Читать книгу Völkerrecht - Andreas von Arnauld - Страница 62
1. Umfang und Grenzen des Staatsgebiets
Оглавление74
Das Staatsgebiet wird auf dem Festland seitlich durch die Staatsgrenzen eingefasst. Deren Verlauf muss nicht in jedem Punkt unstrittig sein (vgl. die z. T. noch unklare Grenze zwischen dem Sudan und Südsudan). In der Tiefe reicht das Staatsgebiet theoretisch in kegelförmiger Zuspitzung bis zum Erdmittelpunkt. Seewärts gehört das Küstenmeer zum Staatsgebiet. Dieses war früher drei Seemeilen breit (als die von Land aus verteidigungsfähige Zone), heute bis zu zwölf Seemeilen. Während der Küstenstaat in den jenseits dieser 12-Meilen-Zone gelegenen Meereszonen nur bestimmte einzelne Vorrechte genießt, unterliegt das Küstenmeer vollumfänglich seiner Souveränität, eingeschränkt lediglich durch das Recht aller Staaten auf friedliche Durchfahrt. Als natürliche Verlängerung des Territoriums gilt der Festlandsockel; daher hat der Küstenstaat dort „souveräne Rechte“ auf Erforschung und wirtschaftliche Nutzung von Bodenschätzen.[22]
75
Zum Hoheitsgebiet des Staates gehört auch der Luftraum über dem gesamten Staatsgebiet, also auch über dem Küstenmeer. Bestrebungen zur Etablierung einer Luftverkehrsfreiheit (analog der Freiheit der Hohen See) konnten sich nicht durchsetzen. Überflugrechte werden heute in großem Umfang auf Grundlage bilateraler oder multilateraler Abkommen eingeräumt; gemäß Art. 9 des universell ratifizierten Chicagoer Übereinkommens über die Zivilluftfahrt von 1944 behält der Staat das Recht, Teile seines Luftraums (oder im Fall eines Notstands den gesamten Luftraum) in nichtdiskriminierender Weise zu sperren.[23]
Die Lufthoheit des Staates endet am Weltraum, der keinem Staat gehört.[24] Die Grenze liegt zwischen 80 und 120 km über dem Erdboden; die genaue Grenzziehung hat sich an den Möglichkeiten der Luftfahrt einerseits und dem Interesse an der Erhaltung des Weltraums als res communis omnium („gemeinsames Anliegen aller“) zu orientieren.
76
Nicht zum Staatsgebiet des Entsendestaates gehören seine Missionen (Botschaften) und deren Räumlichkeiten; diese sind Teil des Staatsgebiets des Empfangsstaates, dessen Rechtsordnung aber durch die Regeln des Diplomatenrechts überlagert ist.
Afghanischer Gesandtschafts-Fall (RG 1934)[25]
Am 6.6.1933 wurde der afghanische Gesandte im Gebäude der afghanischen Gesandtschaft in Berlin von einem Landsmann erschossen. Im gerichtlichen Verfahren rügte der Täter, die deutsche Strafjustiz sei unzuständig, weil sich die Tat aus deutscher Sicht im Ausland ereignet habe.
Das Reichsgericht stellte in Übereinstimmung mit der Völkerrechtspraxis klar, dass die (irreführenderweise so genannte) „Exterritorialität“ der Räumlichkeiten diplomatischer Missionen nicht bedeute, dass diese als eine Art Exklave zum Staatsgebiet des Entsendstaates gehörten. Sie gehörten weiterhin zum Territorium des Empfangsstaates. „Das Recht der Exterritorialität geht nur so weit, als es erforderlich ist, die Unverletzlichkeit des Gesandten und seiner Begleitung zu gewährleisten. […] Daß gewisse Amtshandlungen nicht in den Räumlichkeiten der Gesandtschaft vorgenommen werden dürfen, ist nur die Folge der anerkannten Unverletzlichkeit des Gesandten und der ihm Gleichgestellten und beschränkt sich auf diesen Zweck.“
Auch Schiffe (und Luftfahrzeuge) werden nicht länger als „schwimmendes Territorium“ (territoire flottant) des Flaggenstaates angesehen. Ansonsten wäre der Überflug über ein Schiff auf Hoher See nur nach Genehmigung gestattet; außerdem wäre kaum zu begründen, wieso sich ein Schiff in einem fremden Hafen an das Recht des Hafenstaates zu halten hat.
77
Das Staatsgebiet muss Teil der natürlichen Erdoberfläche sein (vgl. die Ableitung des Begriffs „Territorium“ von terra, Erde). Eine weniger begriffsjuristische Begründung setzt an der Gefährdung für Frieden und Stabilität an, die von künstlich geschaffenem Territorium ausgehen kann (Rn. 79, 842). Künstliche Inseln und Plattformen im Meer können zu einem Staat gehören, aber nicht selbstständig Staatsgebiet sein (vgl. Art. 60 Abs. 8 SRÜ, Rn. 841).