Читать книгу Ophelia im Hudson River - Annette Meyers - Страница 12
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Оглавление»Ein Versuch«, sagte Hem Barron. Sein Lächeln war so intim, daß Wetzons Arme sich fast automatisch in Abwehrhaltung über der Brust gekreuzt hätten.
Sie drehte ihr leeres Bierglas zwischen den Handflächen und bemerkte, daß Laura Lee gewissenhaft jeden Augenkontakt vermied. »Natürlich ein vorläufiger Emissionsprospekt.«
Hem fischte die Olive aus seinem Martiniglas und aß sie auf. »Wir sind zunächst noch im Antragsstadium, verstehen Sie. Nicht für die Öffentlichkeit bestimmt.«
»Oh, ich verstehe«, erwiderte Wetzon. »Going public, aber ohne Publicity.«
»Ihre Freundin hat Humor«, sagte Hem zu Laura Lee. Er richtete aufrichtig dreinblickende, braune Augen auf Wetzons Busen.
»Meine Freundin hat Verstand, Hem«, gab Laura Lee zurück, »also lassen Sie uns diesen Schlagabtausch beenden.«
Hem verlor keinen Augenblick lang die Fassung. »Es war meine Idee«, sagte er. »Ich habe den Mädels ihr Startkapital gegeben und bin immer stiller Teilhaber der Firma gewesen. Ich muß wohl nicht extra sagen, daß ich bei der Transaktion mit Sicherheit einen Riesengewinn machen werde.«
»Ich bin sicher, daß die Mädels vor Dankbarkeit geradezu überfließen werden«, bekundete Wetzon und starrte ihre Freundin an.
»Eigentlich sollten sie das, aber die ganze Sache ist sehr enttäuschend«, sagte Hem. »A. T. ist dankbarer als Micklynn. Tut mir leid, das sagen zu müssen. Micklynn will einfach nicht an die Sache heran.«
»Das ist auch der Grund, warum wir es erst noch geheimhalten wollten.« Laura Lee seufzte und warf Wetzon einen beschwörenden Blick zu.
»Tatsächlich«, sagte Hem und beugte sich dicht zu Wetzon vor, »hat Micklynn den Emissionsprospekt bislang noch nicht einmal zu Gesicht bekommen. Wenn er noch ein bißchen aufpoliert ist und wir eine Chance sehen, sie zu überzeugen, bin ich sicher, daß sie mit uns kooperieren wird.«
Hem hatte irgendein exotisches Eau de Cologne aufgetragen, das Wetzon in der Nase juckte. Er trug eine schmierige Selbstsicherheit zur Schau. Sie konnte sich einfach nicht zurückhalten. »Was, wenn sie es nicht tut?«
»Das wird nicht geschehen, glauben Sie mir.« Hem neigte den Kopf Laura Lee zu. War sie jetzt wieder am Zug?
»Wetzon, wir möchten dich einfach nur fragen, woher du es weißt. Selbst Micklynn weiß es nicht ...«
»Wie bitte? Micklynn hat keine Ahnung? Sie weiß nicht, daß ihre eigene Firma an die Börse geht? Wie habt Ihr das denn hinbekommen? Ist sie denn nicht eine der Partnerinnen?«
»Natürlich weiß Micklynn Bescheid«, sagte Laura Lee, »nur daß sie bisher eher für den praktischen Teil zuständig war, während A. T. die geschäftlichen Verabredungen getroffen hat.«
»A. T. ist meine Schwester«, sagte Hem. »Es bleibt also in der Familie, könnte man sagen. Wenn wir für The Groaning Board Aktien ausgeben, verschaffen wir den Mädels die Möglichkeit, ihr Geschäft der Nachfrage entsprechend zu erweitern. Vielleicht ein paar Leute anzustellen ...«
Wo hatte Wetzon das nur schon einmal gehört? »Zu expandieren ist nicht immer das Beste für die Firma oder ihre Besitzer.« Sie griff in ihre Aktentasche und zog den weißen Umschlag heraus, den A. T. irrtümlich Smith gegeben hatte. Sie reichte ihn Laura Lee. »Smith nimmt die Dienste des Partyservices in Anspruch.«
»Smith ist Wetzons Geschäftspartnerin«, erklärte Laura Lee Hem. Sie öffnete das Kuvert und holte den Prospekt einen Zentimeter weit heraus, dann ließ sie ihn wieder zurückgleiten und verschloß den Umschlag wieder.
