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1.2.2 Der Zeitgeist der Human Relations-Bewegung (1920–1960)

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Die Hawthorne-Experimente als allgemein hin akzeptierter Startpunkt der Human Relations-Bewegung, starteten im Ursprung im Geiste der Methoden des Taylorismus, führten aber eher unbeabsichtigt zur Entdeckung der Bedeutung menschlicher Beziehung in der Arbeit (Kieser, 1999b). Mit den Methoden des Taylorismus sollte der Effekt der Beleuchtungsstärke auf die Arbeitsleistung gemessen werden – heraus kam allerdings die Entdeckung der sozialen Motive. Laut Kieser war die Bedeutung menschlicher Beziehung in der Arbeit auch schon vor der Human Relations-Bewegung bekannt und in der Unternehmensführung berücksichtigt; Die Hawthorne-Experimente lieftern jedoch eine Art von wissenschaftlich-fundierter Legitimation dieser Praxis (Kieser, 1999b), die im Zeitgeist der »wissenschaftlichen Betriebsführung« auf fruchtbaren Boden fiel.

Die Human Relations-Bewegung versuchte zu korrigieren, was eine rein tayloristische Betriebsführung an Problemen aufwarf. Diese Probleme thematisierten auch bereits im 19. Jhd. die Arbeiterbewegung und die daraus hervorgegangenen Sozialdemokratie (Kieser, 1999b, 2014b). Weitere Probleme in den beginnenden 1920er Jahren waren eine hohe Fluktuation in den Betrieben, Qualitätsprobleme, eine spürbare Verknappung des Arbeitskräfteangebots, ein »Rückgang der Arbeitsfreude« und der »Zusammenbruch der Arbeitsmoral« (Management Zeitschrift, 1920). Die Verknappung des Arbeitskräfteangebots führt auch dazu, dass die Arbeiter/innen an Selbstbewusstsein gewannen und die Unternehmer die Vorteile einer hohen Mitarbeiter/innenbindung erkennen lies (heute würde man wahrscheinlich von Commitment sprechen, Kap. 7).

Gleichsam kam es nach dem ersten Weltkrieg zu einer starken Geldentwertung, sodass auch monetäre Anreize (die in der wissenschaftlichen Betriebsführung zentral verankert sind) ihren Anreizcharakter verloren.

In den USA sahen sich viele Unternehmer in dieser Zeit mit ähnlichen Schwierigkeiten konfrontiert. In einer Manager Zeitschrift aus dem Jahr 1920 findet sich unter dem Titel »wie man den Bolschewismus bekämpft« die Beschreibung, dass der Zusammenbruch der Arbeitsmoral, die sie ihn die USA derzeit (also 1920) erleidet eine Gefahr für die gesamte Nation darstelle. Nur wenige wollten heute noch mehr arbeiten als absolut erforderlich. Es gäbe in Amerika eine gewisse Entschlossenheit, nicht mehr zu arbeiten oder zumindest so wenig wie irgendmöglich zu leisten. Das sei für die amerikanische Nation eine größere Gefahr als »die Roten« es jeweils sein könnten. Kieser (1999c) kommentiert, dass die Taylorisierung und Fordisierung wohl nicht zu der erhofften dauerhaften Disziplinierung der Arbeiter/innen geführt habe.

Es entwickelt sich zu dieser Zeit ein anderes Bild von den Arbeiter/innen, welches ebenso eine andere Art der Führung erforderte. So wurde ein neuer Typ des Managers gefordert, der z. B. der Autorität würdig sein sollte, bereit sein müsse, Neues aufzunehmen und von den Mitarbeiter/innen zu lernen und ernstlich darauf bedacht sein sollte, seine Mitarbeiter/innen sich entfalten zu lassen (Kieser, 1999c/2014b). Dabei wurde betont, dass solche Führungsstile nicht angeboren seien, sondern erlernbar. Aus diesem neuen Denkansatz heraus entstanden neue Schulungsarten wie die Schulung von Dale Carnegie, dessen Bücher auch heute noch in hoher Zahl verkauft werden.

Das sich damals entwickelnde Menschenbild des social man gilt als eine Reaktion auf die rationale, individuelle Nutzenorientierung des economic man (Kirchler et al., 2004). Der social man ist Mitglied eines sozialen Gefüges, hat soziale Bedürfnisse, welche auch am Arbeitsplatz befriedigt werden (sollen) und die »wichtiger« sind als monetäre Anreize (allein). Im Menschenbild des social man sind sozialpsychologische Annahmen der 1930er, 1940er und 1950er Jahre wiederzufinden. Es lässt sich folgendermaßen beschreiben:

• Der arbeitende Mensch wird von sozialen Motiven geleitet, nicht (nur) von materieller Be- und Entlohnung.

• Er/sie erhält seine Zugehörigkeit zur Organisation, seine/ihre Identität und den Willen zur Integration in die Organisationen durch seine/ihre sozialen Beziehungen.

• Er/sie handelt eher nach informellen Regeln und Normen, die sich in einer informellen Gruppe herausgebildet haben, als nach dem offiziellen Kontrollsystem.

• In dem Ausmaß, in dem die persönlichen Bedürfnisse am Arbeitsplatz befriedigt werden, reagiert er/sie auf die Erwartungen der Leitung.

• Durch die zeitgeschichtliche Entwicklung der Arbeitsteilung und damit die »Entfremdung« von der Arbeit bzw. die Sinnentleerung, treten die Bedürfnisse nach sozialen Beziehungen in der Organisation an die Stelle der sinnerfüllten Arbeit (vor der industriellen Revolution).

Arbeits- und Organisationspsychologie

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