Читать книгу Deutsch-kroatische Sprachkontakte - Aneta Stojic - Страница 17
3.4 Entlehnungen in der mittelhochdeutschen Periode 3.4.1 Kolonisierung und Migration
ОглавлениеEthnokulturelle Kontakte der Menschen und Gemeinschaften wurden im Mittelalter noch mehr durch Migrationsbewegungen während des 12. Jahrhunderts gefördert. Sie führten dazu, dass Einwanderer aus den umliegenden Gebieten Teile des heutigen Kroatien besiedelten und sich dadurch an der Entwicklung der kroatischen Gesellschaft beteiligten. Die kroatischen Gebiete eigneten sich seit jeher wegen günstiger klimatischen und geografischen Bedingungen zur Besiedlung. Zu dieser Zeit kam es zur intensiven Kolonisierung, wobei die Hauptrichtungen der Besiedlung von Westen nach Süden und gleichzeitig von Norden nach Osten reichten. Aus dem Westen kamen Germanen, die den größten Einfluss auf kroatischen Gebieten hinterließen. Die ersten deutschen Einwanderer kamen im frühen Mittelalter (Geiger/Kučera, 1995: 85). Dies ist auch der Beginn der kontinuierlichen Verbindung Kroatiens zum deutschsprachigen Raum. Die neuen Zuwanderer hatten den Status von hospites bzw. Königsgästen. Dies war ein Beschluss des ungarischen Königs Stephan I. der Heilige (998–1035), der die „getreuen Gäste“ zur Urbarmachung des Siedellandes, Belebung von Wirtschaft und Handel, Abgaben im Frieden und Lebenseinsatz bei der Grenzverteidigung im Kriegsfall aufrief. Ihre Künste – Handwerk und Handel, wie auch unterschiedliche Sprachen hatten für den Staat eine große Bedeutung. Stephans Nachfolger führten seine Besiedlungspolitik weiter. Die Kolonisten besiedelten slawonische Grundbesitze und nahmen an der Gründung der ersten städtischen Siedlungen im Gebiet zwischen den Flüssen Save, Drau und Donau teil (vgl. Raukar, 1997: 141). Die älteste deutsche Siedlung in Kroatien befindet sich in Varaždin, dem König Andreas II. im Jahre 1209 den Titel einer freien Königsstadt verlieh. Das wichtigste Privilegium, dass den Einwohnern der Stadt damit zukam, war das Recht, ihren eigenen Richter zu wählen, den sie rihtar nannten (Gabričević, 2002: 28). Dieser Germanismus zeugt von dem großen Einfluss der deutschsprachigen Zuwanderer, obwohl diese Gebiete von deutschen Einwanderern erst nach dem Jahr 1527 im bedeutenderem Ausmaße besiedelt wurden. Nach dem Statut von Gradec, später Zagreb, wurde zwischen 1377 und 1436 der Stadtrichter abwechselnd gewählt: 1. lingua slavonica, 2. lingua hungarica, 3. lingua theutonica, 4. lingua latina = gallica. Im Privilegium von Vukovar aus dem Jahre 1231 sind folgende Zuwanderer angeführt: Deutsche, Sachsen, Ungarn und Slawen. Mit der Entwicklung dieser beiden Städte ging auch die Entwicklung der Städte Virovitica, Petrinja, Samobor, Zagreb, Križevci, Koprivnica u.a. unter Zuwanderung vieler Deutsche einher. Dazu trug vor allem die Goldene Bulle von König Bela IV. bei, der nach den Verwüstungen der Tataren im Jahre 1242 mit zahlreichen Privilegien Handwerker vor allem aus deutschen Ländern zur Zuwanderung bewegte. Aus diesen Siedlungen wurden schnell freie Königsstädte, so Gradec bei Zagreb, Samobor (1242), Križevci (1252), Petrinja, Jastrebarsko (1257) und andere (Antoljak, 1994: 61). Mit diesen Privilegien stieg das Vasallentum auf. Unter der Führung der Sachsen entwickelte sich der Bergbau in Bosnien. Besonders die Einwohner der Stadt Dubrovnik kamen mit ihnen in Kontakt, weil sie als Anmieter der Bergwerke und Händler mit den Kolonisten die gleichen Ortschaften bewohnten und somit sicherlich von ihnen Einiges übernahmen und lernten (Rešetar VDG, 1995: 102).1 Auch die anderen Küstenstädte Dalmatiens regten die Ansiedlung von fachlich gebildeten Zuwanderern an, insbesondere Handwerker, Notare, Ärzte und Lehrer. Die größte Zahl der Zuwanderer kam aus dem benachbarten Italien, aber viele kamen auch aus den westeuropäischen Ländern (Raukar, 1997: 141). Das kroatische Küstenland und Dalmatien standen sowohl kulturell als auch wirtschaftlich unter starkem Einfluss Italiens, so dass leicht der Eindruck gewonnen werden kann, dass dieser Teil Kroatiens nicht mit der deutschen Zivilisation in Berührung gekommen ist. Vom Einfluss des deutschen Elementes neben dem italienischen in dieser Zeit zeugt jedoch das älteste kroatische Rechtsdenkmal, das Gesetz von Vinodol aus dem Jahre 1288, das neben Italianismen (pošišion, tovarnar, kredenče, kvaderna, falso, mankaju)2 auch einige Germanismen enthält (Talanga, 1990: 133). So das Wort likovo, das heute die Bedeutung von «Getränk, das der Verkäufer (oder Besteller) dem Käufer (oder Arbeiter) nach dem abgewickelten Geschäft bezahlt» trägt. Dieses Wort erscheint im Gesetz von Vinodol in der Form likuf,3 was auf das mhd. lîtkouf zurückgeht. In den nordkroatischen Ortssprachen wird dafür aldumaš oder aldomaš gebraucht, was auf das ungarische Wort áldomás zurückgeht. Ebenfalls im Gesetz von Vinodol findet sich das deutsche Wort band in der Bedeutung von «Urteil oder Strafgeld». Dieses Wort kam in die kroatische Sprache voraussichtlich über das Italienische bando oder das Mittellateinische bannum, die beide auf das Deutsche Bann zurückgehen.4
Vereinzelt findet man auch in Urkunden Belege über deutsche Siedler an der Küste. Im Jahre 1454 wird unter den venezianischen Soldaten in Split ein gewisser Lodovicus Teutonicus erwähnt, der offensichtlich deutscher Herkunft war. Dass es noch mehr solcher Soldaten deutscher Abstammung gab, ergeht aus dem Beschluss des Rates der Zehn der Republik Venedig vom 23. März 1458, das Kroaten, Ungarn und Deutschen verbot, in den venezianischen Streitkräften in Dalmatien zu dienen. 1455 hat der Raber Vassal Nikola Scaffa im Namen seiner Ehefrau Jelena einen Vertrag mit dem Vizekommissar Martin Mojsović von der Insel Krk unterzeichnet, der von einem deutschen Notar namens Moses Guthnecker beeidet wurde. In Šibenik befanden sich im 15. Jahrhundert unter den venezianischen Soldaten auch sog. Stipiendiarii, Söldner deutscher Herkunft. Auf der Insel Rab wird 1499 ein Deutscher namens Jacobus de Colonia, ein offitialis curie magnifici domini comitis erwähnt. Auch einige Offiziere deutscher Herkunft werden in Dokumenten aus dieser Zeit erwähnt, wie z.B. der Kommandant der venezianischen Garnison in Šibenik, Christoph Martin von Degenfeld, oder etwas später der Kommandant der Armee der Republik Venedig, Marschall von der Schulenburg, Anfang des 18. Jh. der deutsche General Friedrich Nostritz und viele mehr. Es liegt der Schluss nahe, dass Deutsche noch im frühen Mittelalter nach Dalmatien zogen, jedoch dort keine sichtbaren Spuren in demographischer oder kultureller Sicht hinterließen (Pederin, 1995: 15).
Die Zuwanderer haben in der neuen Gemeinschaft das Bewusstsein über ihre Herkunft bewahrt, so auch ihr sprachliches und geistiges Erbe. Das hinderte sie jedoch nicht daran, sich vollkommen in die neue Gemeinde zu integrieren. So kam es zur vollständigen Assimilation, die nicht überall gleicher Intensität war. Vor allem Siedler deutscher Herkunft verweigerten den Prozess der Anpassung, worüber die Aufzeichnungen des Magistrats in Varaždin Zeugnis ablegen. War nämlich der Richter ein Deutscher, so wurden die Prozesse ausschließlich auf Deutsch geführt und nicht wie sonst auf Latein. Die deutschen Siedler hatten auch ihre eigenen Institutionen: eine Zeche, eine eigene bewaffnete Stadtverteidigung – compagniam germanicae nationis, eigene Schulen, alles mit der Absicht, die Stadt Varaždin zu einer deutschen Stadt zu machen (Gabričević, 2002: 46). Die deutschen Siedler brachten auch ein neues ethnisches Element mit, voller Fleiß und Unternehmungslust, das häufig übermächtig hinsichtlich der technischen Kultur war. Auf diese Weise haben die deutschen Siedler