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Mind-Body-Medizin: Kopf und Körper
ОглавлениеAls immer deutlicher wurde, wie negativ sich Stress auf den Körper auswirkt, hatten sich in den 1970er- und 80er-Jahren in den USA Therapiekonzepte entwickelt, denen es darum ging, medizinische Erkenntnisse in die Praxis umzusetzen und dort wirksam zu machen. Ihr ganzheitliches Menschenbild (bio-psycho-sozial-spirituell) verfolgt einen salutogenetischen, das heißt, ressourcenorientierten Ansatz, der auf die Stärkung der Selbstregulation, Selbstheilung und Resilienzsteigerung zielt.
Diese Konzepte wurden in den 1990er-Jahren von den National Institutes of Health (NIH) in Washington D.C. unter dem Begriff Mind Body Medicine zusammengefasst und definiert. Diese Mind-Body-Medizin setzt wie die Ordnungstherapie am Zusammenspiel von Geist, Psyche, Körper und Verhalten an und erforscht, wie emotionale, mentale, soziale, spirituelle und verhaltensmäßige Faktoren direkten Einfluss auf die Gesundheit nehmen. Eine zentrale Rolle spielen Stressbelastungen, die nicht ausreichend kompensiert werden können.
Mind-Body-medizinische Interventionen haben immer das Ziel, die Ressourcen zur Bewältigung von Belastungen zu stärken und damit die Resilienz und die Gesundheit. Mind-Body-Methoden sind zum Beispiel Entspannungstechniken wie z. B. Autogenes Training, Vorstellungsübungen, Meditation, Yoga, Taiji, Qigong sowie kognitiv-verhaltensorientierte Techniken, Gruppenunterstützung und das Eingehen auf spirituelle Lebensthemen.
Unsere Klinik in Essen war die erste in Deutschland, die Ende der 90er-Jahre Mind-Body-Medizin in den Therapiealltag integrierte, weil diese damals im Gegensatz zu den ordnungstherapeutischen Interventionen der Naturheilkunde bereits wissenschaftlich evaluiert waren. Evidenzbasierte, also wissenschaftlich belegte Medizin war eine Forderung der Krankenkassen, um die Kosten zu tragen. In der klinischen Praxis ergänzen sich Ordnungstherapie und Mind-Body-Medizin problemlos, und die Begriffe werden häufig synonym verwendet. Ihre Erkenntnisse, Strategien und Programme werden zunehmend auch in die betriebliche Gesundheitsförderung und Prävention integriert.
Metastudien sind solche, die bereits vorliegende wissenschaftliche Untersuchungen erneut in Augenschein nehmen, die Ergebnisse vergleichen und so die Evidenz für eine Wirkung verdichten können. Für Mind-Body-Methoden gibt es solche Nachweise für
Bluthochdruck
Herz-Kreislauf-Erkrankungen
(Prä)-Diabetes
Kopfschmerz
chronische Rückenschmerzen (LWS)
Depression, Angst und Panik
Fibromyalgie (Muskelrheuma)
Krebs
Schlafstörungen und Burnout
Metastudien sind auch die Basis dafür, dass Behandlungsempfehlungen in medizinische Leitlinien aufgenommen werden – diese gelten als jeweiliger »state of the art« und spielen bei Therapieentscheidungen eine wesentliche Rolle. Mind-Body-Interventionen werden zum Beispiel für die Behandlung von Depressionen, Brustkrebs, Colitis ulcerosa (einer entzündlichen Darmerkrankung), Schmerzsyndromen sowie Reizdarm in solchen Leitlinien empfohlen. Denn bei diesen Krankheiten konnte gezeigt werden, dass die Beschwerden bzw. das dabei erlebte Leid zum Teil über mehrere Jahre deutlich abnehmen und das Wohlbefinden sowie die Lebensqualität der Patienten steigen. Wirkungen sind vor allem reduziertes Stresserleben und weniger Angst, Abnehmen von ständigem Grübeln und mehr Empathie und Selbstfürsorge.
Wie wirkt sich »Ordnung« im Leben auf den Körper aus? Mit ausreichender Bewegung, gesunder Ernährung, einer Balance zwischen Stress und Entspannung und Eingebundensein in ein soziales Netz? Physiologisch passiert dann folgendes:
die Muskelspannung (Tonus) nimmt im Ruhezustand ab
Blutdruck und Ruhepuls sind im Normbereich
die Körpertemperatur reguliert sich je nach Umgebung
das Körpergewicht ist im Normbereich
das Immunsystem arbeitet optimal
entzündliche Prozesse klingen rasch ab
Wunden heilen schneller
Krebszellen werden frühzeitig eliminiert
die Arterien bleiben flexibel und durchlässig
die Alterung der Zellen verlangsamt sich
sogar das Erbgut verändert sich positiv
All das zeigt, dass der Organismus sich seiner Umwelt anpasst, sich selbst reguliert und vor allem von stressbedingten Erregungszuständen rasch zur Ruhe zurückkehrt. Wir können diese Fähigkeit zur Selbstregulation zurückerobern.
In Asien gehört meditative Bewegung wie Qigong oder TaiJji zur Selbstfürsorge im Alltag.