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IV. Einzelmenschen

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Das traditionelle Völkerrecht nimmt den Menschen nur als Glied des Staates wahr. Das Individuum selbst ist kein Völkerrechtssubjekt, d. h. es tritt völkerrechtlich nicht direkt in Erscheinung (Mediatisierung des Individuums; Rn. 49–51, 593). Zwar verpflichtet das völkerrechtliche Fremdenrecht die Staaten, Ausländern, die sich auf ihrem Staatsgebiet aufhalten, bestimmte Rechte zu garantieren; dies jedoch ist im Ausgangspunkt eine Pflicht, die dem Heimatstaat gegenüber besteht (so erklärt sich auch, warum Staatenlose vom fremdenrechtlichen Schutz nicht erfasst werden). Daher sind Ansprüche wegen Verletzung des Fremdenrechts auch nur im zwischenstaatlichen Verhältnis geltend zu machen (diplomatischer Schutz). Auch Handlungen von Individuen (z. B. Übergriffe auf Fremde) müssen entweder einem Staat zugerechnet werden oder dem Staat muss vorgeworfen werden können, dass er Schutzpflichten nicht nachgekommen ist (z. B. einer Schutzpflicht für diplomatische Vertretungen anderer Staaten).

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Diese Mediatisierung des Einzelmenschen besteht im Völkerrecht im Ansatz auch heute fort. Allerdings wird der Einzelne inzwischen in bestimmten Bereichen als Völkerrechtssubjekt angesehen, und zwar als Träger von Rechten ebenso wie als Träger von Pflichten.[7] Um dem Einzelnen eigene völkerrechtliche Rechte zu verleihen, bedarf es nach überwiegender Auffassung eines entsprechenden völkerrechtlichen Vertrages zwischen Staaten (hierbei kommt es auf die Formulierung an: „Jeder hat das Recht“ spricht eher für Rechte des Individuums als „Die Staaten erkennen das Recht an…“). Jedenfalls dort, wo dem Einzelnen die Möglichkeit eröffnet ist, auf völkerrechtlicher Ebene seine Rechte selbst durchzusetzen, ist von völkerrechtlichen Individualrechten auszugehen.[8] Wichtigstes Beispiel ist insoweit die Individualbeschwerde vor dem EGMR unter Berufung auf die Rechte aus der EMRK.

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Als Pflichtenträger war der Einzelmensch schon seit längerem in begrenzten Gebieten des Völkerrechts anerkannt (Piraterieverbot, Kriegsverbrechen). Diese völkerstrafrechtliche Verantwortlichkeit ist seit den Prozessen von Nürnberg und Tokio erweitert und vertieft worden, v. a. durch die Ad-hoc-Kriegsverbrechertribunale der UNO für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) und für Ruanda (ICTR). Vorläufiger Schlusspunkt dieser Entwicklung ist das Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH-Statut). Damit wurde durch einen internationalen Vertrag erstmals ein ständiger Strafgerichtshof zur Verfolgung schwerwiegender Verbrechen (Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen, Verbrechen der Aggression) eingerichtet. Die individuelle strafrechtliche Verantwortlichkeit für Verstöße gegen diese völkerrechtlichen Normen zeigt – ebenso wie die direkte Berechtigung in menschenrechtlichen Verträgen –, dass der Einzelne inzwischen deutlich in das Blickfeld des Völkerrechts gerückt ist.

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