auf fruchtbare Art und Weise bestimmte gesellschaftliche und produktive Prozesse stimuliert, womit sie zum gesellschaftlichen Fortschritt und Entstehung des Bürgertums beitrugen (Štuka VDG, 1995: 97). Kolonisten, Handwerker und Händler haben als Träger der deutschen Sprache und Kultur nicht nur an der Gründung von Städten in den nordwestlichen Gebieten Kroatiens teilgenommen, sondern durch ihre Präsenz auch die wirtschaftlichen und sprachlichen Kontakte mit dem deutschsprachigen Raum gefestigt. Eine große Zahl deutscher Entlehnungen kam auf direktem Wege in die kroatische Sprache. Aus dieser Zeit stammen folgende Entlehnungen (Talanga, 1990: 132):
kro. ceh < mhd. zech(e), nhd. Zeche;
kro. cilj < mhd. zil, nhd. Ziel;
kro. cimer «Handelswappen» < mhd. zimier < frz. cimier < lat. cyma;
kro. cvek < mhd. zwëc, nhd. Zwecke;
kro. cvilih < mhd. zwil(i)h, nhd. Zwillich;
kro. drot < mhd. drāt, nhd. Draht;
kro. falinga < mhd. *vaelunge, nhd. Fehler;
kro. faliti < bair./österr. fālen, nhd. fehlen;
kro. farba, farbati < mhd. varwe, dial. farben;
akro. fištar < mhd. fister, vister, nhd. Bäcker;
kro. funta < mhd. pfunt, nhd. Pfund;
kro. galge < mhd. galge, nhd. Galgen;
kro. gmajna < mhd. gemeine, nhd. Gemeindehutweide;
kro. graba < ahd. grabo, nhd. Graben;
kro. helam < mhd. helam, nhd: Helm;
kro. hip < mhd. hieb, heute: Augenblick;
kro. karta < mhd. karte < frz. carte < lat. charta < griech. chartes, nhd. Karte;
kro. klaftar < mhd. klafter; nhd. Klafter;
kro. klamfar < mhd. klampfer, nhd. Klampfe;
kro. krama < mhd. krām, nhd. Krambude;
kro. kuga < mhd. koge, heute: Pest;
kro. ladica < mhd. lade, nhd. (Schub-)Lade;
kro. lanac < mhd. lanne, heute: Kette;
kro. lanci < dtsch. Lands(-knecht), Abkürz. von ital. lanzo;
kro. lojtre < österr. loitr, dtsch.: Leiter;
kro. malar < mhd. mālaere, nhd. Maler;
kro. mantra < mhd. marter, nhd. Marter;
kro. pancir, pancer < mhd. panzier < altfrz. pancier, nhd. Panzer < lat. pantex;
kro. pintar < mhd. pinter, nhd. Fassbinder;
kro. plac < frühnhd. plaz < frz. place, nhd. Platz;
kro. pleh < mhd. blëch, nhd. Blech;
kro. pošta < frühnhd. post, nhd. Post;
kro. purgar < mhd. burgaere, nhd. Bürger (dial. Purger);
kro. ribež < mhd. rīben, nhd. Reibeisen;
kro. rihtar < mhd. rihtaere, nhd. Richter;
kro. risati < mhd. rīzen, nhd. ritzen;
kro. šalica < mhd. schāle, nhd. Schale;
kro. šina < mhd. schine, nhd. Schiene;
kro. šindra < mhd. schindel, nhd. Schindel;
kro. šnicar < mhd. snitzaere, nhd. Schnitzer;
kro. šnidar, žnidar < mhd. s(ch)nîder, nhd. Schneider;
kro. sokla < mhd. sockel, nhd. Sockel;
kro. šoštar < mhd. schuo(ch)ster, nhd. Schuster;
kro. šporar < mhd. sporaere, nhd. Sporenmacher;
kro. špot, špotati < mhd. spot, nhd. Spott;
kro. štibra, štivra < mhd. stiura, nhd. Steuer;
kro. tišlar < mhd. tischler, nhd. Tischler;
kro. ura < mhd. ūr(e) < lat. hora, nhd. Uhr;
kro. žlahta < mhd. slahte, nhd. (Ge-)schlecht (dial. Kschlacht).
Einige dieser Entlehnungen sind heute außer Gebrauch, weil auch die Dinge, die sie benennen heute nicht mehr gebraucht werden. Einige Entlehnungen sind den heutigen Sprechern in dieser Form nicht bekannt, sondern in der Form, in der sie einige Jahrhunderte danach erneut übernommen wurden, wie beispielsweise das kro. pekar vom deutschen Bäcker. Ein Teil der Wörter erhielt sich im Substandard der kroatischen Sprache. So gebraucht man in einigen kroatischen Dialekten auch heute noch die Wörter moler aus dem nhd. Maler (südd. dialektale Aussprache «moler»). Das Wort šnajder stammt vom deutschen Schneider statt dem mittelhochdeutschen šnidar oder žnidar, wie šuster statt šoštar vom nhd. Schuster. Der Ausdruck šoštar diente noch im 13. Jh. als Toponym für die neue deutsche Siedlung am Fuß der Stadtmauern von Gradec, die sie Schusterdorf bzw. Šoštarska nannten. Das Wort žlahta wird heute nur noch als Bezeichnung für die Weinsorte žlahtina gebraucht.