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Placebo-Effekt: Heilkraft des Vertrauens
ОглавлениеÜber den Erfolg einer Therapie entscheidet die Beziehung zum Arzt und die Frage, ob sie die Zuversicht gegenüber der eigenen Fähigkeit zur Selbstheilung nährt oder Skepsis sät. Das ist wissenschaftlich erwiesen. Man nennt das den Placebo-Effekt (»Ich werde gefallen«). Gemeint ist damit die positive Wirkung einer Behandlung, die kein »echtes« Medikament einsetzt – also keines mit Wirkstoff. Placebos wirken am besten bei Beschwerden, die psychosomatischer Natur sind, also psychisch beeinflussbar sind. Etwa bei Reizdarm: In einer amerikanischen Studie erklärte ein sympathischer Arzt seinen Patienten ausführlich das Placebo-Prinzip. Statistisch wirke es immer bei einem bestimmten Prozentsatz von Betroffenen, habe aber weit weniger Nebenwirkungen. Wenn sie wollten, könnten sie das ja mal ausprobieren.
60 Prozent von 80 Patienten ging es danach besser. Bei einer Kontrollgruppe von Patienten, bei denen dieses aufklärende Gespräch nicht stattgefunden hatte, reagierten nur 35 Prozent auf das Scheinmedikament.
Seit Jahrtausenden nutzt die Heilkunst die Kraft des Wortes und des Vertrauens, während die moderne Pharmakologie gerade einmal 150 Jahre alt ist. Der Placebo-Effekt tritt im übrigen auch dort auf: Verabreicht man in Studien einer Gruppe den Arzneistoff, der anderen nur Milchzucker – ohne dass die Betroffenen und auch die Forscher wissen, wer was bekommen hat – so zeigt sich nach der Entschlüsselung, dass stets ein gewisser Teil der Probanden positiv reagiert, obwohl sein Arzneimittel nur Täuschung war. Das sind häufig um die 30 Prozent. Ein Medikament gilt dann als wirksam, wenn seine Erfolgsquote höher ist als der Placebo-Effekt.
Was beim Placebo-Effekt im Körper passiert, kann man heute messen. Gehirn, Nerven- und Immunsystem sind nämlich eng miteinander vernetzt – über Botenstoffe. Da gibt es solche, die mit Stress zu tun haben, wie etwa das Hormon Kortisol, aber auch Bindungs- und Beziehungshormone wie das Oxytocin (das unter anderem Mutter und Baby aneinanderbindet). Auf diese Netzwerke wirken Arzneistoffe genauso ein wie Beziehungserfahrungen. Hirnscans zeigen, dass Scheinmedikamente an denselben Zentren im Gehirn andocken wie echte Arzneimittel, und bei beiden spielen Vertrauen in und Erwartung an die Beziehung eine oft größere Rolle als die Chemikalie. Wird die Verbindung zwischen den Vorderlappen des Gehirns, wo Bewertung und Erwartung verortet sind, zum Gehirninneren gestört, etwa durch eine Demenz, dann richtet eine Therapie viel weniger aus. Und das gilt für »echte« wie für »falsche« Medikamente gleichermaßen.
Die Erwartung wird stark durch die Erfahrung geprägt. Menschen, die von klein auf positive Bindungserlebnisse hatten, haben auch ein stärkeres Immunsystem und sind weniger anfällig gegenüber Stress. Man kann aber lernen, negativen Empfindungen etwas entgegenzusetzen und sich für positive Erlebnisse zu öffnen. Mit der Zeit und einiger Übung verankern sich diese Erfahrungen im Unterbewussten – sie werden gelernt. Dieser Lernvorgang, die Psychologen nennen ihn Konditionierung, ist die Basis des Placebo-Effekts.
Patientin Claudia erlebte in unserer Klinik zugewandte, freundliche Therapeuten, Ärzte und Mitpatientinnen, die Vertrauen in die positiven Wirkungen der angebotenen Therapien hatten. Das stärkte auch ihr Vertrauen in die bis dahin nicht vertrauten Verfahrensweisen der Naturheilkunde. Ihre wachsende Entspannung ließ gleichzeitig ihre Offenheit wachsen, Neues und Ungewohntes auszuprobieren, zu lernen.
In Meditationsübungen und beim Umgang mit ihrem Atem schulte Claudia ihre Fähigkeit, sich selbst wahrzunehmen. Sie spürte dadurch im Alltag früher und deutlicher, was ihr guttat und was nicht. Das erlaubte ihr, sich selbst immer besser einzuschätzen. Bei ihren Spaziergängen durch den schönen Klinikpark erlebte sie immer öfter Momente, in denen sie nicht an irgendeine Aktivität dachte, sondern einfach nur sie selbst »war«. Als wir darüber sprachen, habe ich ihr von »meinem« Platz auf der Kirchhofmauer daheim in Bayern erzählt. Sie wusste sofort, was mir dieser Platz bedeutete. Wir beide waren uns einig: Diese Glücksmomente sind für die Selbstheilung so unbeschreiblich wichtig, weil wir uns dann als ganz und heil und verbunden mit dem Ganzen erleben.
Vielseitig: Das wohlriechende Lavendelkraut wirkt gegen innere Unruhe und Erschöpfung.