Читать книгу Deutsch-kroatische Sprachkontakte - Aneta Stojic - Страница 13

2.4 Begriffsbestimmung

Оглавление

Bei der Begriffsbestimmung der Lehnwörter deutscher Herkunft stößt man in der Sprachwissenschaft auf einige Probleme. Zum einen ist schon die Bezeichnung der deutschen Lehnwörter in der linguistischen Literatur vom etymologischen Standpunkt aus umstritten, da sich das Deutsche in vielen verschiedenen regionalen und überregionalen Erscheinungsformen manifestiert. Zum anderen existiert, wie eine Übersicht der in den sprachwissenschaftlichen Abhandlungen dargestellten Definitionen verdeutlicht, keine einheitliche Begriffsbestimmung: In der einschlägigen kroatischen Literatur werden die Ausdrücke germanizam (Germanismus) und njemačka posuđenica (deutsches Lehnwort) gebraucht. Klaić (1988) führt in seinem Fremdwörterbuch unter dem Stichwort germanizam zwei Erklärungen an: 1. Ausdrucksweise im Geiste der deutschen Sprache; 2. Fremdwort, das aus einer germanischen Sprache übernommen wurde. Simeon (1969) führt in seinem Lexikon der Sprachwissenschaft drei Bedeutungserklärungen dieses Begriffs an: 1. allgemein Besonderheit aus Deutschland, die von anderen Völkern oder Sprachen übernommen wurde (Bräuche, Sprache u.Ä.); 2. insbesondere bezieht es sich auf ein Wort, eine Konstruktion aus der deutschen Sprache; 3. im weiteren Sinne, aus einer germanischen Sprache übernommenes oder nach ihrem Vorbild gebildetes Wort, Ausdruck oder Konstruktion. Laut Babić (1990) ist die erste Bedeutungserklärung im gesellschaftlichen Sinne, die dritte im linguistischen und die zweite allgemein zu weit gefasst und ergänzt: Alles was in der kroatischen Sprache unmittelbar oder mittelbar aus der deutschen Sprache stammt, gilt als Germanismus (ebd. 217). Diese Deutung trennt Wörter deutscher Herkunft klar in zwei Gruppen: indirekte und direkte Germanismen. In der Sprachwissenschaft wird die Rolle der Mittlersprache unterschiedlich bewertet. Viele Autoren denken, dass bei der Bestimmung der Herkunftssprache des Lehnwortes nicht die Sprache, aus der das Wort tatsächlich stammt, im Vordergrund steht, sondern nur diejenige Sprache, aus der das Wort letztendlich in die Nehmersprache übernommen wurde (Theorie der etymologia proxima, vgl. Muljačić, 2000: 302). So wurde beispielsweise das Wort kiosk aus dem Deutschen Kiosk ins Kroatische übernommen. Das Deutsche hat jedoch selbst das Wort aus dem Französischen kiosque entlehnt. Dieser Ausdruck stammt wiederum aus dem Türkischen, das es selbst aus der persischen Sprache übernommen hat. Während für die direkte Entlehnung als Voraussetzung gilt, dass diese Art von Sprachkontakt von einem zweisprachigen Sprecher realisiert wird, kann bei der indirekten Entlehnung auch eine Sprache oder häufiger sogar öffentliche Medien die Mittlerrolle innehaben (vgl. Filipović, 1986: 51). In Mittel-, Ost- und Südosteuropa übte diese Mittlerrolle in den meisten Fällen das Deutsche aus (ebd. 190). Muljačić (1971: 43) verweist in seinen Forschungen über kroatisch-französische und kroatisch-italienische Sprachkontakte auf die Mittlerrolle des Deutschen und auf die Tatsache, dass Wien zur Zeit der Habsburger Monarchie, teilweise auch heute noch, ein großer „Rangierbahnhof“ für die Weiterleitung deutscher Gallizismen, Italianismen und Anglizismen in Richtung Nordosten spielte. Italianismen kamen im 18. Jahrhundert insbesondere im Zuge der Terminologisierung in das österreichische Deutsch, weil ein großer Teil Norditaliens unter österreichischer Herrschaft stand (Jernej, 1956: 61).

