Читать книгу Deutsch-kroatische Sprachkontakte - Aneta Stojic - Страница 22
3.6.4 Istrien, das kroatische Küstenland und Dalmatien
ОглавлениеWährend der Herrschaft von Maria Theresia kam es zu einem leichten wirtschaftlichen Aufschwung. Die Kaiserin befahl den Bau von Straßen in Slawonien und Sriem wegen ihrer militärisch strategisch wichtigen Lage. Daraufhin entschloss sich auch ihr Nachfolger Joseph II. zum Bau einer neuen Straßenverbindung zwischen Karlovac und den Küstenstädten Bakar und Senj. Die Straße wurde nach ihm benannt, die Josephina (kro. Jozefina). Sie ermöglichte die Entwicklung des Handels im kroatischen Hinterland und innerhalb der Militärgrenze (Samaržija, 2003: 29). Kurz nach dem Bau dieser Straße wurde auch der regelmäßige Eilpostweg von Wien nach Senj eingerichtet. Der Bau der Straße zwischen Gospić und Karlobag wurde 1786 beendet und bekam den Namen Theresiana (kro. Terezijana). Dies führte zum direkten Kontakt zwischen den Einwohnern der Küste mit der Bevölkerung des deutschsprachigen Raumes, den Baumeistern und Händlern. Im Jahre 1768 zählte die Zuckerfabrik in Rijeka 704 Angestellte, von denen 21 aus Hamburg waren, ein Angestellter kam aus Preußen. Im Jahre 1770 begann der Bau des Hafens in Kraljevica, der zum österreichischen Kriegshafen werden sollte (Ivanetić, 1997: 111). Die zahlreichen deutschen Lehnwörter in den Mundarten des Kroatischen Küstenlandes zeugen von diesem intensiven Sprachkontakt (vgl. Ivanetić, 1997; Turk, 2005). Die meisten gehören zum Bereich der sog. materiellen Kultur und umfassen Technik allgemein, Wohnkultur, Gastronomie, Bekleidung. Von der sozialen Sphäre zeugen z.B. Personenbezeichnungen und Ausdrücke für Spiel- und andere Geselligkeitsformen. Auf ökonomische und historische Verhältnisse verweist die Lexik im Bereich historischer Handwerke (Pferdeschmiede), Gewerbeformen (Fuhrwerk) und vor allem des Militärs (Exerzierregeln und Kommandos), zum Beispiel: celjt < Zelt (Pferdedecke aus Zeltstoff), cugalj < dtsch. Zügel, furman < dtsch. Fuhrmann, sotlar < dtsch. Sattler, vagir < dtsch. Wagendeichsel; aptak < dtsch. Habt Acht, bajbok < dtsch. Bei Wache, befel < dtsch. Befehl, durmarš < dtsch. Durchmarsch u.Ä.
Mit dem Frieden von Campo Formio 1797 zwischen Napoleon und Österreich bekam die Habsburger Monarchie den ehemaligen Besitz der Republik Venedig als Vergütung für die beträchtlichen territorialen Verluste im Westen. Auf diese Weise kamen das venezianische Istrien und die Kvarnerinseln unter österreichische Herrschaft und kurz darauf auch das venezianische Dalmatien mit den Inseln und der Boka (Šidak, 1990: 21). Die Nachricht von dem Anschluss Istriens und Dalmatiens an die Habsburger Monarchie stieß auf große Begeisterung, da damit die Voraussetzungen für die Vereinigung Dalmatiens mit dem kroatischen Binnenland erfüllt waren. Als das österreichische Militär das Gebiet der ehemaligen Republik Venedig besetzte, wurde als Oberhaupt Dalmatiens der österreichische Graf Reimond Thurn bestimmt, der den Befehl ausgab, dass sich die Einwohner Dalmatiens den väterlichen und gutmütigen Absichten seiner Majestät anzupassen haben und vom Wunsch, Teil des ungarischen Königreichs zu werden, zurücktreten sollen (Samaržija, 2003: 28). Damit fiel jede Hoffnung auf eine Vereinigung. Die Habsburger beließen Dalmatien und Istrien so, wie sie sie vorfanden. Obwohl Österreich Dalmatien nicht germanisieren wollte, führte die österreichische Regierung die gleichen Veränderungen durch, wie sie sich in ganz Europa im Laufe des 19. Jh. abspielten. In dieser Zeit wurden in Dalmatien nämlich eine moderne Verwaltung, ein Zeitungswesen, Druck, ein allgemeiner Militärdienst, eine allgemeine Schulpflicht sowie ein Parteiensystem eingerichtet. Ebenfalls wurden Archive und Bibliotheken sowie Museen organisiert. Die Initiative kam aus Wien und wurde mithilfe der einheimischen Bevölkerung realisiert (Pederin VDG, 1995: 16). Mittel der Reorganisierung der Gesellschaft war das Kasino, das nach den Richtlinien des Kaisers handelte und erstmals im Jahre 1800 in Makarska und 1817 in Split erwähnt wurde. Es handelt sich um einen geschlossenen Club, in dem Zeitungen gelesen und Billard gespielt wurde und Theatervorstellungen stattfanden. Die Mitglieder waren Offiziere, alle Adeligen der Monarchie, alle Beamten, der Bürgermeister, Domherren, Gymnasiallehrer und Anwälte. Diese Gesellschaft war geschult und wohlhabend und auf ihr beruhte der Staatsapparat. Bis zur Mitte der dreißiger Jahre sprach die Mehrheit der Mitglieder des Kasinos in Dalmatien Italienisch, die Offiziere und einige Beamte jedoch Deutsch. Im Jahre 1797 wurde das Felbinger Gesetz über das allgemeine Schulwesen für deutsche „normale“ und „triviale“ Schulen in allen kaiserlich-königlichen Nachfolgeländern herausgegeben, die sog. Allgemeine Schulordnung. Italienisch bewahrte in Dalmatien jedoch seine Dominanz und blieb während der gesamten sog. ersten österreichischen Herrschaft (1797–1806) die Unterrichtssprache.
