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3.3 Entlehnungen aus der althochdeutschen Periode

3.3.1 Das Königreich Kroatien

Mit der Ansiedlung der Kroaten in ihr neues Heimatland beginnt im 7. Jh. der Kontakt mit den westlichen Nachbarn, den deutschen Franken, deren Herrscher Karl der Große im Jahre 800 zum Kaiser des römischen Reiches gekrönt wurde. Auch das Pannonische Kroatien erkennt während der Herrschaft des Fürsten Ljudevit Posavski die Obrigkeit des Frankenreiches an, daraufhin auch das kroatische Küstenland unter der Herrschaft von Fürst Borna. Die Vorherrschaft von Karl dem Großen dauerte nicht sehr lange, aber der Einfluss war spürbar. So kann man die karolingische Macht und Persönlichkeit Karls des Großen beispielsweise in der slawischen Bezeichnung kralj sehen, ein Nomen Appellativum für »König«, das sich aus dem Namen des damaligen Frankenkönigs und späteren römischen Kaisers entwickelte.

Im Hinterland Dalmatiens entstanden seit dem 8. Jahrhundert slawische Reiche, die sich in einem breiten Streifen entlang der Küste von Ostistrien bis östlich von Split erstreckten. Durch ein Bündnis mit Byzanz bekam Kroatien die Adriainseln und die Städte Split, Trogir und Zadar zugesprochen, die bis dahin formell unter byzantinischer Herrschaft standen. Dieser Staat, der unter König Tomislav zum Königreich Kroatien wurde, umfasste somit bis auf Istrien alle heutigen kroatischen Gebiete. Sprachliche Einflüsse des Deutschen auf die kroatische Sprache gab es auch in dieser Zeit. Ein wichtiges Zeugnis dafür ist das in Stein gemeißelte kroatische Sprachdenkmal Baščanska ploča (Tafel von Baška), das in kroatischer glagolitischer Schrift um das Jahr 1100 entstand und Angaben über den Bau der Kirche der hl. Lucija enthält und dokumentiert, dass der kroatische König Zvonimir dieser Kirche eine Schenkung machte. Die Tafel zeugt u.a. vom Einfluss kultureller Zentren des germanischen Teiles Europas (Goldstein, 1995: 416). Da die Kroaten als Nachbarn zwei der stärksten christlichen Staaten hatten, im Osten Byzanz, im Westen das Frankenreich, spielte die Christianisierung für die Kroaten eine entscheidende Rolle, weil ihnen das Christentum dazu verhalf, auf diesen Gebieten zu überleben und auf diese Weise in den Kreis der europäischen Völker wie auch in die Welt des Schrifttums und Kultur einzugehen. Der Prozess der Christianisierung verlief in zwei Richtungen: von Seiten byzantinischer Priester aus dalmatinischen Küstenstädten und deutschen Priestern in der Zeit vom 7. bis 9. Jh. Während der fränkischen Herrschaft verwendeten die Kroaten auch im Gottesdienst die lateinische Sprache, d.h. die Sprache ihrer Päpste. In dieser Zeit gelangte deshalb nur eine geringe Zahl deutscher Lehnwörter ins Kroatische. Eigentlich handelt es sich um lateinische oder griechische Entlehnungen, die das Deutsche ins Kroatische vermittelte. Die fränkische Obrigkeit an der kroatischen Küste hinterließ demnach keine größeren Spuren in der kroatischen Sprache. Es handelt sich um nur wenige Lexeme:

 kro. crkva < urslaw. *cerky < ahd. chirichā < griech. kyriakon, nhd. Kirche;

 kro. kloštar < ahd. klōstar < lat. claudere, nhd. Kloster;

 kro. pop < altslaw. popъ < ahd. pfaffo < griech. papas, nhd. Pfaffe;

 kro. post < altslaw. postъ < ahd. fasto, nhd. Fasten.

3.3.2 Personalunion

Nach dem Tod des kroatischen Königs Zvonimir 1089 erhob der ungarische König Ladislaus Erbansprüche auf die kroatische Krone. Es begann die Erschließung des mittelalterlichen Slawoniens, des "Slawenlandes" südlich der Drau. 1094 gründete Ladislaus in Zagreb ein Bistum und eine Gespanschaft nach ungarischem Muster. Sein Nachfolger Koloman wurde dann 1102 in Biograd bei Zadar zum kroatischen König gekrönt. Die ungarische Dynastie der Arpaden 1102 übernahm durch die so genannte Pacta Conventa die kroatische Königskrone und gründete gemeinsam mit kroatischen Herrschern die Personalunion (1102–1526). Im gemeinsamen Staat kam es zum gegenseitigen Einfluss auf Kultur und Sprache, wobei indirekt auch viele deutsche Lehnwörter über das Ungarische in die kroatische Sprache entlehnt wurden (Talanga, 1990: 131). Aus dieser Zeit stammen Begriffe wie:

