner ausgesucht werden, die ein ähnliches Verhalten an den Tag legen können wie in der Kindheit die eigenen Eltern, und die Betroffenen nehmen eine ähnliche Rolle ein – nämlich dem Partner oder der Partnerin zuzuarbeiten.

In ähnlicher, wenn auch manchmal abgeschwächter Form kommt es dazu, wenn Eltern es zwar gut mit ihren Kindern meinten, jedoch zu stark in ihren eigenen Themen gefangen waren, um ihren Kindern als der reife erwachsene Elternteil zur Verfügung zu stehen, den diese gebraucht hätten. Beispielsweise wenn die Eltern durch Krankheit, Alkoholismus, eigene große Verluste, existenzbedrohende finanzielle Probleme, die schwere Krankheit eines Geschwisters oder andere Themen zu sehr mit sich selbst oder einem dringenden Problem beschäftigt waren.

Kinder spüren so etwas und stehen in einer tiefen Loyalitätsbindung mit ihren Eltern, und zwar relativ unabhängig davon, wie sich das momentane Verhältnis an der Oberfläche gestaltet. Ein Kind, das merkt, dass es von seinen Eltern zwar unter der Oberfläche ihres Verhaltens geliebt wird, dass diese aber zu stark in ihre eigenen Probleme verwickelt sind, versucht häufig, die Eltern zu entlasten oder zu »retten«.

Das kann ganz unterschiedlich aussehen. Beispielsweise nehmen sich diese Kinder häufig stark zurück, geben sich in der Schule besonders viel Mühe und halten sich auch sonst aus allem Ärger raus, um ihren Eltern ja keine zusätzlichen Probleme zu bereiten. In vielen Fällen wird dies von den Eltern nicht einmal wahrgenommen, sondern als selbstverständlich bewertet. Oder es gibt – was vielleicht für die Entwicklung des Kindes noch verheerender sein kann – sehr viel Anerkennung auf der Identitätsebene. »Unser kleiner Sonnenschein« impliziert, dass genau diese Eigenschaft am Kind geschätzt wird. Doch was, wenn dem kleinen Sonnenschein mal gar nicht so sonnig zumute ist?

Ich geh dann mal meinen eigenen Weg

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