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»DIE WELT IST ZU GEFÄHRLICH FÜR DICH – BLEIBE LIEBER FÜR IMMER ZU HAUSE BEI MIR!«

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Vielleicht waren oder sind deine Eltern auch an der anderen Seite des Ambivalenzspektrums angesiedelt. Möglicherweise durftest du keinen Schritt allein machen, ohne von den besorgten Argusaugen deiner Eltern beobachtet zu werden. Eventuell hast du mehr »Sei vorsichtig«, »Nein, tue das nicht« und »Du darfst das nicht« gehört als alle deine damaligen Freunde zusammen.

Dann hattest du überbesorgte und überbehütende Eltern. Das Phänomen ist in der Psychologie wohlbekannt (»Overprotection«). Hier wähnen die Eltern ihr Kind in einer Welt voller Gefahren und schränken dessen Freiheit und Entwicklung über die Maßen ein, aus Angst, dem Kind könnte etwas zustoßen.

So etwas kommt häufig vor, wenn die Eltern selbst überbehütende Eltern hatten und dieses Verhalten somit am Modell verinnerlicht haben. Oder wenn die Eltern schwere Verluste verarbeiten mussten. Beispielsweise den frühen Tod eines Elternteils, einer Tante oder eines Onkels oder eines eigenen Kindes. Dann dreht sich ihre Welt um das Thema Verlustangst.

WANN VOR SICHT ÜBERTRIEBEN IST

Um Missverständnissen vorzubeugen: Dass Eltern besorgt sind, ihrem Kind könne etwas zustoßen, und daher angemessene Vorsichtsmaßnahmen treffen oder altersgemäß bestimmte Verbote aussprechen, ist völlig normal und ein Zeichen von Fürsorge und Beschützerinstinkt.

Doch alles hat sein Maß und im Falle von Overprotection ist dieses weit überschritten. Überbehütende Eltern greifen ein, bevor überhaupt etwas passieren kann. Sie verbieten ihren Kindern Dinge, die für gleichaltrige Freunde längst lieb gewonnene Freiheiten darstellen.

Den Kindern wird durch Overprotection sprichwörtlich die Luft zum Atmen genommen. Darüber hinaus lassen die Eltern ihre Kinder nicht selbstständig werden. Sie greifen permanent in deren Leben ein und unterbinden schon kleinste Strebungen in Richtung Unabhängigkeit. Da die Kinder in nahezu jeder Hinsicht abgeschirmt werden, fehlen ihnen auch die typischen altersgemäßen Entwicklungsaufgaben. Sie können sich nicht in ausreichendem Maße mit dem Leben, seinen Erfolgen und Niederlagen, Gewinnen und Verlusten auseinandersetzen. Ihnen wird die für ihre Entwicklung notwendige Reibung mit der Außenwelt genommen. Gleichzeitig vermitteln ihnen ihre Eltern das Bild einer zutiefst gefährlichen Welt da draußen. Nicht wenige Kinder, deren Eltern sich auf diese Weise verhalten haben, entwickeln eine Angst vor dem Leben. Wen wundert’s, wenn ihnen permanent das Gefühl vermittelt wurde, auch kleinste Unachtsamkeiten könnten zu einer Katastrophe führen? Darüber hinaus haben ihre Eltern ihnen nicht gezeigt, dass sie an die Fähigkeiten des eigenen Kindes glauben. Vor allem nicht an dessen Fähigkeit, mit der Welt »da draußen« irgendwie zurechtzukommen.

Die meisten Kinder aus einem übervorsichtigen Elternhaus besitzen kein besonders hohes Selbstvertrauen.

Spannend ist dabei, dass diese Kinder trotz geringem Selbstvertrauen dennoch ein gutes Selbstwertgefühl besitzen können. Schließlich hatten sie ja Eltern, die sich – über jedes gesunde Maß hinaus – um sie gekümmert haben! Sie trauen sich halt nur nichts zu und werden häufig zu unselbstständigen Menschen, deren Aktivitätsradius die Größe einer Briefmarke nicht übersteigt und die häufig andere Menschen brauchen, welche sie an die Hand nehmen und mit ihnen gemeinsam die unvermeidlichen Unannehmlichkeiten des Lebens durchstehen.

Andere versuchen freizukommen von den elterlichen Einschränkungen und überkompensieren, indem sie sich an der Oberfläche betont angstfrei geben und sich teilweise sogar ziemlich leichtsinnig verhalten. Eine Reaktion, die eher aus dem rebellischen Kind-Ich-Anteil (>) kommt als aus einem reifen und vernünftigen Erwachsenen-Ich (>). Doch auch das ist sich selbst und anderen gegenüber meist nur vorgespielt. In Wirklichkeit müssen sie sich und der Welt permanent beweisen, dass sie es »eben doch können«, und sind damit ebenso vollkommen unfrei. Jemand, der die Welt für einen relativ sicheren Ort hält und sich zutraut, darin gut zurechtzukommen, muss es niemandem beweisen. Er ist mit sich und der Welt im Reinen.

Overprotection und die Unterminierung des Selbstvertrauens des eigenen Kindes kann noch andere Facetten haben, die ebenfalls aus dem ängstlichen Kind-Ich-Anteil der Eltern stammen.

Nämlich aus dem Wunsch, die Kinder nicht groß und unabhängig werden zu lassen, damit sie weiterhin von den Eltern abhängig bleiben und sich nicht von ihnen weg entwickeln. Hier gehen viele Eltern den äußeren Weg, indem sie finanzielle Unterstützung gewähren und von der Erfüllung bestimmter Bedingungen abhängige Zuwendung einsetzen, um die Kinder in einer untergeordneten Empfängerposition zu halten. Oft ist den betreffenden Eltern diese verdeckte Absicht nicht einmal selbst bewusst.

Der andere Weg ist der bereits angedeutete, nämlich den Kindern permanent zu vermitteln, die Welt sei ein gefährlicher Ort und sie selbst wären in der einen oder anderen Form weniger in der Lage, mit den Anforderungen des Lebens zurechtzukommen. Diese Botschaft wird dann nicht (nur) durch ein überbehütendes Verhalten vermittelt, sondern auch dadurch, dass die Eltern sich beispielsweise in alle Entscheidungen ihrer Kinder einmischen. Selbst dann, wenn die Kinder längst alt genug sind, um ihre eigenen Entscheidungen zu treffen. Häufig spielen Eltern auch die »lebenserfahrenen« Berater, die den Kindern vom Klamotten-Shoppen über den Auto- bis zum Hauskauf und nicht selten auch bei der Auswahl des geeigneten Lebenspartners ungefragt mit Rat und Tat zur Seite stehen.

Beliebt ist auch die Spielart, die Entscheidungen des eigenen Kindes immer wieder infrage zu stellen (»Bist du dir auch wirklich sicher?«) oder deutlich zu machen, dass es keine weitere Unterstützung geben wird, wenn das Kind darauf drängt, seinen eigenen Weg zu gehen, in der Hoffnung, dass es dann Angst bekommt und freiwillig weiterhin von den Eltern abhängig bleibt: »Setze ruhig deinen Dickkopf durch, aber komme dann hinterher nicht zu uns angekrochen, wenn es wieder einmal schiefgegangen ist.«

Natürlich ist Lebenserfahrung bei Entscheidungen hilfreich und oft liegen diesem Verhalten gute Absichten zugrunde. Bei übermäßig eingreifenden Eltern ist es jedoch auch ein häufig kaum bewusstes Mittel, um die eigenen Kinder klein und abhängig zu halten.

Ich geh dann mal meinen eigenen Weg

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