Читать книгу Deutsch-kroatische Sprachkontakte - Aneta Stojic - Страница 7
1.1 Bisherige Forschungen zu den deutsch-kroatischen Sprachkontakten
ОглавлениеEs gibt mehrere große Untersuchungen zu den deutschen Lehnwörtern im Kroatischen. Zu den ersten umfangreicheren Arbeiten zählt das Werk Nemački uticaji u našem jeziku (Der deutsche Einfluss in unserer Sprache, 1937) von Miloš Trivunac, in dem es vorwiegend um deutsche Lehnwörter geht, aber auch die Lehnprägungen angesprochen werden. In dem Werk werden Wörter deutscher Provenienz im Kroatischen angeführt, die nach Sachgruppen1 geordnet sind. Dabei macht der Autor keine Unterscheidung zwischen direkten und indirekten Entlehnungen, d.h. die Wörter, die direkt aus dem Deutschen ins Kroatische übernommen wurden und Wörter, die über die deutsche Sprache ins Kroatische kamen, sind gemeinsam aufgelistet. Dabei versucht Trivunac, sich an standardsprachliche Kriterien zu halten und hebt typographisch standardsprachliche Ausdrücke von substandardsprachlichen ab. In seinem Verfahren folgt er jedoch ausschließlich seinem eigenen Sprachgefühl, so dass diese Klassifizierung nicht vollkommen geglückt ist (Turk, 1994: 184).2 Zwei Jahrzehnte darauf erscheinen die Ergebnisse der Untersuchung der deutschen Sprachwissenschaftlerin Hildegard Strieder-Temps, die deutsche Lehnwörter auf dem Gebiet des damaligen Jugoslawien untersuchte. Striedter-Temps führt in ihrem Werk Deutsche Lehnwörter im Serbokroatischen (1958) ca. 2000 deutsche Lehnwörter mit ihrem sprachlichen Status an und gibt eine ausführliche Darstellung der Laute, einen geschichtlichen Überblick mit Informationen über den Zeitpunkt der Entlehnung sowie eine Klassifikation der deutschen Lehnwörter nach ihrer Herkunft. Dabei erklärt sie nicht, welche Entlehnungen sie als Germanismen betrachtet, vermerkt jedoch, dass sie Wörter wie arhitekt, auditor, internist u.a. nicht in ihrer Arbeit aufführt, weil sie sie als Europäismen betrachtet. Deutsche Wörter, die aus dem Ungarischen entlehnt wurden, schließt sie aus ihrer Arbeit ebenfalls aus. Zwei Jahre später (1960) führt Edmund Schneeweis in seinem Werk Die deutschen Lehnwörter im Serbokroatischen in kulturgeschichtlicher Sicht fast 3000 Wörter auf, darunter längst ausgestorbene, allslawische und Lehnwörter aus dem aktiven Wortschatz, die er in Sachgruppen einteilt. Dabei versucht er präzise etymologische Angaben zu jedem Wort zu machen, weist auch manchmal auf standardsprachliche Besonderheiten eines Wortes hin. An manchen Stellen, besonders in Bezug auf die militärischen Ausdrücke, führt er an, dass das Deutsche eine Mittlerrolle im Entlehnungsprozess spielte. Im zweiten Teil seines Werkes gibt der Autor eine zeitliche Schichtung der deutschen Lehnwörter und teilt die Zeit der Entlehnungen nach den deutschen Sprachperioden ein. Sein Werk schließt er mit einem kurzen Überblick über die Lautlehre der Lehnwörter, wobei er anführt, dass er sich auf die Ergebnisse der Untersuchungen von Striedter-Temps stützt.
Den Beginn der germanistischen Kontaktlinguistik in Kroatien kennzeichnete Ivo Medić mit seiner Dissertation zum Wortschatz der Handwerker in Zagreb (1962). Durch Befragung Zagreber Handwerker kam er zu einer Liste von 3200 deutschen Lehnwörtern, die er einer phonetischen, phonologischen, morphologischen und etymologischen Analyse unterzog. Einige Jahre später untersuchte Thomas Magner (1966) die Stadtsprache von Zagreb und kam zu einer Liste von 1100 Wörtern, von denen 850 Germanismen sind. Die Wörter führt er nach ihrer Wortartzugehörigkeit an (Substantive, Adjektive, Partizipien, Adverbien und Interjektionen) und klassifiziert sie nach dem Kriterium der mittelbaren und unmittelbaren Entlehnung. Ebenfalls führt er zwei Listen auf, die Fachbegriffe deutscher Provenienz aus dem Bereich der Tischlerei und Polsterei enthalten. Am Ende folgt eine Liste mit umgangssprachlichen Ausdrücken.