Babić (1990: 217ff) unterscheidet zwischen echten Germanismen (direkt aus dem Deutschen ins Kroatische entlehnte deutsche Wörter), Halbgermanismen (deutsche Wörter, die mittels einer anderen Sprache ins Kroatische entlehnt wurden) und Pagermanismen (Wörter, die das Deutsche aus einer anderen Sprache entlehnt hat und dann ins Kroatische vermittelte). Pagermanismen können zwei Erscheinungsformen haben: Die Entlehnungen wurden schon im Deutschen phonologisch oder semantisch bzw. phonologisch und semantisch angepasst und als adaptierte Formen ins Kroatische übernommen, z.B. das kroatische Wort cigla < dtsch. Ziegel < lat. tegula; kro. adut < dtsch. Adutt < frz. à tout usw. Zum zweiten Typ gehören Wörter, die im Deutschen nicht angepasst wurden, das Deutsche also nur als Mittlersprache im Transfer fungierte. Da es sich bei diesen Wörtern hauptsächlich um Entlehnungen aus dem Lateinischen, Französischen und vereinzelt aus dem Neugriechischen handelt, kann diese Gruppe auch als Europäismen bezeichnet werden, weil sie in mehreren europäischen Sprachen zu finden sind, z.B. atlas, dekan, docent, recept, internist u.Ä. Nach diesen Kriterien führte Babić eine Analyse der von Schneeweis ermittelten Germanismen im Serbokroatischen durch und kam auf diese Weise zu einer Liste von 88 echten Germanismen, die Babić weiter nach ihrer wahren Herkunft, der Zeit der Entlehnung, dem Grad der Integration im Sprachsystem und dem Verhältnis des Lehnwortes zur Standardsprache nach der Zeit ihrer Entlehnung bestimmt.

Für Turk (1994: 186ff) sind echte Germanismen nur diejenigen deutschen Entlehnungen, die ursprünglich deutsche Wörter sind und direkt aus dem Deutschen ins Kroatische übernommen wurden. Indirekte deutsche Entlehnungen zählt sie zur Gruppe der unechten Germanismen. Die Zeit der Entlehnung ist ebenfalls ein wichtiges Kriterium für die Bestimmung des Status des Germanismus in der kroatischen Sprache, weil ältere Entlehnungen in der Regel eine vollständig veränderte Phonemstruktur aufweisen und somit vollständig in die kroatische Sprache integriert sind und, nach Filipović, den Status einer Kompromissreplik aufweisen: Der deutsche Muttersprachler erkennt die Entlehnung nicht mehr als deutsches Wort, die kroatischen Sprecher empfinden es jedoch als fremdes Wort. Wichtig für die Untersuchung deutscher Lehnwörter im Kroatischen ist auch ihr sprachlicher Status in der Nehmersprache bzw. ihre Zugehörigkeit zur Standardsprache, Dialekt, Umgangssprache usw.

Piškorec (2001: 40) macht eine Unterteilung der indirekten deutschen Entlehnungen in primär und sekundär. So sind Wörter, die das Deutsche beispielsweise aus dem Lateinischen entlehnt und dann ins Kroatische vermittelt hat, primäre Germanismen und sekundäre Latinismen. Die Mittlersprache ist die eigentliche Gebersprache (ebd. 40). Somit sind auch ursprüngliche deutsche Wörter, die über eine andere Sprache ins Kroatische vermittelt wurden, keine echten Germanismen. Als Beispiel führt der Autor das Wort šaraf an, das die kroatische Sprache aus dem Ungarischen entlehnt hat und somit ein Hungarismus ist, obwohl es auch im Ungarischen eine Entlehnung aus dem österreichischen Wort Schraffe ist, folglich einen primären Hungarismus und sekundären Germanismus darstellt.

Ljubičić (2011: 52f) nennt Entlehnungen aus romanischen Sprachen, die über das Deutsche ins Kroatische vermittelt wurden, deutsche Romanismen und kroatische Germanismen, z.B. rezonirati < dtsch. räsonieren < frz. raisonner. Wörter aus dem Englischen, die über das Deutsche ins Kroatische vermittelt wurden, sind demnach deutsche Anglizismen und kroatische Germanismen, z.B. šrapnel < dtsch. Schrappnell < engl. shrapnel u.v.m.

