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3. Maßnahme gleicher Wirkung

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Weiterhin müsste gem. Art. 34 AEUV eine mengenmäßige Einfuhrbeschränkung oder eine Maßnahme gleicher Wirkung vorliegen. Da das Gütezeichen keine direkte Einfuhrbeschränkung darstellt, ist zu fragen, ob es sich um eine Maßnahme gleicher Wirkung handelt. Dies ist nach der sog. „Dassonville-Formel“ der Fall, wenn eine Maßnahme geeignet ist, den Handel innerhalb der Union unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern[15].

Der EuGH bejaht in seiner CMA-Entscheidung, die zu dem Gütezeichen „Markenqualität aus deutschen Landen“ erging, eine zumindest potentielle Handelsbeschränkung, da die Werbebotschaft des Gütezeichens die deutsche Herkunft einer Ware hervorhebe und so den Verbraucher dazu veranlassen könne, diese Ware anstatt einer importierten zu kaufen. An diesem Ergebnis ändere auch nichts der fakultative Charakter des Gütezeichens[16]. Wegen der Bezugnahme des Gütesiegels auf die „deutschen Höfe“ lassen sich diese Aussagen ohne Weiteres auf die hier vorliegende Konstellation übertragen.

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Mit diesem Urteil verschärfte der Gerichtshof seine Rspr. zu mitgliedstaatlicher Werbung. In früheren Entscheidungen hatte er staatliche Werbung nur dann für eine handelsbeschränkende Maßnahme gehalten, wenn mit ihr beabsichtigt war, eingeführte Waren durch inländische Waren zu ersetzen, oder wenn sie ausländische Produkte herabsetzen sollte[17]. Dies ist bei dem in Rede stehenden Gütezeichen („Bestes Fleisch von deutschen Höfen“) nicht der Fall. Vielmehr besteht lediglich die Gefahr, dass einige Verbraucher die Werbebotschaft in diesem Sinne verstehen. Eine solche Gefahr war bisher nicht ausreichend. Begründet wurde dies mit dem Verbraucherbild der Union, das von einem mündigen Verbraucher ausgehe[18].

Gleichwohl ist der CMA-Rechtsprechung zu folgen. Sie führt zu einer konsequenten Anwendung der Dassonville-Formel in Fällen wie dem vorliegenden und trägt daher zur Kohärenz bei der Auslegung der Warenverkehrsfreiheit bei[19]. Die Verschärfung führt auch nicht zu Wertungswidersprüchen mit dem Verbraucherbild der Union, weil dieses bei der Beurteilung, ob eine Maßnahme gleicher Wirkung vorliegt, aufgrund der Weite der Dassonville-Formel gar nicht zum Tragen kommt. Im Ergebnis ist also eine Maßnahme gleicher Wirkung anzunehmen.

Zum gleichen Ergebnis kommt man auch mit dem sog. Drei-Stufen-Test, mit dem der EuGH in der jüngeren Rspr. seit der grundlegenden „Kradanhänger“-Entscheidung von 2009[20] prüft, ob es sich um eine „Maßnahme gleicher Wirkung“ handelt. Allerdings sind bisher sowohl dessen Verhältnis zur Dassonville-Formel und zur Keck-Rspr. als auch die Anforderungen der dritten Stufe nicht abschließend geklärt[21]. Beim Drei-Stufen-Test fragt der EuGH, ob (1) durch die Maßnahme bezweckt oder bewirkt wird, Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten weniger günstig zu behandeln, (2) Hemmnisse für den freien Warenverkehr bestehen, die sich daraus ergeben, dass Waren aus anderen Mitgliedstaaten, die dort rechtmäßig hergestellt und in den Verkehr gebracht worden sind, bestimmten Vorschriften entsprechen müssen, selbst wenn diese Vorschriften unterschiedslos für alle Erzeugnisse gelten, oder (3) durch die Maßnahme der Zugang zum Markt eines Mitgliedstaats für Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten behindert wird. Damit wurde das Kriterium der Behinderung des Marktzugangs explizit zu einem Leitprinzip von Art. 34 AEUV[22]. Mit dem Gütezeichen werden deutsche Waren gezielt hervorgehoben und damit ausländische weniger günstig behandelt. Damit wird auch der Zugang für ausländisches Fleisch behindert (siehe oben).

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