 kro. frtalj < ung. fertály < ahd. fiorteil, nhd. Viertel;

 kro. grof < ung. gróf < mhd. grāve, nhd. Graf;

 kro. hahar < ung. hóhér < mhd. hāhaere < nhd. Henker;

 kro. marva < ung. marha < mhd. mar(i)ha < nhd. Mähre;

 kro. mužar < ung. mozsár < ahd. morsari < nhd. Mörser;

 kro. perec < ung. perec < ahd. brez(i)tella < nhd. Brezel;

 kro. puška < ung. puska < ahd. buhsa < nhd. Büchse;

 kro. rit < ung. rit, ret < ahd. (h)riot < nhd. Ried u.v.m.

Aus dem Althochdeutschen wurden in der Zeit von 1000 bis 1300 ebenfalls viele Ausdrücke für neue Gebrauchsgegenstände oder andere Innovationen, die die Kroaten von den Deutschen übernommen haben, entlehnt:

 kro. izba < slaw. *istbba < ahd. stuba, nhd. Stube;

 kro. kanta < ahd. channata; nhd. Kanne;

 kro. kotar < ahd. kataro, nhd. Gatter (dial. Kotter);

 kro. kuhati < ahd. kochōn < vlat. cocere, nhd. kochen;

 kro. kuhinja < ahd. chuhhina < vlat. cocina, nhd. Küche;

 kro. letva < ahd. latta, nhd. Latte;

 kro. mlin < ahd. muli(n) < lat. molina, nhd. Mühle;

 kro. mošt < ahd. most < lat. mustum, nhd. Most;

 kro. pehar < ahd. beehari < mlat. bicarium < griech. bikos, nhd. Becher;

 kro. škaf < ahd. scaf, scaph, nhd. Schaff;

 kro. škare < ahd. skâre, nhd. Schere;

 kro. škoda < ahd. scado, nhd. Schaden;

 kro. škrinja < ahd. scrini < lat. scrinium, nhd. Schrein;

 kro. štagalj < ahd. stadal, nhd. Stadel;

 kro. truba < ahd. trumba, nhd. Trompete;

 kro. vaga < ahd. vaga, nhd. Waage;

 kro. žaga < ahd. saga, nhd. Säge.

Einige dieser Gebrauchsgegenstände oder Bezeichnungen für unterschiedliche Alltagserscheinungen gab es auch vor der Übernahme des Fremdwortes, jedoch in anderer Form oder mit gewissem Unterschied in technologischer Hinsicht. So gebrauchten die alten Slawen statt dem Ausdruck kuhati das Verb variti, das auch heute noch verwendet wird, allerdings war das althochdeutsche Wort angemessener für die Bezeichnung der fortgeschrittenen Art dieser kulinarischen Aktivität als das urslawische variti, was auf eine Handlung am Feuerplatz referiert. Ähnlich auch die Synonyme mlin und das slawische žrvanj, das eine mit der Hand betätigte Mühle bezeichnete, während das althochdeutsche mulin, heute mlin, eine Mühle bezeichnete, die mithilfe von Wasserkraft bewegt wird.

Vom sprachlichen Aspekt ist, wie oben schon angedeutet, das Zusammenleben mit den Ungarn äußerst interessant, weil nämlich im Laufe der über 400 Jahre im gemeinsamen Staat die kroatische Sprache oftmals eine Mittlerrolle bei der Entlehnung deutscher Wörter ins Ungarische hatte, wie z.B. das kroatische Wort kuhinja, das aus dem althochdeutschen Wort chuchhina übernommen wurde und im Ungarischen durch Metathese zu konyha wurde. Ebenfalls einflussreich war auch die ungarische Sprache bei der Vermittlung deutscher Wörter ins Kroatische. In dieser Zeit wurde eine große Zahl deutscher Entlehnungen indirekt über das Ungarische übernommen (Talanga, 1990: 131). Sprachlich manifestiert sich diese Tatsache darin, dass die deutschen Wörter durch Metamorphose nach phonologischen und morphologischen Regeln der ungarischen Sprache in die kroatische gelangten. Die größte Zahl der Entlehnungen stammt aus dem Bereich der staatlichen Verwaltung und des Rechtssystems, was auch auf die Entwicklung des gesellschaftlichen Lebens der Kroaten hindeutet (vgl. Hadrovics, 1985).

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