Nach Magners Arbeit stagniert für eine längere Zeit die Erforschung der deutsch-kroatischen Sprachkontakte, was mit der Tendenz der europäischen Linguistik einhergeht. Mitte der achtziger Jahre des 20. Jahrhunderts legt Rudolf Filipović die theoretischen Grundlagen für die Kontaktlinguistik in Kroatien, indem er die damaligen Erkenntnisse über die Sprachkontakte mit soziolinguistischen und pragmalinguistischen Aspekten und Verfahren bereichert. Erneut gewinnen alloglottische Elemente in der Sprache an Interesse und werden als Resultate sozialer Kontakte mit anderen Gebieten und ihren Kulturen beschrieben und dargestellt (Ivanetić, 2000: 159). Seit Beginn der neunziger Jahre des 20. Jahrhunderts bis heute erscheinen kontinuierlich Arbeiten zu deutsch-kroatischen Sprachkontakten, die vornehmlich den Einfluss der deutschen Sprache auf einzelne kroatische Ortssprachen und Gebiete untersuchen: deutsche Lehnwörter im südöstlichen Slawonien (Talanga, 1990), Osijek (Kordić, 1991; Petrović, 1994 und 2001; Binder, 2006), der slawonischen Ortschaft Orubica (Ivanetić, 1996), der Stadt Ilok (Štebih, 2003), der Podravina (Golić, 1996; Papić/Husinec, 2010), Đurđevac (Piškorec, 1991, 1996, 1997, 2001, 2005), Zagreb (Glovacki-Bernardi, 1993, 1998, 2013; Štebih, 2002; Velički et al. 2009), Lepoglava (Pavić Pintarić, 2003), in der Umgangssprache von Dalmatien (Matulina, 1995; Krpan, 2013), nordadriatischen Ortssprachen (Ivanetić, 1997 und 2000; Turk, 2005), sowie in den Ortssprachen der südlichen Gacka in Lika (Dasović/Kranjčević, 2003).
Es gibt auch Beiträge, die einzelne Aspekte deutscher Lehnwörter im Kroatischen behandeln, vor allem in Bezug auf deren sprachliche Anpassung (Dragičević, 2000; Stojić, 2007), an die Volksetymologie (Talanga, 1996, 2001), die Vermittlerrolle des Deutschen (Muhvić-Dimanovski, 1996; Ljubičić, 2011) und Ungarischen (Puškar, 2010), in Fachsprachen (Turković, 1997), der Militärsprache (Štebih, 2000), der kajkavischen Schriftsprache (Štebih, 2010), den Gebrauch (Glovacki-Bernardi, 1993; Šojat et al., 1998; Ivanetić, 2000; Štebih, 2002; Stojić, 2004 und 2006a; Turk, 2005; Velički, Velički und Vignjević, 2009) usw. Den geschichtlichen Aspekt der deutsch-kroatischen Beziehungen bearbeitete Stanko Žepić (1993, 1995, 1996, 2002).