Eine einheitliche, von allen anerkannte Begriffsbestimmung und eine ihr folgende Untersuchung der deutschen Lehnwörter im Kroatischen gibt es jedoch noch immer nicht. Der Grund dafür liegt in der Tatsache, dass der Begriff Germanismus an und für sich nicht transparent und präzise genug ist. Nimmt man dazu noch die allgemeine Definition der -ismen, nach der ein -ismus nach der Gebersprache bestimmt wird (Samardžija, 1995: 49), in Betracht, so wäre ein Germanismus jedes Wort, dass die kroatische Sprache aus dem Deutschen entlehnt hat, ohne Rücksicht auf seine wahre Herkunft. Wenn man dieser Definition folgen würde, so müsste man alle deutschen Wörter, die die kroatische Sprache über eine andere Sprache entlehnt hat, nicht als Germanismus betrachten, sondern als -ismus der betreffenden Mittlersprache. So beispielsweise das Wort šogor, das aus dem Ungarischen ins Kroatische entlehnt wurde (sógor), folglich als Hungarismus betrachtet werden kann, obwohl es ursprünglich auf das deutsche Wort Schwager zurückgeht. Aus diesem Grunde wird im vorliegenden Band der Terminus deutsche Entlehnung bevorzugt. Dazu zählen: alle Wörter, die aus der deutschen Sprache direkt oder indirekt in die kroatische Sprache entlehnt wurden. Dabei werden diejenigen Wörter, die ursprünglich deutscher Herkunft sind und direkt oder indirekt ins Kroatische entlehnt wurden, als echte deutsche Entlehnungen betrachtet. Dazu gehören auch diejenigen Entlehnungen, die im Deutschen aufgrund fremdsprachiger Elemente entstanden sind und als solche nur im Deutschen existieren bzw. in einer anderen Sprache, die sie aus dem Deutschen entlehnt hat. Als unechte deutsche Lehnwörter gelten diejenigen Wörter, die das Deutsche aus einer anderen Sprache entlehnt hat und über deutsche Vermittlung ins Kroatische gelangten, dabei jedoch nicht auf die Grundbedeutung der Entlehnung einwirkte. Nach dieser Klassifikation gehört das Lexem cigla zu den unechten deutschen Entlehnungen im Kroatischen. Es geht auf das deutsche Modell Ziegel, das in die deutsche Sprache aus dem Lateinischen (tegula) entlehnt wurde, zurück. Das Wort apoteka hingegen gehört zur Gruppe der echten deutschen Entlehnungen, weil es auf das deutsche Wort Apotheke zurückgeht, das im Deutschen aufgrund des griechischen Ausdruckes apotíthēmi 'ablegen, aufbewahren' gebildet wurde. Aus diesem Grund gilt auch das Wort šogor als echte deutsche Entlehnung, weil es aus dem Deutschen stammt. Das Ungarische diente zwar als Vermittler und beeinflusste die Form der Replik im Kroatischen, jedoch nicht auch die Bedeutung.

Was Lehnprägungen betrifft, so gilt in der kroatischen Sprachwissenschaft1 für die Beschreibung von Lehnphänomenen in der Lehngutforschung das Gliederungsschema des lexikalischen Lehngutes und die Terminologie von Werner Betz bis heute als Muster und als Grundlage für die meisten Studien, die sich mit den Entlehnungsprozessen aus einer Sprache in eine andere befassen. Žarko Muljačić (1968: 8f) schlägt kroatische Entsprechungen für Betz Terminologie vor: Lehnübersetzung > doslovna prevedenica, Lehnübertragung > djelomična prevedenica, Lehnschöpfung > formalno nezavisan neologizam, Lehnbedeutung > semantička posuđenica, Lehnwendung > frazeološki kalk, Lehnsyntax > sintaktički kalk. Matthias Rammelmeyer (1975: 22) gliedert die Lehnprägungen in Anlehnung an Betz Klassifikation: Lehnbedeutung, Lehnübersetzung, Lehnübertragung, Lehnschöpfung, Teillehnübersetzung, Lehnsyntax, Lehnphraseologie. Der kroatische Sprachwissenschaftler Stjepan Babić (1990: 226) hat Betz Klassifikation teilweise als Grundlage für seine Klassifikation genommen und unterscheidet neben prevedenica (Lehnübersetzung), poluprevedenica (Lehnübertragung), formalno nezavisan neologizam (Lehnschöpfung) und semantička posuđenica (Lehnbedeutung) auch noch hibrid bzw. hibridna složenica (Hybrid bzw. hybride Zusammensetzung). Vesna Muhvić-Dimanovski (1992: 102) unterteilt die Lehnbedeutungen in zwei Typen: Typ I (Übereinstimmung in Form und größtenteils in Bedeutung) und Typ II (Übereinstimmung in Bedeutung). Marija Turk (2013: 64ff) vereint alle diese Klassifikationen und teilt die Lehnprägungen nach den Ebenen, denen sie angehören, in:

1 Lexikalische Lehnprägung:a) Lehnübersetzung (doslovna prevedenica)b) Lehnübertragung (djelomična prevedenica)c) Teillehnübersetzung (poluprevedenica)d) Lehnschöpfung (formalno nezavisni neologizam)e) Lehnwendung (frazeološki kalk)

2 Lehnbedeutung (semantički kalk)

3 Lehnsyntax (sintaktički kalk)

Jede Kategorie kann Untertypen umfassen. Die Analyse der Lehnprägungen im Kroatischen nach deutschem Vorbild, der das Kapitel 6 im vorliegenden Band gewidmet ist, erfolgt nach dieser Klassifikation.

Deutsch-kroatische Sprachkontakte

Подняться наверх