»Meinen Sie etwa Xenia Smith?« Jetzt hätte Hem beinahe einen Orgasmus bekommen. Er schenkte Wetzon ein besonders breites und strahlendes Lächeln.
Sie senkte die Lider. Mist, Hölle und Korruption, dachte sie. Wieder einer von Smith’ Eroberungen. Aber warum war sie darüber überrascht? Smith hatte es sich schließlich zur Lebensaufgabe gemacht, jeden zu kennen, der von Bedeutung war. »Sie haben einander also bereits kennengelernt, wie ich sehe.«
»Auf einer von Bill Veeders Partys im vergangenen Jahr. Sie ist großartig. Wir haben uns wirklich prächtig miteinander unterhalten.«
Ganz bestimmt, dachte Wetzon gehässig. Besonders, da ihr beide der gleichen Ansicht darüber seid, was das Wichtigste im Leben ist: Geld.
»Aber woher hast du diese Unterlagen, Schatz?« Der weiße Umschlag war in Laura Lees Aktentasche verschwunden.
»A. T. hat Smith einen Umschlag gegeben, in dem sich – wie wir alle glaubten – eine Pressemappe und ein Mustervertrag befinden sollten.«
»Smith hat das hier gesehen?« Vor Entsetzen bildeten sich plötzlich jede Menge rote Flecken auf Laura Lees ebenmäßigem Gesicht.
»Der Umschlag paßte nicht in ihre Tasche, deshalb gab sie ihn mir, um ihn für sie aufzubewahren. Ich habe gestern abend einen Blick hineingeworfen. Smith hat ihn noch nicht gesehen, weil sie bis Montag in Connecticut ist. Und nein, Laura Lee, sie weiß nichts davon.« Wetzon stand auf.
»Ich werde A. T. veranlassen, einen Boten mit dem richtigen Umschlag zu schicken«, sagte Hem und erhob sich ebenfalls.
»Wetzon, Schatz, bitte gib mir dein Wort, daß du das, was du jetzt weißt, niemandem weitererzählst.« Laura Lees Worte und ihr Verhalten waren vollkommen professionell, aber ihre Augen verrieten sie. Sie baten sie inständig.
»Du hast mein Wort, Laura Lee, und noch ein paar zusätzliche Worte des Rates von einem nicht ganz unbeteiligten Beobachter. Versucht auf keinen Fall, Micklynn zu übergehen.«
»Oh, sie wird uns schon zustimmen. Das muß sie einfach«, sagte Hem. Wetzon kam der Gedanke, daß ein Bild von ihm in einem Lexikon die perfekte visuelle Darstellung des Wortes schleimig wäre. »Es wird ihr Leben so sehr vereinfachen. Wenn wir erst an der Börse sind, wird sie keinen Tag in ihrem Leben mehr kochen müssen.«
»Und Sie glauben, daß das ihr sehnlichster Wunsch ist?« Ihr Instinkt sagte ihr, daß Kochen Micklynns Lebensinhalt war. Wetzon tippte sich kurz zum Gruß mit dem Finger an die Stirn. »Bis dann«, sagte sie.
Hem setzte sich so, daß er nun Laura Lee direkt in die Augen sehen konnte. Als Wetzon ging, hörte sie, wie er sagte: »Laura Lee, Sie haben wunderschöne Brüste.«
Sie wandte sich zu Laura Lee um und tat hinter seinem Rücken, als müsse sie sich übergeben. Laura Lees Lippen zuckten, aber mehr ließ sie sich nicht anmerken.
Wetzon war bereits außer Sichtweite, bevor Hem Barron noch auf die Idee kam, sich umzusehen. Auf der Straße atmete Wetzon tief ein und aus. Abgase waren wenigstens ehrlich. An einem Stand wurden in Honig geröstete Erdnüsse verkauft, und sie blieb stehen, um sich ein Tütchen zu kaufen, in der Hoffnung, daß sie den fauligen Geschmack in ihrem Mund vertreiben würden. Sie wußte, daß Laura Lee sie später anrufen würde, um ihr zu erklären, daß es sich um eine reine Geschäftsbeziehung handelte, was Wetzon für offensichtlich hielt. Aber war es das wert?
Als sie in Richtung Upper West Side nach Hause ging, kam ihr Smith’ Kommentar über Börsenmakler in den Sinn. »Leg dich mit Börsenmaklern ins Bett, dann stehst du mit Schmeißfliegen wieder auf.« Jeder der sich mit Hemingway Barron und seinesgleichen einließ, hatte Glück, wenn es nur Schmeißfliegen waren, die ihn am Morgen danach heimsuchten.