Im neuen Krieg zwischen Österreich und Napoleon 1805 verlor die Habsburger Armee und Napoleon übernahm die Herrschaft über Istrien und Dalmatien. Schließlich wurden 1809 alle kroatischen Gebiete südlich der Save der französischen Verwaltung unterstellt und bekamen den Namen "Illyrische Provinzen" mit der Hauptstadt im slowenischen Ljubljana. Interessant ist, dass Napoleon seine Proklamation an das kroatische Volk im Jahre 1809 auf Deutsch hielt und während seiner Herrschaft französische Gesetze auf Kroatisch und Deutsch veröffentlicht wurden. Das feudale Staatssystem der Habsburger wurde durch ein modernes, zentralistisches abgelöst. Unter der aufgeklärten Regierung des Marschalls Marmont wurden Verwaltung und Justiz reorganisiert. Das öffentliche Schulwesen wurde nach französischem Muster umorganisiert und neue Ideen eingebracht. Napoleons Herrschaft vereinte viele Kroaten zum ersten Mal in einer Verwaltungseinheit, und die Idee der südslawischen Gemeinschaft mit den Slowenen wurde in dieser Zeit geboren (Seton-Watson, 1913: 13). Diese Herrschaft dauerte bis zum Jahre 1813 als Napoleon in der Völkerschlacht bei Leipzig verlor. Das französische Militär musste sich daraufhin aus Dalmatien zurückziehen und die Verwaltung ging bis zum Zerfall der Österreich-ungarischen Union im Jahre 1918 wieder an Österreich. In der Zeit seiner zweiten Herrschaft in Dalmatien, wurde 1814 der Beschluss ausgegeben, Französisch in Gymnasien einzustellen und dafür Deutsch als Unterrichtsfach einzuführen (Pehar VDG, 1995: 66). In den Gymnasien der dalmatinischen Städte Zadar, Split und Dubrovnik wurde nach dem Modell des österreichischen Schulwesens gearbeitet. Die besten deutschen Lehrbücher wurden ins Italienische übersetzt, weil Italienisch auch weiterhin die Unterrichtssprache war. Mit dem Beschluss aus dem Jahre 1814 bekam jedes Gymnasium einen Deutschlehrer. In Zadar wurde 1822 das zweijährige philosophische Lyzeum und der Lehrstuhl für Deutsch eröffnet, die auf das Studium an einer der österreichischen Universitäten in Wien und Graz vorbereiteten. Das Ministerium des öffentlichen Unterrichts in Wien regte zum Lernen der deutschen Sprache an dalmatinischen Gymnasien an, weil die Dalmatiner seit Anfang des 19. Jh. gerne an österreichischen Hochschulen studierten (Pederin VDG, 1995: 20). Die deutsche Sprache sollte die Sprache der Monarchie und die Quelle des Gesetzwesens werden, während Italienisch für die Bedürfnisse des Seehandels gelernt werden sollte. Die österreichische Verwaltung betrachtete das Italienische als Sprache der Kultur, trotzdem wollte man, dass alle Beschäftigten in Dalmatien Deutsch lernen (Pederin, 1996: 95). Deutsch erreichte jedoch in Dalmatien nie den Status, das es in Nordkroatien genoss. Österreich hatte hauptsächlich einen guten Ruf und wurde als Zivilisationsmacht gesehen.