Was die Lehnprägungen betrifft, so gibt es trotz der Tatsache, dass sich die Sprachwissenschaft schon mehr als hundert Jahre mit ihrer Theorie und Praxis beschäftigt, allgemein weniger Untersuchungen zu diesem kontaktlinguistischen Phänomen als zu den evidenten Entlehnungen. Das kann darauf zurückgeführt werden, dass Lehnprägungen schwieriger zu identifizieren sind, als dies der Fall bei Entlehnungen ist. In den siebziger Jahren des 20. Jh. erschien das bisher ausführlichste Werk zu latenten Entlehnungen im Kroatischen, Matthias Rammelmeyers Deutsche Lehnübersetzungen im Serbokroatischen (1975). Es bietet eine fundierte wissenschaftliche Grundlage für die Lehnwortforschung und eine systematische Darstellung der Lehnprägungen auf lexikalischer Ebene im Kroatischen nach deutschem Vorbild. Der Autor führt die Bedingungen an, die einzelne Wörter erfüllen müssen, um als Lehnprägungen gelten zu können. In einer alphabetischen Liste sind Lehnübersetzungen mit ihren kroatischen Äquivalenten bis zum Beginn des 20. Jh. aufgeführt. Der Autor verweist dabei oft auf die Ähnlichkeit mit anderen slawischen Sprachen, ihrer möglichen Mittlerrolle sowie auf normative Einwände hinsichtlich dieser Lexeme. In Übereinstimmung mit dem Untertitel Beiträge zur Lexikologie und Wortbildung gilt sein Interesse besonders der Analyse der Wortbildungsmöglichkeiten. Diesbezüglich weist der Autor auf neue Wortbildungstypen hin, die nach deutschem Vorbild im Kroatischen entstanden sind. In dieser Hinsicht kann Rammelmeyers Werk als gute Grundlage für die Untersuchung der Wortbildung im Kroatischen betrachtet werden. Nichtsdestotrotz ist vom theoretischen und praktischen Aspekt auch ein Einwand einzulegen, weil der Autor jegliche Übereinstimmung zwischen dem Deutschen und dem Kroatischen auf wortbildender und semantischer Ebene auf deutsche Lehnprägung zurückführt, ohne dabei die Möglichkeit der Polygenese oder den Einfluss anderer Sprachen, insbesondere des Lateinischen auf das Kroatische, zu beachten. Der kroatische Sprachwissenschaftler Stjepan Babić hat deshalb in seiner kritischen Darstellung von Rammelmayers Werk im Artikel Njemačke prevedenice – izazov našim lingvistima, 1980 (Deutsche Lehnprägungen – Herausforderung für unsere Sprachwissenschaftler) auf neue Wortbildungsmodelle, die im Kroatischen durch deutsches Vorbild im Prozess der Lehnprägung entstanden sind, hingewiesen. Vesna Muhvić-Dimanovski führt in ihrer Monographie Prevedenice – jedan oblik neologizama, 1992 (Lehnprägungen – eine Form von Neologismen) neuere Lehnprägungen in der kroatischen Sprache an, unter denen auch deutsche Lehnprägungen eine wichtige Rolle spielen. Marija Turk hat sich mit der Problematik der Lehnprägungen in mehreren wissenschaftlichen Aufsätzen auseinandergesetzt und ihre Erkenntnisse im Werk Jezično kalkiranje u teoriji i praksi: Prilog lingvistici jezičnih dodira, 2013 (Sprachliche Lehnprägung in Theorie und Praxis: Beitrag zur Sprachkontaktforschung) vereint. In diesem Band spricht sie über Lehnprägungen im Kroatischen, die nach Vorbild unterschiedlicher Sprachen entstanden sind. Die Resultate ihrer Analyse zeigen eine quantitative Vorherrschaft des deutschen Modells über diejenigen anderer Sprachen. Der Einfluss des Deutschen zeigt sich insbesondere im 19. Jahrhundert, als die Terminologie ausgebaut wurde und es allgemein zur Spracherneuerung kam. Bei den Lehnprägungen spielte die deutsche Sprache eine zweifache Rolle: Sie diente als Modell für die Bildung von Lehnprägungen, war aber auch Mittler bei Entlehnungen aus klassischen und anderen europäischen Sprachen. Das Deutsche spielte eine wichtige Rolle bei der Vermittlung aus dem Englischen, Französischen, Italienischen und dem Tschechischen. Dieser Einfluss dauert bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts an, als es dem Einfluss des immer dominanter werdenden Englisch zu weichen beginnt.
Allen bisherigen Untersuchungen zu den deutschen Lehnwörtern in der kroatischen Sprache ist gemeinsam, dass sie vornehmlich deutsche Lehnwörter anführen, ohne dabei feste Kriterien für ihre Bestimmung bzw. Definition zu geben. Die deutschen Lehnwörter werden der gleichen Kategorie zugeordnet, während die Frage nach der Intensität des Einflusses des Deutschen auf das Kroatische offenbleibt, wie auch die Frage, wie dieser Einfluss benannt werden kann, ob er direkt war oder das Deutsche eine Mittlerrolle innehatte, welchen Status die deutsche Entlehnung im Kroatischen hat usw.